Johannes Singhammer (r.) konnte in München-Nord für die CSU gewinnen. Bernhard Loos will es ihm gleichtun. (Foto: A. Schuchardt)
Wahlkampf

„Ich kenne die Praxis“

Interview München-Nord gilt als Bayerns schwierigster Wahlkreis. In dem heterogenen Stadtgebiet konnte Johannes Singhammer drei mal für die CSU gewinnen. Bernhard Loos will ihn beerben. Im BAYERNKURIER-MAGAZIN sprechen die beiden über ihre Strategie.

Herr Singhammer, München-Nord wird allgemein als der schwierigste Bundestagswahlkreis in ganz Bayern für die CSU angesehen. Die SPD konnte hier dreimal ein Direktmandat gewinnen. Wie ist man dort dennoch erfolgreich?

SINGHAMMER: In der Tat ist es der schwierigste Wahlkreis für die CSU und zwar auch deshalb, weil es der einzige Wahlkreis in Bayern ist, der unter der rot-grünen Bundesregierung 1998 neu zugeschnitten worden ist – und das umstritten. Wir kannten solche Zuschnitte allein durch die Regierungsmehrheit nur aus Amerika. In Deutschland war es bis dahin immer guter politischer Stil, das nur gemeinsam zu machen. Aus Sicht von SPD und Grünen kamen damit Teile von Stadtbezirken dazu, wo sich beide Parteien Vorteile versprachen. Aber es ist uns dann in einer großen Gemeinschaftsleistung geglückt, mit sehr engagierten Mitgliedern, durch sehr intensive Arbeit über viele Jahre hinweg, die Mehrheit 2009 zurückzugewinnen.

Gewonnen haben Sie also durch die Arbeit vor Ort?

SINGHAMMER: Ja, und das trotz einer völlig unterschiedlichen Sozialstruktur im Wahlkreis. Für jeden dieser Stadtbezirke, die sehr kleinräumig sind, haben wir dann eigene Themen gesetzt und konkrete Lösungen angeboten. Ganz bewusst auch die Themen, die von lokaler Bedeutung sind, aber im Bund entschieden werden. Ein Beispiel: Wir haben im Bereich Schwabing/Freimann eine ganz unterschiedliche Struktur: Schwabing mit Bildungsbürgertum, sehr umweltinteressiert. Und wir haben eine Bevölkerung mit vielen industriell geprägten Arbeitsplätzen im nördlichen Teil bis zur Allianz Arena. Das gemeinsame Thema war, wie geht es weiter mit der Fröttmaninger Heide, dem Bundeswehr-Gelände, das seit 100 Jahren Truppenübungsplatz war? Da ist es uns gelungen, dass die Bundeswehr dieses riesige Areal freigegeben hat, dass es ein Naturschutzgebiet werden konnte – inklusive Informationszentrum. Dafür gab es Bundesmittel, damals 700.000 Euro – und das ist letztlich wunderbar angenommen worden. Dieses Naturprojekt ist seitdem mit der CSU verbunden.

Johannes Singhammer hat bei der Wahl 2013 über 43 Prozent erzielt. Wie lautet ihr Erfolgsrezept, Herr Loos?

LOOS: Das ist schon eine große Herausforderung. Johannes Singhammer sitzt nicht nur schon lange im Bundestag, sondern hat sich da auch einen Namen gemacht. Deshalb haben wir auch auf meinen ersten Plakaten den Weg gewählt, nicht ein Bild zu nehmen, sondern mit dem Namen Loos zu spielen: „Loos geht’s“. Das ist meine erste Aufgabe, bekannt zu werden. Leistung kann man natürlich erst dann vorweisen, wenn man im Amt ist. Ich bin aber schon viel im Wahlbezirk unterwegs. Ich habe immer gesagt, ich will die Sorgen und Nöte der Menschen ernst nehmen, da muss ich mich mit kommunalen Themen befassen, genauso wie mit Bundes- oder manchmal Landesthemen. Ich bin sehr guten Mutes, dass wir die Wahl gewinnen.

Was sind die fünf großen Probleme und Herausforderungen in Ihrem Wahlbezirk? 

