Mehr Artenschutz in Bayern: Eine Biene saugt Nektar aus Bärlauchblüten. (Foto: imago images/Winfried Rothermel)
Artenschutz

Aus Liebe zur Heimat

Sechs Monate nach Beginn des erfolgreichsten Volksbegehrens in der bayerischen Geschichte hat der Landtag den Umwelt-, Natur- und Artenschutz deutlich verschärft. Mit großer Mehrheit billigten Abgeordnete am Mittwoch den Gesetzentwurf.

In Bayern gelten künftig strengere Regeln im Natur- und Artenschutz. Im Landtag stand ein wichtiges Gesetzespaket zur Abstimmung, das die Staatsregierung nach dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“ und einem Runden Tisch aller Beteiligter auf den Weg gebracht hatte. Unter anderem sollen künftig Biotope besser vernetzt und kartiert, Gewässerrandstreifen besser geschützt und der Anteil des ökologischen Anbaus deutlich erhöht werden.

Versöhnungsgesetz erhält mehr Gegenstimmen

Bei der finalen Abstimmung haben 167 Abgeordnete des Landtags dem Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes zugunsten der Artenvielfalt und Naturschönheit zugestimmt, 25 lehnten ab, 5 enthielten sich. Neben Abgeordneten von der AfD stimmten auch sechs Freie Wähler gegen die Annahme. Von der CSU gab es zwei Enthaltungen.

Es ist eine Richtungsentscheidung zu einer modernen, nachhaltigen Agrarökologie.

Markus Söder

Dem Begleitgesetz zugunsten der Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern (Gesamtgesellschaftliches Artenschutzgesetz – Versöhnungsgesetz) stimmten 152 Abgeordnete zu, 39 lehnten ab und 3 enthielten sich.

Söder: Reform ist unverzichtbar

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach von einer „vorbildhaften Leitentscheidung“ über die Grenzen des Freistaats hinaus. Klima- und Artenschutz verfolge die Regierung nicht aus „ideologischen Gründen“, sondern „aus Stolz, Dankbarkeit und Liebe zur Heimat“. Bereits vorab hatte Söder die Reform als unverzichtbar verteidigt. „Das Volksbegehren war kein Betriebsunfall, es ist eine Richtungsentscheidung zu einer modernen, nachhaltigen Agrarökologie, die tatsächlich die Herausforderungen von Artenschwund und Klimawandel aufnimmt“, sagte er am Mittwoch vor der Sitzung des Landtags in München. Entscheidend für die Zukunft sei es, eine Perspektive für viele mittelständische Landwirte anzubieten.

Wir dürfen unseren Kindern keine Welt hinterlassen, die Artenvielfalt nur noch in Büchern bieten kann.

Thorsten Glauber, Umweltminister

„Natur und Landwirtschaft sind zwei tiefgreifende emotionale Themen, da geht es um die Prägung der Heimat“, betonte Söder. Die Staatsregierung habe den „Impuls“ des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ aufgegriffen, da dies zur Führungsaufgabe der Regierung gehöre. Artenschutz, Klimaschutz und Landwirtschaft mussten in eine neue Balance gebracht werden, weil sich die Welt schneller ändere als gedacht. „Wer will, dass vieles bleibt, wie es ist, der muss es ändern. Wer glaubt, nichts zu ändern, wird erleben, dass nichts so bleibt, wie es ist.“ Man dürfe nicht nur die Bedenken sehen, sondern müsse auch die Chancen betonen, so Söder im BR. Dass es noch Skepsis gebe, sei normal. „Vor allem weil einige noch nicht sicher sind, wie wirkt das in der Umsetzung.“

Artenvielfalt sichern

„Wir wollen den Schwund heimischer Arten weitgehend stoppen. Wir dürfen unseren Kindern keine Welt hinterlassen, die Artenvielfalt nur noch in Büchern bieten kann“, betonte Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW). Sogar die Initiatoren des Volksbegehren sind mit dem Ergebnis zufrieden. „Fairerweise müssen wir sagen, dass jetzt mehr umgesetzt wird, als wir uns selbst am Anfang erwartet haben“, sagte die Beauftragte des Volksbegehrens, Agnes Becker (ÖDP), der Deutschen Presse-Agentur in München.

Mit einer Zustimmung von 18,3 Prozent der Wahlberechtigten im Februar war es das erfolgreichste Volksbegehren in der Geschichte des Freistaates, 1,7 Millionen hatten unterschrieben. Ministerpräsident Söder hatte darum einen Runden Tisch mit Bauern und Umweltaktivisten eingerichtet, um die Schwächen des Volksbegehrens zu beheben. Insbesondere die Landwirte hatten beklagt, dass die Pläne nur zu ihren Lasten gingen und teilweise nicht den bäuerlichen Notwendigkeiten entsprächen.

