Michaela Kaniber ist Bayerische Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. (Foto: BK/W. Heider-Sawall)
Landwirtschaft

„Wir wollen das Beste für unsere Bauern“

Aus dem BAYERNKURIER-Magazin: Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber erklärt, wie die Staatsregierung Naturschutz und Landwirtschaft vereinen will und was jeder Einzelne dazu beitragen kann, die heimischen Bauern zu unterstützen.

Frau Kaniber, Bauern und Bienen retten – mit diesem Anspruch will die Staatsregierung das Volksbegehren zum Artenschutz umsetzen und hat dazu eigene Vorschläge gemacht.  Wir wissen nicht, was die Bienen denken, aber wie kommt das Gesetzespaket bei den Bauern an?

Das Volksbegehren haben 1,8 Millionen Menschen unterschrieben. Das ist ein klares Signal. Davor kann die Politik nicht die Augen verschließen, darauf müssen wir reagieren. Die Aufgabe von Politik ist schließlich, unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bringen und Konflikte zu befrieden. Und das ist durch die Idee von Markus Söder, einen Runden Tisch zum Volksbegehren einzurichten, auch gut gelungen. Am Runden Tisch hatten alle Teilnehmer die Möglichkeit, die Situation aus ihrem Blickwinkel zu bewerten. Das geschah in großer Gemeinsamkeit und in einer guten Tonlage. Das ist übrigens auch ein Verdienst von Alois Glück, der den Runden Tisch moderiert hat. Umso enttäuschender ist, wenn jetzt einige Teilnehmer im Nachgang diesen konstruktiven Dialog aufgeben und die Stimmung anheizen, obwohl noch gar nicht alle Regelungen und begleitenden Maßnahmen abschließend beschlossen sind.

Die Kritik richtet sich auch gegen Inhalte im Begleitgesetz: unter anderem, dass einige Vorschläge der Regierung über das Volksbegehren hinausgehen.

Dazu hat Alois Glück das Entscheidende gesagt: Es ist der falsche Ansatz, zu glauben, dass es genüge, das Volksbegehren zu erfüllen, und darüber hinaus bräuchten wir nichts mehr tun. Das Volksbegehren ist erst der Anfang, dessen müssen wir uns bewusst werden. Es geht uns allen doch darum, die Artenvielfalt zu erhalten und das Artensterben zu stoppen. Wir dürfen den Bauern aber nicht zu viel auferlegen. Dennoch müssen wir besser werden. Mit einem funktionalen Biotopverbund zum Beispiel. Schon jetzt sind bereits knapp zehn Prozent der Flächen in diesem Verbund. Über Gewässerstreifen, über Straßenbegleitgrün, über Waldsäume, über grüne Oasen und so weiter haben wir so viel Potenzial, noch weitere Flächen einzubinden, sodass die 15 Prozent zwar ambitioniert, aber auch zu schaffen sind. Diese Vorgabe soll ein Ansporn sein, noch besser zu werden. Denn eines ist doch klar: Die Menschen werden ganz genau beobachten, was in den kommenden Jahren passiert. Die Maßnahmen zum Artenschutz müssen auch recht schnell sichtbar werden. Denn wehe uns, es geschieht nichts.

Jeder in der Gesellschaft ist jetzt gefordert zu überlegen, was er zum Arten- und Umweltschutz beitragen kann.

Michaela Kaniber

Die Bauern monieren auch, dass der Gesetzentwurf der Staatsregierung die Gesamtgesellschaft – also Kommunen, Wirtschaft und Bürger – zu wenig einbezieht, um die Artenvielfalt zu bewahren. Warum ist das nicht besser gelungen?

Auch das ist in der bisherigen Diskussion zu kurz gekommen. Wir haben uns gerade auf diesem Gebiet viel vorgenommen. Nehmen Sie nur das im Koalitionsvertrag vereinbarte Gebot zum Flächensparen. Oder die Möglichkeiten, ökologischer zu bauen, und unsere Bestrebungen, die Lichtverschmutzung einzudämmen. Das Volksbegehren hat einen Prozess angestoßen. In den Kommunen und in den Landkreisen kann sich gar niemand mehr der Diskussion entziehen, was für den Artenschutz getan werden kann. Es geht zum Beispiel darum, wie häufig man die eigenen Flächen mähen oder mulchen soll. Oder an wen man die eigenen Flächen verpachtet und wie sie genutzt werden sollen. Privatgärten werden umgestaltet. Der Kies kommt raus, Blühflächen werden neu angelegt. Jeder in der Gesellschaft ist doch jetzt gefordert zu überlegen, was er zum Arten- und Umweltschutz beitragen kann. Es ist doch überhaupt nicht einzusehen, warum Discounter noch riesige oberirdische Parkplätze haben, sie gehören unter die Erde. Und darüber können Wohnungen gebaut werden. Solche Maßnahmen lindern den Flächendruck.