LOOS: Erstens Wohnungsbau, zweitens Infrastruktur, also entsprechende Schulen, Kindergärten, Verkehr. Wenn man trotz des erheblichen Widerstandes die reservierten 900 Hektar bei Feldmoching mit Wohnungen bebauen sollte, dann braucht man das alles dort. Und generell gilt: Im Münchner Norden muss im Verkehrsbereich noch viel getan werden, trotz des begrenzten Platzes. Drittens den öffentlichen Personennahverkehr aufrüsten – höhere Taktzahlen, mehr Waggons, weil die meisten S-Bahnen und U-Bahnen jetzt schon überfüllt sind. Viertens Freizeitmöglichkeiten. Und dann fünftens die Sicherheit, das ist für die Menschen ein ganz wichtiges Gut. Wir müssen dazu mit den Kriminellen wieder „auf Augenhöhe“ kommen, mit technischen Maßnahmen, Videoüberwachung, Zugriff auf Telefondaten und so weiter. Dazu gehört aber auch, dass wir die Arbeit der Polizei schätzen und sie personell aufrüsten. Schon um die Belastung und den riesigen Überstundenberg bei den Sicherheitskräften zu reduzieren.

Was gehen Sie zuerst an? 

LOOS: Zunächst die Sicherheit. Mein Kollege Michael Kuffer, der auch Stadtrat ist, hat gerade eine Erhebung unter den Bürgern gemacht, wo Angsträume gerade im Münchner Norden gesehen werden. Das Thema gilt aber für ganz Deutschland: In Berlin gibt es den Görlitzer Park, in dem sozusagen alles erlaubt ist. Ich glaube, das will in Deutschland eigentlich niemand.

Die Stadtteile in Ihrem Wahlbezirk sind höchst unterschiedlich strukturiert. Wie wollen Sie sich dennoch für alle Bevölkerungsgruppen einsetzen?

LOOS: Ich sehe insbesondere die Integration der Migranten als ganz wichtig an, Integration in die Gesellschaft, in die Vereine. Wenn wir dafür eine sinnvolle Bildungsarbeit machen, können wir einerseits für die Unternehmen hier im Wahlkreis ein neues Arbeitskräftereservoir entwickeln. Und umgekehrt können wir für die Neuankömmlinge die Möglichkeit schaffen, dass sie Lebens- und Berufsperspektiven haben. Es gibt das Programm 3 plus 2, drei Jahre hier arbeiten und Bleiberecht für weitere zwei Jahre. Das ist auch eine Form der Entwicklungshilfe. Wenn die Menschen hier ausgebildet werden und irgendwann wieder in ihre Heimat zurückkehren, dann können sie dort sinnvolle Aufbauarbeit leisten. Fachkräftemangel reduzieren, Arbeitsplatzchancen bieten und Aufbauarbeit leisten, das sind drei Einsatzmöglichkeiten der Bildung auf einen Schlag.

Was können Sie als Unternehmer ihren hoffentlich künftigen Kollegen im Bundestag beibringen?

LOOS: Einerseits Praxiswissen, weil ich als mittelständischer Unternehmer unter viel Bürokratie leide. Wir müssen uns doch fragen, was bewirken neue und alte Vorschriften in der Praxis? Kann ein mittelständischer Unternehmer das Geforderte überhaupt noch leisten? Ein Beispiel: Mein Schwager hat viele Jahre eine Metzgerei betrieben. Vor vier Jahren hat er aufgehört, selbst zu schlachten. Nicht, weil er nicht mehr wollte, sondern weil die Auflagen so umfangreich waren, dass es für ihn rechnerisch nicht mehr möglich war, dem nachzukommen. Ein weiteres Beispiel sind die Dokumentationspflichten, etwa beim Mindestlohn. Sie können sich nicht vorstellen, was das für ein gigantischer Aufwand ist! Tagtäglich müssen Sie dokumentieren, wie Sie die einzelnen Mitarbeiter einsetzen. Da brauchen Sie schon Mitarbeiter nur zur Dokumentation. Kleine Unternehmer können solche Mitarbeiter oft nicht bezahlen. Man darf die Bedeutung des Mittelstands in Deutschland nicht vergessen! Wir haben in Deutschland über drei Millionen Mittelständler. Zudem kann der Mittelstand natürlich sehr viel flexibler reagieren als große Konzerne und leistet deshalb einen großen Beitrag dazu, dass wir Wohlstand, eine stabile Wirtschaft und stabile soziale Verhältnisse haben.

Das Interview führte Andreas von Delhaes-Guenther.