In Köln errichtet der Muslimverband DITIB seine neue Zentralmoschee. (Foto: Imago/Manngold)
Muslime

Ditib sagt Anti-Terror-Demo ab

Der eng von der türkischen Regierung geführte Verband Ditib will nicht an einer Kundgebung gegen islamistischen Terrorismus teilnehmen. Mit ihrer Weigerung stellt sich die Migrantenorganisation nach Meinung vieler Politiker endgültig ins Abseits.

Es sollte ein deutliches Zeichen gegen Fanatismus und brutale Anschläge sein. Unter dem Motto „Nicht mit uns“ wollen Muslime am Samstag in Köln und eine Woche später in Berlin gegen islamistischen Terror auf die Straße gehen. Die Demonstration wird vom Zentralrat der Muslime in Deutschland und der Türkischen Gemeinde aber auch vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken, der Evangelischen Kirsche in Deutschland sowie verschiedenen Parteien unterstützt.

Ditib spricht von „Stigmatisierung“

Doch jetzt hat das Motto der Demonstrationen eine ganz andere, nicht minder eindeutige Bedeutung gewonnen: Der Islamverband Ditib stellt sich quer und verweigert die Teilnahme an den Veranstaltungen. Solche Demonstrationen „stigmatisieren die Muslime und verengen den internationalen Terrorismus auf sie, ihre Gemeinden und Moscheen“, teilte Ditib mit. „Das ist der falsche Weg und das falsche Zeichen, denn diese Form der Schuldzuweisung spaltet die Gesellschaft“,  schrieb der Verband in einer Erklärung. Zudem sei fastenden Muslimen nicht zumutbar, „stundenlang in der prallen Mittagssonne bei 25 Grad zu marschieren und demonstrieren“, heißt es weiter in dem Schreiben. Der Samstag fällt in die Zeit des Ramadan, an dem gläubige Muslime tagsüber nichts essen und trinken.

Ich halte das für höchst bedauerlich und sehr kontraproduktiv.

Stephan Mayer, CSU-Innenpolitiker

Die Absage des Islamverbandes hat heftige Reaktionen ausgelöst. Die Integrationsbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Cemile Giousouf, erklärte, es gebe „keinen sachlichen Grund, die Teilnahme an der geplanten Demonstration gegen den islamistischen Terrorismus abzulehnen“. DITIB vertue mit der Absage „eine große Chance, die Interessen deutscher Muslime glaubwürdig zu vertreten“ . Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer, nannte die Absage von Ditib „höchst bedauerlich und sehr kontraproduktiv“. Das sei kein Zeichen von gesamtgesellschaftlicher Verantwortung, sagte der CSU-Politiker der Mitteldeutschen Zeitung.

Widerspruch vom Zentralrat der Muslime

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, nannte die Absage eine verpasste Chance. „Ditib und der Islamrat hätten gemeinsam mit vielen anderen Muslimen, Christen, Juden und Konfessionslosen in Deutschland ein Zeichen gegen Terror und Hass und für Weltoffenheit und Toleranz setzen können“, sagte er der Mitteldeutschen Zeitung. Der Vorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, bezeichnete die Begründung der Ditib-Absage in der Berliner Zeitung „mehr als fadenscheinig“.

Der Zentralrat der Muslime stellte sich dagegen ausdrücklich hinter die Demonstration und widersprach Ditib. Der Islamische Staat und andere Extremisten wollten „mit ihren Morden die Spaltung der Gesellschaft“, sagte der Zentralratsvorsitzende und derzeitige Sprecher des Dachverbandes Koordinationsrat der Muslime, Aiman Mazyek, der Rheinischen Post. „Wir müssen weiter auf die Straße gehen, uns zeigen, für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und den Frieden kämpfen und den Extremismus verurteilen.“

Spionage-Ermittlungen gegen Imame

Der Verband Ditib steht bereits seit längerem in der Kritik. Besonders schwer wiegt der Vorwurf, Ditib-Imame hätten in Deutschland im Auftrag der Türkei Gegner des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ausgeforscht. Wegen der Spionagevorwürfe ermittelt das Bundeskriminalamt im Auftrag des Generalbundesanwalts seit Januar gegen eine ganze Reihe von Beschuldigten.

Mit der Nichtteilnahme an der Demonstration stellt sich Ditib ins politische Abseits.

Franz-Josef Jung (CDU)

Ditib ist nach eigenen Angaben die „mitgliederstärkste Migrantenorganisation“ in Deutschland. Der Verband wurde 1984 in Köln als bundesweiter Dachverband von Moscheevereinen gegründet. Mittlerweile gehören dem Verband mehr als 900 Moscheegemeinden mit rund 800.000 Mitgliedern an. Personell und organisatorisch ist Ditib eng mit der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet verwoben. So werden die Ditib-Imame in Deutschland von der Türkei bezahlt. Diyanet wiederum ist direkt der türkischen Regierung in Ankara unterstellt.

Der Kirchenbeauftragte der Unionsfraktion, Franz-Josef Jung (CDU), erinnerte im Zusammenhang mit der Absage an die Spionagevorwürfe. Das Vertrauensverhältnis zu Ditib werde nun einmal mehr erschüttert, sagte der ehemalige Verteidigungsminister. „Mit der Nichtteilnahme an der Demonstration stellt sich Ditib ins politische Abseits.“

Geld vom SPD-Ministerium

Ungeachtet aller Vorwürfe gegen den Verband unterstützt das SPD-geführte Bundesfamilienministerium Ditib weiterhin finanziell. Knapp eine Million Euro soll Ditib bis zum Jahresende erhalten. Gefördert werden damit laut Ministerium zwei Initiativen im Rahmen des von Familienministerin Manuela Schwesig gestarteten Bundesprogramms „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ und ein Projekt in der Flüchtlingshilfe.

Das Ministerium erklärte, die Projekte seien für die „Stärkung demokratischer Haltungen von elementarer Bedeutung“. Ursprünglich hatte das Familienministerium die Zahlungen eingefroren, als zu Beginn des Jahres die Spionage-Ermittlungen gegen die Ditib-Imame eingeleitet wurden. Anfang Mai wurden die Mittel dann wieder freigegeben. Seit 2012 wurden Ditib-Projekte mit etwa sechs Millionen Euro durch verschiedene Bundesministerien gefördert.