Der CSU-Landtagsabgeordnete Walter Nussel ist Bayerns Beauftragter für den Bürokratieabbau. (Foto: BK/AS)
Verwaltung

Schluss mit der Bürokratie!

Interview Der Landtagsabgeordnete Walter Nussel ist seit Februar Beauftragter der Staatsregierung für den Bürokratieabbau. Mit dem BAYERNKURIER spricht der Mittelfranke über unsinnige Vorschriften und den Wunsch vieler Behörden, alles perfekt zu regeln.

Herr Nussel, wie sehen Sie ihre Rolle im Kampf gegen zu viel Bürokratie?

Ich will versuchen, bestehende Gesetze und Verordnungen auf ihre Tauglichkeit zu untersuchen und neue schon vorab zu hinterfragen. Oft wird bei Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen bei der Umsetzung noch eins oben drauf gesetzt. Die Politik setzt einen Rahmen und die Behörden wollen dann bei der Umsetzung bloß keinen Fehler machen und übererfüllen ihre Pflicht. Jetzt habe ich zwei Aufgaben: Ich muss die Politik fragen, muss diese Regel wirklich sein, muss das wirklich alles so bis ins Detail geregelt werden? Und die Behörden muss ich auf überschießende Umsetzungen aufmerksam machen. Auf Regionalkonferenzen und vielen Veranstaltungen, bei denen ich referiere, befrage ich zuerst intern die Behörden, wo sie Ansätze zur Entbürokratisierung sehen, dann in einem öffentlichen Teil die Bürger, Verbände und Mandatsträger. Daraus entwickle ich Vorschläge, die ich dann an die Staatskanzlei übergebe.

Das klingt nach einem schwierigen Unterfangen …

Ja! Das reicht bis in die Opposition, weil auch die erkennen muss, dass es meistens neue Bürokratie bedeutet, wenn sie immer wieder etwas Neues fordert. Siehe zuletzt die Feinstaubregelung. Die ist prinzipiell sicher sinnvoll, aber man muss fragen, wo kommen die Grenzwerte her? Wer hat die festgelegt? Auf welcher Basis? Ist das überhaupt gerechtfertigt? Und daraus werden dann Verordnungen gemacht, die der Wirtschaft und den Bürgern Probleme bescheren. Da sehe ich mich dann auch als Bindeglied zu Institutionen und Verbänden.

Mit welchen Verbänden haben Sie zu tun?

Das ist unterschiedlich. Jetzt beim Bodenschutzprogramm stehe ich zum Beispiel in Kontakt zum Baugewerbe, zur Bauindustrie, zum Bauernverband, zum Waldbesitzerverband, Gemeinde- und Städtetag, kurz, zu allen, die das betrifft. Bei Themen der Gastronomie ist es zum Beispiel der DEHOGA. Nicht selten sind auch die Bürger selbst die besten Experten. Sie alle sollen mir erklären, welche Auswirkungen neue Regeln in ihrem Bereich haben. Ziel ist, dass man schon im Vorfeld versucht, Regeln smarter zu machen – und trotzdem ergebnisorientiert handelt.

Lebenswert trotz Regularien – ich hoffe, ich kann dazu beitragen.

Walter Nussel

Welche Rückmeldungen haben Sie bis jetzt erhalten?

Schon viele! Da ist thematisch alles dabei: Gastronomie, Brandschutz, Verkehrsüberwachung und so fort. Da muss man auch aufpassen, dass man sich nicht verzettelt. Seit ich berufen wurde, erlebe ich: Jetzt haben die Menschen einen Kopf, eine Person, der man solche Probleme schildern kann und der richtet das dann schon. Meine Mitarbeiter müssen dann erstmal den Sachstand einholen. Ziel ist, dass man zur Not das Rad auch wieder zurückdrehen kann. Es gibt aber auch Punkte, da kann man nichts machen, da sind Regeln sinnvoll und richtig. Etwa wenn Gefahren für Leib und Leben entstehen könnten.

Ihre Schwerpunkte sollen in der Land- und Forstwirtschaft sowie Bau- und Umweltrecht liegen. Haben Sie konkrete Beispiele für Überbürokratisierung in diesen Bereichen?

