Highway to heaven? Die Öresund Brücke ist für viele Flüchtlinge der Weg nach Schweden. (Bild: Imago/Zuma Press)
Kiel

Rot-Grüne Scheinheiligkeit

Am Donnerstag hat das rot-grün regierte Schleswig-Holstein angekündigt, wegen der schwedischen Grenzkontrollen keine aus Bayern überstellten Flüchtlinge mehr aufzunehmen. Dabei leiten kleine bayerische Grenzdörfer pro Tag mehr Flüchtlinge weiter als große Städte im Norden. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer kritisierte die "Scheinheiligkeit". Am Freitag wurde der Aufnahmestopp wieder kassiert.

Angesichts der geänderten Grenzkontrollen in Schweden sei dies eine Vorsichtsmaßnahme, um nicht zu viele Flüchtlinge in Schleswig-Holstein zu haben, sagte Innenminister Stefan Studt (SPD) in Kiel. Dieser vorübergehende Aufnahmestopp von Flüchtlingen sei mit der zuständigen Bund-Länder-Koordinierungsstelle abgesprochen. Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, aus dem ebenfalls viele Flüchtlinge nach Schweden weiterziehen, hielt dagegen einen Aufnahmestopp offenbar für unnötig.

Die Zahlen sprechen eine andere Sprache

Angesichts der tatsächlichen Flüchtlingszahlen im Norden war diese Ankündigung ein schlechter Witz, da die meisten Flüchtlinge nach Deutschland wollen und daher an Nord- und Ostsee nur ein Bruchteil der insgesamt ankommenden Asylsuchenden auftauchen. Zu den nach Schweden Durchreisenden kommt das Flüchtlings-Kontingent, das Schleswig-Holstein wie alle Bundesländer aufnehmen muss, auch wenn nicht alle Länder diese Quote tatsächlich erfüllen (der Bayernkurier berichtete). 112.000 Migranten haben dieses Jahr Asyl in Schweden beantragt. Bis Ende des Jahres werden es wohl 190.000 werden. Damit würden sich also noch rund 78.000 bis Ende des Jahres (in 48 Tagen) in den beiden nördlichen Bundesländern Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern „stauen“. In Bayern kamen allein in den letzten sechs Tagen rund 37.500 Asylsuchende an, wie die Bundespolizei mitteilte, also etwa die Anzahl, die Schleswig-Holstein in 48 Tagen erwartet. Und auch Bayern muss sein Kontingent an Flüchtlingen aufnehmen und tut das sogar über seine vorgeschriebene Quote.

Ausgerechnet das rot-grün regierte Schleswig-Holstein verhängt einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge und zeigt damit die Verlogenheit der Debatte.

Andreas Scheuer, CSU-Generalssekretär

Daraus lässt sich leicht ableiten: In den kleinen bayerischen Grenzstädten kommen weit mehr Menschen pro Tag an, als in den großen Städten Schleswig-Holsteins – umso unverständlicher war das Gejammer im Norden. „Jetzt kommt die ganze Scheinheiligkeit von Rot-Grün ans Tageslicht“, kritisierte darum CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. „Ausgerechnet das rot-grün regierte Schleswig-Holstein verhängt einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge und zeigt damit die Verlogenheit der Debatte.“

Ministerpräsident Albig und seine rot-grünen Freunde müssen ihre neunmalklugen Gutmenschenratschläge an Bayern einstellen und sich kleinlaut verstecken.

Andreas Scheuer, CSU-Generalssekretär

Der ewig die CSU für ihre Asylpolitik beschimpfende SPD-Vize Ralf Stegner aus Schleswig-Holstein habe „seine moralische Legitimation verloren“, so Scheuer weiter. „Ministerpräsident Albig und seine rot-grünen Freunde müssen ihre neunmalklugen Gutmenschenratschläge an Bayern einstellen und sich kleinlaut verstecken. Jetzt wird überdeutlich, welche herausragende humanitäre Leistung Bayern vollbringt.“ Der CSU-Generalsekretär forderte: „So kann es nicht weitergehen: Wir brauchen dringend eine Begrenzung des Flüchtlingsstroms.“

Alles halb so wild: Aufnahmestopp wieder aufgehoben

Schon am Freitag wurde der Aufnahmestopp vollends lächerlich: Der in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern „befürchtete“ Rückstau von Flüchtlingen auf dem Weg nach Schweden blieb aus. Die am Donnerstag um 12 Uhr eingeführten schwedischen Grenzkontrollen haben weder in der Flensburg noch in den Fährhäfen Kiel, Lübeck und Rostock zu größeren Problemen geführt, teilten Sprecher der Städte mit. Auch das Kieler Innenministerium sagte nun, die Lage sei entspannt. Die Lage sei ruhig geblieben, weil Schweden die Grenze nicht komplett dicht gemacht habe, so ein Polizeisprecher. Schleswig-Holstein hob darum seinen vorübergehenden Aufnahmestopp für aus Bayern überstellte Flüchtlinge wieder auf. Die Lage werde aber weiter beobachtet und jeden Tag neu bewertet, so das besorgte Innenministerium weiter. In Flensburg übernachteten 385 Flüchtlinge in zwei Turnhallen, die als Notunterkünfte dienen. „Diese Zahl liegt an der oberen Grenze an Flüchtlingen, die wir in der Vergangenheit auf der Durchreise untergebracht haben“, sagte ein Stadtsprecher. Da sollte er mal mit einem bayerischen Grenzbürgermeister sprechen. In Mecklenburg-Vorpommern sank die Zahl der wartenden Flüchtlinge sogar drastisch. „Bei uns haben noch 352 Flüchtlinge in Rostock und 70 in Prora auf Rügen übernachtet“, sagte ein Stadtsprecher. Am Vortag seien es noch etwa 1000 Flüchtlinge gewesen. Rund 300 Menschen seien am Donnerstag trotz Kontrollen mit Fähren nach Schweden gefahren.

In Lübeck demonstrierten am Donnerstagabend am Skandinavienkai rund 120 Flüchtlingen friedlich gegen die schwedischen Passkontrollen. Ein Sprecher der Reederei Stena Line in Kiel sagte, die schwedischen Behörden hätten bei der Ankunft von Fähren aus Lübeck oder Kiel noch keine Flüchtlinge abgewiesen. Dies liege aber daran, dass jetzt nur noch Flüchtlinge mit gültigen Papieren an Bord dürften. Ihre Zahl ist auf 50 pro Fähre begrenzt.