VDA-Chef Matthias Wissmann lässt sich von den aktuellen Rekordzahlen nicht blenden. Die jetzige Lage gründe wesentlich auf dem niedrigen Ölpreis und dem aktuellen Zinsniveau, machte er beim Neujahrsempfang des Verbandes in Berlin deutlich. Bild: Imago/Wolf P. Prange
VDA-Neujahrsempfang

Diesel für Klimaschutz unverzichtbar

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) blickt auf ein Rekordjahr zurück. Erstmals seit sechs Jahren wurden 2015 in Deutschland mehr als 3,2 Millionen Pkw zugelassen, der west-europäische Markt wuchs so stark wie seit 25 Jahren nicht. Auf ihren Lorbeeren ausruhen kann sich die Branche aber nicht. Das wurde beim VDA-Neujahrsempfang in Berlin sehr deutlich.

Dass das Jahr 2015 für die deutsche Automobilindustrie trotz des Diesel-Manipulations-Skandals von VW mehr Licht als Schatten bot, zeigt neben den guten Verkäufen auch die Entwicklung bei den Beschäftigten. Die Zahl der festen Mitarbeiter stieg um beinahe 15.000 auf nun 800.100 Stammbeschäftigte. Doch VDA-Chef Matthias Wissmann lässt sich auch davon nicht blenden: „Darüber können wir uns für den Moment freuen“, sagte er am Mittwochabend beim traditionellen Neujahrsempfang des Verbands in Berlin und schickte sogleich eine Warnung hinterher: „Diese Freude kann schnell trügerisch sein, denn die jetzige Lage gründet wesentlich auf dem niedrigen Ölpreis und dem aktuellen Zinsniveau.“ Nachhaltige wachsende Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sehe anders aus, meinte der VDA-Präsident.

Die großen Herausforderungen liegen nicht hinter uns, sondern vor uns.

VDA-Präsident Matthias Wissmann

Vor 500 hochrangigen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft – darunter auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) – verwies Wissmann auf die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft im Land. „Wir müssen Deutschland heute fit für die Zukunft machen“, forderte der VDA-Chef und nannte konkret „sichere Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen für die Zukunft“ sowie den „Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und der Digitalisierung“. Zudem müsse die Flexibilität am Arbeitsmarkt erhalten bleiben und so den Unternehmen Luft zum Atmen gelassen werden. „Die großen Herausforderungen liegen nicht hinter uns, sondern vor uns“, betonte Wissmann.

Wer Ja sagt zum Klimaschutz, muss auch Ja sagen zum Diesel.

Matthias Wissmann

Auch auf den Manipulationsskandal von VW ging der VDA-Präsident ein und sagte Dobrindt und der EU-Kommission die Unterstützung des Verbands zu, „ein besseres Prüfregime zu schaffen und die Integrität der Prozesse zu sichern“. Wissmann: „Wir werden Sie bei Ihrem Weg begleiten, wir haben selbst ein großes Interesse daran.“ Zugleich warnte er vor einer „Diskreditierung der Dieseltechnologie“. Die Softwaremanipulation habe nichts mit dieser Technologie zu tun, die Vorteile des Diesels für die CO2-Senkung müssten stärker bewusst gemacht werden, forderte der VDA-Präsident. „Wer Ja sagt zum Klimaschutz, muss auch Ja sagen zum Diesel“, erklärte Wissmann. Würden in Deutschland nur noch Dieselfahrzeuge zugelassen, „würde durch die Neufahrzeuge pro Jahr so viel CO2 eingespart werden, wie eine Kleinstadt mit 60.000 Einwohnern jedes Jahr emittiert“. Und mit modernster Abgastechnologie, konkret Euro VI, könne der Diesel auch die anspruchsvollsten Schadstoffgrenzwerte einhalten. „Und zwar legal und ohne Tricks“, unterstrich Wissmann.

Elektromobilität auf dem Vormarsch

Dass die Zukunft vor allem auch der Elektromobilität gehört, ist dem VDA klar: Wissmann verwies darauf, dass die deutschen Hersteller allein im vergangenen Jahr zehn neue E-Modelle auf den Markt gebracht haben. Deutschland zähle mittlerweile gemeinsam mit China und Japan zu den wichtigsten Herstellerländern von Elektrofahrzeugen. Und besonderen Erfolg haben die Deutschen damit laut VDA in den USA: Innerhalb eines Jahres habe sich dort ihr Marktanteil mehr als verdoppelt. Er sei von 9 auf gut 20 Prozent gesteigert, berichtete Wissmann am Mittwoch.