Ein Beispiel aus dem Umweltbereich: der Waldwegebau, auch in den Bergen. Da kommt der Naturschutz und ist gleich wieder dagegen, selbst wenn kein Gesetz dagegen steht. An so einem Fallbeispiel will ich klären, wie man Regeln zukunftssicher machen kann, damit man nicht ständig wieder den gleichen Konflikt austragen muss. Denn gerade im Umweltbereich ist immer auch viel Ideologie im Spiel. Oder nehmen Sie die Besteuerung von Agrardiesel: Der bürokratische Aufwand mit dem Hauptzollamt, den jeder Landwirt zu erfüllen hat, schießt weit über das Ziel hinaus. Oder beim Bodenaushub. Da wurden nach einem Skandal um die illegale Entsorgung kontaminierten Bodens die Vollzugsrichtlinien und Schadstoffgrenzwerte verschärft. Nur helfen die auch nicht weiter gegen Firmen mit krimineller Energie, aber sie belasten alle anderen Firmen.

Wie kann man schon im Gesetzgebungsprozess eingreifen, um zu viel Bürokratie vorab zu verhindern?

Ich bekomme viele Informationen aus den Ausschüssen des Landtags, wenn Gesetze geändert werden. Jetzt habe ich eine Abteilung mit vier Leuten, die das alles sichtet und vorsortiert. Ich versuche dann, eine gewisse Richtung vorzugeben. Und dazu kommen die Bürger. Ein Unternehmer hat mich vor ein paar Tagen angerufen. Er hat eine Pflasterbaufirma, die seit Jahren in diesem Bereich arbeitet. Plötzlich sollte er alle Mitarbeiter auf einen Lehrgang zum Setzen eines Unterflorhydranten-Standrohres schicken. Bisher war ein Angestellter oder der Meister dafür ausreichend, der hat das weitergegeben an die anderen Mitarbeiter. Jetzt sollten auf einmal alle einen Lehrgang machen. Da bin ich der Meinung, das geht über das Ziel hinaus. Pro Mitarbeiter war das ein halber Arbeitstag plus jeweils 159 Euro Kosten. Das sind dann Fälle, in denen der Bürokraten-Teufel zuschlägt.

Spüren Sie Widerstand, etwa von Beamten oder Juristen?

Jedes Ministerium verteidigt seine Gesetze, Richtlinien und Verordnungen. Da muss man dann daran erinnern, worin das eigentliche Ziel dieser Regel besteht. Ich will die Ministerien ja nicht kontrollieren, sondern auf das gemeinsame Ziel „Bayern menschlich und modern“ verpflichten. Und dann gemeinsam Lösungen finden. Dazu gab es schon viele Gespräche und wird es noch viele geben. Leben und leben lassen, aber gut leben: Zu verhindern, dass Regularien das gute Leben hier beeinträchtigen, das ist gewissermaßen die schwierige Aufgabe. Lebenswert trotz Regularien – ich hoffe, ich kann dazu beitragen.

Ein Großteil der Gesetze wird mittlerweile in der EU gemacht. Der Bundestag hatte hier einmal den Wert 30 Prozent ermittelt. Wie wollen Sie Einfluss darauf nehmen?

Jetzt fange ich erstmal mit dem Land an, und teilweise mit dem Bund. Längerfristig müssen wir aber schon auch auf die EU Einfluss nehmen. Da habe ich auch bereits Erfahrung. Ende der 90er Jahre kam die Habitat-Richtlinie der EU über neue Naturschutzgebiete. Da habe ich für ein Verschlechterungsverbot für Grundstücksbesitzer gekämpft, damit die ihre Grundstücke so weiter bewirtschaften dürfen wie bisher. Das Problem ist allerdings oft nicht die EU-Regel, sondern dass Deutschland immer alles besonders genau durchsetzen will. Das ging in diesem Fall schon fast bis zur Enteignung der Grundstücksbesitzer. Letztendlich konnten wir das stoppen. Auch Edmund Stoiber hat nach seiner Entbürokratisierungsarbeit für die EU gesagt, ein Drittel der Kosten sei durch ineffiziente Umsetzung entstanden.

Haben Sie sich schon Rat bei ihm geholt, wie man große Bürokratien erfolgreich bekämpft?

Noch nicht, aber ich will und werde das noch tun. Aber jetzt muss ich erstmal den ersten Ansturm an Anfragen bearbeiten.

Das Interview führte Andreas von Delhaes-Guenther.