Wir begehen einen großen Fehler, wenn wir immer weiter auf unsere Bauern einhauen.

Michaela Kaniber

Abgesehen von der aktuellen Artenschutz-Debatte wird schon länger versucht, einen Konflikt zwischen Landwirtschaft und Umweltschutz aufzubauen. So kommt immer wieder der Vorwurf, gerade die Viehzucht produziere zu viele klimaschädliche Gase. Werden derzeit nicht sehr viele Probleme bei den Bauern abgeladen?

Ja, es ist traurig, dass immer wieder unsere Landwirte als Sündenböcke für vieles herhalten müssen. Dabei hätten sie viel, viel mehr Wertschätzung und Unterstützung verdient. Denn auch sie leben mit Zielkonflikten. Zum einen wollen wir die Emissionen, die auch von der Tierhaltung ausgehen, reduzieren. Gleichzeitig wollen die Menschen aber freilaufende Tiere auf der Wiese sehen. Aber wenn die Tiere draußen sind, gehen die Emissionen natürlich in die Atmosphäre. Wer hat hier die Lösung? Besonders aber ärgert mich, dass wir von unseren Bauern immer mehr verlangen, aber nicht bereit sind, für ihre Leistungen und Produkte entsprechend zu bezahlen. Stattdessen kauft man Erzeugnisse aus dem Ausland, die unter Bedingungen produziert wurden, die mit unseren Standards überhaupt nicht vergleichbar sind. In China etwa werden die Schweine in den Ställen übereinander gestapelt. Mit welchem Wasser werden wohl ägyptische Biokartoffeln gewässert? Der Verbraucher sollte sich hier wirklich fragen, was ihm seine heimischen Landwirte und deren Premiumprodukte wert sind. Wir begehen einen großen Fehler, wenn wir immer weiter auf unsere Bauern einhauen. Damit beschädigen wir eine ganze Branche, die zweitwichtigste in Bayern nach der Automobilindustrie. Zusammen mit dem vor- und nachgelagerten Bereich generiert allein die Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft rund 158 Milliarden Euro Umsatz und beschäftigt rund 900. 000 Menschen.

Hat sich in der Debatte um das Volksbegehren nicht auch eine wachsende Kluft zwischen Stadt und Land gezeigt? Gerade die Stadtbewohner stellen immer höhere moralische Ansprüche an die Produktion von Lebensmitteln, haben aber immer weniger Ahnung von den realen Verhältnissen in der Landwirtschaft.

Genauso ist es. In den Städten gibt es so gut wie keine Landwirte mehr. Das ist vorbei. Und damit schwindet das Wissen über die Landwirtschaft. Umso wichtiger ist es, dass wir den Menschen wieder bewusst machen, was Landwirtschaft wirklich leistet. Ich finde es sehr traurig, dass wir nur noch darüber sprechen, was in der Landwirtschaft vermeintlich alles falsch gemacht wird. Dass wir aber jeden Tag gesunde, hervorragende Premiumprodukte von unseren Landwirten auf dem Tisch haben, das vergessen viele. Und dass die Landschaft Bayerns so aussieht, haben wir der tagtäglichen harten Arbeit unserer Landwirte zu verdanken.

Wie wollen Sie den Kontakt zwischen Landwirten und Städtern intensivieren?

Dazu gibt es bereits zahlreiche Initiativen. Viele Landwirte öffnen ihre Tore für Besucher, veranstalten Hoffeste, bieten Erlebnisse auf dem Bauernhof. Die Landfrauen gehen in die Schulen und fangen schon bei den Kleinsten mit der Wissensvermittlung an. Aber wir brauchen mehr. Wir brauchen wieder eine ganz klare Kampagne, in der wir die Leistungen der Landwirtschaft herausstellen. Und am besten können das die Landwirte selbst. Ich rufe sie immer wieder dazu auf, über ihre Arbeit zu sprechen – im persönlichen Gespräch oder auch über die sozialen Medien.