Bayern will Anreize durch Kaufprämie schaffen

Um die notwendige Marktdurchdringung der Elektroautos auch in Deutschland zu erreichen, müsse die Politik „kluge Anreize setzen, die stimulieren und fördern“, sagte Wissmann, der sich freut, „dass in den vergangenen Tagen und Wochen die Debatte wieder aufgenommen wurde“. Bayern ist dabei bekanntlich vorgeprescht: So stellte Wirtschaftsministerin Ilse Aigner Ende vergangener Woche die Ergebnisse aus drei bayerischen Modellregionen vor, die belegen, dass Elektrofahrzeuge marktfähig und alltagstauglich sind (der Bayernkurier berichtete). Die Staatsregierung einigte sich überdies mit der Automobilbranche mittlerweile auf einen Maßnahmenkatalog, der vier wesentliche Punkte umfasst: Direkte Anreize durch Kaufprämien, einen starken Ausbau der Ladeinfrastruktur, die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für kostenfreies Laden am Arbeitsplatz sowie eine öffentliche Beschaffungsinitiative für den staatlichen Fuhrpark. In der Kabinettssitzung am vergangenen Montag erklärte Aigner unter anderem: „Wir wollen bis 2020 bis zu 7000 öffentliche Ladesäulen in Bayern. Dies soll mit einem Bund-Länder-Programm erreicht werden, an dem sich Bayern finanziell beteiligen wird.“

Wir brauchen ein Bundesprogramm für den stärkeren Ausbau der Lade-Infrastruktur, ohne Bundesförderung wird das nicht gehen … Vorschläge sind jetzt genug gemacht, jetzt müssen die Entscheidungen getroffen werden.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt

Beim VDA-Neujahrsempfang kündigte Bundesverkehrsminister Dobrindt nun Taten an – in Form eines „Investitionshochlaufs“ seines Ministeriums von 10 auf 14 Milliarden Euro in den nächsten Jahren, von denen auch die Elektromobilität profitieren soll. „Wir brauchen ein Bundesprogramm für den stärkeren Ausbau der Lade-Infrastruktur, ohne Bundesförderung wird das nicht gehen“, sagte Dobrindt. „Und wir brauchen auch ein Programm, um den Markthochlauf der E-Fahrzeuge anzureizen“, fügte der CSU-Minister hinzu. Innnovationen müssten auf die Straße kommen. „Vorschläge sind jetzt genug gemacht, jetzt müssen die Entscheidungen getroffen werden“, erklärte der Minister.

Unser Wohlstand von heute ist ohne das Auto nicht denkbar. Und unser Wohlstand von morgen wird ohne Auto nicht möglich sein. Das ist Teil der Realität in Deutschland.

Alexander Dobrindt

Beeindruckt zeigte sich der CSU-Politiker vom Zuwachs der Beschäftigten in der deutschen Automobilindustrie: „Unser Wohlstand von heute ist ohne das Auto nicht denkbar. Und unser Wohlstand von morgen wird ohne Auto nicht möglich sein. Das ist Teil der Realität in Deutschland“, machte Dobrindt klar.

Absage an generelles Tempo 80 auf Landstraßen

Eine Absage erteilt das Bundesverkehrsministerium derweil einmal mehr der erneuten Forderung der Opposition nach einem generellen Tempolimit von 80 Stundenkilometern auf Landstraßen. Grüne und Linke hatten diese nun mit einer Zunahme tödlicher Unfälle zu untermauern versucht. Das Ministerium setzt in seinem Maßnahmenkatalog für mehr Verkehrssicherheit bis 2020 dagegen auf mehr Aufklärung, die Beseitigung von Unfallschwerpunkten, strengere Kontrollen an Gefahrenschwerpunkten, den Kampf gegen Alkohol am Steuer sowie die Förderung von sicherheitsrelevanter Fahrzeugtechnik. „Eine Absenkung des Tempolimits auf Landstraßen ist leider auch kein Allheilmittel und wird von mir auch nicht befürwortet“, erklärte der Bundesverkehrsminister bereits vor einem Jahr in einem Interview mit der Zeitung Die Welt. Dobrindt forderte stattdessen eine differenzierte Debatte über die Gefahren von zu hoher Geschwindigkeit auf Landstraßen. „Auch 80 Stundenkilometer können je nach Situation auf manchen Landstraßen schon zu viel sein“, gab der Minister zu bedenken. Und zur Wahrheit gehöre leider auch, „dass notorische Raser sich nicht von Tempolimits abschrecken lassen“.