Die Änderungen

Ziele des Artenschutzgesetzes sind unter anderem: bis zu 30 Prozent mehr Ökolandbau bis zum Jahr 2030 und eine Biotopvernetzung von blühenden Wiesen und Uferrandstreifen soll Insekten wieder mehr Lebensraum geben. Wiesen werden zum Schutz brütender Vögel erst später gemäht und gewalzt. Außerdem werden artenreiche Wiesen und Streuobstwiesen als eigene Biotop-Kategorien erfasst und der Einsatz von Pestiziden eingeschränkt. Weitere Punkte sind mehr Biodiversität in den Wäldern, weniger „Lichtverschmutzung“ für Insekten etwa durch Straßenlaternen, die Begrünung staatlicher Gebäude und eine klimaneutrale Staatsverwaltung. Moore sollen noch besser geschützt und renaturiert werden. Auch sollen als neue Bildungsziele für Bayerns Schulen die Themen Naturschutz, Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle landwirtschaftliche Erzeugung verankert werden.

Ziel des begleitenden Versöhnungsgesetzes ist, Natur und Landwirte gleichermaßen zu schützen. Dabei sollen mit einem breit angelegten Generationen- und Gesellschaftsvertrag die Punkte Ökologie, Ökonomie und Landwirtschaft miteinander „versöhnt“ werden. „Artenschutz ist nicht alleine Aufgabe der Landwirtschaft sondern geht alle an: Privatleute ebenso, wie Kirchen und Kommunen“, schreibt die CSU-Landtagsfraktion auf ihrer Webseite dazu. Das Begleitgesetz wird auch deshalb noch in diesem Jahr evaluiert werden. Nach dem Gesetz sollen Landwirte unter anderem Ausgleichszahlungen für ihre Umweltleistungen erhalten. Außerdem enthält es weitergehende Maßnahmen, die den Naturschutz in Bayern verbessern sollen.

Es gab vier durch die Landwirtschaft kritisierte Punkte im Volksbegehren, die präzisiert und entschärft werden mussten:

  • Mahdzeitpunkt für Grünlandflächen: Dies soll nun keine Verpflichtung für den Einzelbetrieb sein und in Kooperation mit den Landwirten umgesetzt werden. Ab dem Jahr 2020 soll auf bayernweit zehn Prozent aller Grünlandflächen die erste Mahd nicht vor dem 15. Juni erfolgen, wofür teilnehmende Landwirte honoriert werden.
  • Walzzeitpunkt für Grünlandflächen: Ein späterer Walzzeitpunkt als der 15. März kann nun auf Grund der örtlichen Witterungsverhältnisse durch die Regierungen bestimmt werden.
  • Bis 2030 soll der Biotopverbund von zehn auf mindestens 15 Prozent der bayerischen Offenlandfläche erweitert werden. Bei den Regelungen zur Kartierung von Biotopen kommt man den Eigentümern mit einem Schlichtungsverfahren entgegen.
  • Streuobstwiesen und artenreiches Dauergrünland: Die Rechte der Eigentümer bei der Biotopausweisung wurden gestärkt. Unterhaltungsmaßnahmen für die Streuobstbestände sind weiterhin möglich, wie auch eine normale Bewirtschaftung insgesamt.

Zusätzlich soll eine Vielzahl darüber noch hinausgehender Maßnahmen geprüft werden. So wurde etwa eine Bundesratsinitiative für weniger Pestizideinsatz in Privatgärten beschlossen.

Bauern weiter kritisch

Der Bayerische Bauernverband (BBV) ist weiter kritisch. Bauernverbands-Präsident Walter Heidl, der mit am Runden Tisch saß, mahnte: „Für viele Bauern war die Behauptung, die Freiwilligkeit bei Artenschutzmaßnahmen sei gescheitert und man bräuchte jetzt gesetzliche Vorgaben, persönlich verletzend. Außerdem stellt das Ziel, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bayernweit um 50 Prozent zu verringern, uns Bauern in eine Ecke, als würden wir jetzt verantwortungslos mit Pestiziden umgehen.“ Heidl will das Gesetz „sehr aufmerksam“ begleiten. BBV-Generalsekretär Georg Wimmer forderte, dass alle zusätzlichen Leistungen der Land- und Forstwirtschaft finanziell honoriert werden müssen.

Viele Bauern leisten ja alles schon, was man jetzt fordert. Dass man dafür keine Anerkennung bekommt, das tut natürlich weh.

Angelika Schorer, MdL

Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber sagte dazu: „Ich habe acht Regionalkonferenzen in ganz Bayern hinter mir, ich habe Abertausende von Bauern getroffen. Und natürlich ist es so, dass man hier dieses Begehren auch erklären muss. Aber ich habe auch gemerkt, dass die Bauernschaft schon auch sagt: Jetzt geben wir denen Zeit.“ Die CSU-Agrarpolitikerin Angelika Schorer mahnte: „Viele Bauern leisten ja alles schon, was man jetzt fordert. Dass man dafür keine Anerkennung bekommt, das tut natürlich weh.“