Es braucht endlich das Bewusstsein dafür, was uns Lebensmittel, egal ob sie ökologisch oder konventionell erzeugt wurden, wert sind.

Michaela Kaniber

Es gibt in Deutschland diese große Diskrepanz zwischen dem lauten Ruf nach mehr Tierwohl, mehr Artenschutz und mehr ökologischer Landwirtschaft und der Bereitschaft, dafür tatsächlich mehr zu bezahlen. Wie kann man die Verbraucher dazu animieren, ihr Verhalten zu ändern?

Wir müssen den Menschen den Spiegel vorhalten. Wir leben in Deutschland in einem Wohlstand, den es so noch nie zuvor gegeben hat. Gleichzeitig herrscht vor allem bei Lebensmitteln eine – man muss es leider so sagen – Geiz-ist-geil-Mentalität. Um das zu ändern, braucht es einen Dreiklang: Wir brauchen eine ganz klare Beschreibung der Produkte durch den Landwirt. Wir brauchen den Handel. Und wir brauchen den Verbraucher, dem bewusst werden muss, dass er über sein Verhalten, über seinen Geldbeutel steuern kann, wie es den Landwirten geht, wie sein Land aussieht, wie viel Artenschutz ermöglicht wird. Also eine gute Kommunikation über das Produkt wäre der mögliche Ansatz. Damit erreichen wir die Bewusstseinsbildung. Und schließlich wird aus Wertschätzung dann hoffentlich Wertschöpfung.

Sind Lebensmittel bei uns generell zu billig?

Ja, und es wird höchste Zeit, dass bei unseren Landwirten mehr ankommt. Halten wir uns doch mal eines vor Augen: In der Nachkriegszeit hat man in Deutschland versucht, möglichst viele Lebensmittel so günstig wie nur möglich zu produzieren. Heute haben wir viele andere Ansprüche und höhere Standards und trotzdem sind die Ausgaben für Lebensmittel, gemessen am Einkommen, so gering wie in kaum einem anderen Land. Das gibt es in keiner anderen Branche. Es braucht endlich das Bewusstsein dafür, was uns Lebensmittel, egal ob sie ökologisch oder konventionell erzeugt wurden, wert sind. Deshalb muss es uns gelingen, die Landwirtschaft wieder in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. Dazu gehört auch, dass der Handel sich Gedanken macht, ob es richtig sein kann, dass man Lebensmittel zu Dumpingpreisen verschleudert.

Wird man als Landwirt auch künftig noch von der Erzeugung von Nahrungsmitteln leben können?

Es gibt viele Landwirte, die sehr erfolgreich sind, weil es ihnen gelungen ist, eine besondere Sparte zu bedienen oder ein Produkt zu veredeln. Ich kenne zum Beispiel einen Bauernhof, einen Familienbetrieb, der produziert eigenen Joghurt für eine Einzelhandelskette. Das läuft hervorragend. Die Familie stellt ständig neue Mitarbeiter ein. Das zeigt, welche wichtige Rolle die Regionalität spielt. Sie gibt dem Produkt ein Gesicht. Denn die Menschen wollen wissen: Das ist der Bauer, von dem kommen meine Lebensmittel. Andere Landwirte setzen auf Diversifizierung: Sie bieten Urlaub auf dem Bauernhof, führen einen Hofladen oder betreiben Direktvermarktung. Es gibt viele Möglichkeiten. Natürlich haben wir auch viele Nebenerwerbslandwirte. Die haben meiner Meinung nach unseren absoluten Schutz verdient. Die EU diskutiert immer wieder darüber, wer ein „echter“ Landwirt ist oder nicht. Ich finde diese Diskussion daneben, denn alle betreiben Landwirtschaft und kümmern sich leidenschaftlich um unsere Heimat.

Wenn die Menschen sehen, wie ihre Lebensmittel entstehen und woher sie kommen, dann steigt auch die Wertschätzung.

Michaela Kaniber

Sie haben es gerade angesprochen: Viele Landwirte suchen sich weitere Einkünfte. Sie vermieten Wohnungen oder vermarkten ihre Produkte selbst. Kann die Staatsregierung sie dabei unterstützen?

Wir unterstützen diese Diversifizierung auf vielen Wegen. Wir haben zum Beispiel eine Initiative mit dem Namen „HeimatUnternehmen“ gestartet. Da geht es darum, in ländlichen Regionen Unternehmensgründungen und Innovationen mit bis zu 200.000 Euro zu fördern und zu begleiten. Außerdem gründen wir Netzwerke. Unsere Öko-Modellregionen, die wir gerade um 15 erweitert haben, sind ein Erfolgsmodell. Wir wollen Ökobauern und konventionelle Landwirte miteinander vernetzen und damit neue regionale Wirtschaftskreisläufe ermöglichen. Da werden zum Beispiel eine Mühle und eine Brauerei aus der Region zusammengebracht. Die Mühle liefert dann die heimische Gerste für das Bier. Oder der örtliche Bäcker nimmt das Mehl ab und so weiter. So bleibt die Wertschöpfung in der Region. Die Grundversorgung im ländlichen Raum sollte wieder über regionale Produkte erfolgen. Das ist der richtige Ansatz. Wenn die Menschen sehen, wie ihre Lebensmittel entstehen und woher sie kommen, dann steigt auch die Wertschätzung. Auch die Staatsregierung unterstützt den Absatz regionaler Produkte. Wir haben beschlossen, dass wir in staatlichen Kantinen und Gemeinschaftsverpflegungen 50 Prozent regionale oder Biolebensmittel anbieten wollen. Bisher musste stets das günstigste Angebot genommen werden. Jetzt wollen wir auch die Regionalität und die Qualität mit unserem Bio­siegel oder „Geprüfte Qualität Bayern“ berücksichtigen. Auch kleinere Projekte und Investitionen zur Verarbeitung und Vermarktung regionaler Produkte unterstützen wir mit einem eigenen Förderprogramm.

Trotz all dieser Maßnahmen geht auch in Bayern das Höfe­sterben weiter – auch, weil längst nicht mehr alle jungen Menschen den Hof der Eltern übernehmen wollen. Was lässt sich dagegen tun?

Das ist ein Thema, das mich sehr beschäftigt. Ich habe deshalb eine Junglandwirte-Kommission eingesetzt. Darin sprechen wir mit den jungen Bäuerinnen und Bauern über ihre Erwartungen und Hoffnungen. Wir wollen ihre Meinung hören, was zu tun ist, um die Landwirtschaft in Bayern attraktiv und zukunftsfähig zu gestalten. Und wir legen ein Junglandwirte-Programm auf. Ständig reden wir von Start-ups und Gründerzentren in verschiedensten Wirtschaftsbereichen. Nur in der Landwirtschaft gibt es das bisher nicht. Dabei gibt es sehr viele innovative Junglandwirte, die auf ihren Höfen neue Ideen verwirklichen wollen. Die haben eine Power, Ideen und Impulse, eine Innovationskraft, dass es einen umhaut. Und sie denken nicht mehr in den eingefahrenen Schienen oder Verbandsstrukturen, die wollen Neues anpacken. Wir unterstützen sie dabei – sei es bei der Aufstellung eines Business-Plans oder bei der Digitalisierung.

Es gibt in Bayern nur eine Partei, die zu den Landwirten steht, und das ist die CSU.

Michaela Kaniber

Letzte Frage: Über Jahrzehnte war die CSU die politische Heimat der Landwirte. Ist sie das heute immer noch?

Das ist immer noch so, gar keine Frage. Es gibt in Bayern nur eine Partei, die zu den Landwirten steht, und das ist die CSU. Alle anderen Parteien haben sich längst abgewandt. Deutlich wurde das bei der jüngsten Debatte über den Haushalt meines Ministeriums. Die anderen Parteien haben über Bienen geredet, über die Tiere, über dies und das. Aber keine hat von unseren Landwirten gesprochen – außer der CSU. Auch wenn es nicht immer einfach ist: Politik ist dazu da, die Zukunft zu gestalten. Mein Anspruch ist es, dass die CSU die Zukunft unserer Bauern so gestaltet, dass sie eine erfolgreiche Zukunft haben und gut leben können.

Das Interview führte Thomas Röll.