Ifo-Chef Hans-Werner Sinn hegt den Verdacht einer Umgehung des Verbots der monetären Staatsfinanzierung. Bild: Imago/IPON
Notenbanken-Abkommen

Staatsfinanzierung durch die Hintertür?

Dass die Europäische Zentralbank ohne Hemmungen die Geldschleusen öffnet und sich mit Staatsanleihen eindeckt, ist hinreichend bekannt. Dass auch einige nationale Notenbanken ihren Regierungen im großen Stil Papiere abkaufen, wussten bislang nur wenige. Der Chef des Münchner ifo-Instituts Hans-Werner Sinn und die CSU kritisieren das Vorgehen scharf und fordern Aufklärung über das geheime Abkommen.

EZB-Chef Mario Draghi reagierte jüngst genervt auf Fragen von Journalisten zu dem geheimen Anfa-Abkommen (Agreement on net-financial assets) das europäische Notenbanken geschlossen haben. Es erlaubt den Beteiligten, auf eigene Faust Staatsanleihen zu kaufen. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, ist das ganze Ausmaß der Einkäufe erst jetzt ans Licht gekommen. Demnach habe zwischen 2006 und 2012 eine Handvoll Notenbanken für rund 510 Milliarden Euro Wertpapiere erworben und so frisches Geld in die Märkte gepumpt. Bis Ende 2014 soll sich das Volumen auf mehr als 720 Milliarden Euro erhöht haben. Besonders aktiv waren dem Bericht zufolge dabei die Banca d’Italia und die Banque de France.

Die Kaufstrategien der nationalen Notenbanken sind schwer zu verstehen

EZB-Präsident Mario Draghi

Draghis Erklärungen lassen reichlich Platz für Spekulationen: Die Kaufstrategien der nationalen Notenbanken seien „schwer zu verstehen“, gab der EZB-Chef zu. Er schloss aber aus, dass es sich bei den Anleihekäufen um monetäre Staatsfinanzierung handele. Viel mehr gab es von Europa obersten Währungshüter nicht zu hören. Die Journalisten sollten die nationalen Notenbanken fragen, meinte er. Dafür kassierte Draghi einmal mehr harsche Worte seiner Kritiker, die ihm unter anderem eine Vernebelungstaktik vorwerfen und in den Käufen sehr wohl eine Staatsfinanzierung durch die Hintertür erkennen.

Das Schöne am Euro ist, dass man sich im eigenen Keller Geld drucken kann, das in anderen Ländern als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt ist

Hans-Werner Sinn, Chef des Münchner ifo-Insituts

„Das Schöne am Euro ist, dass man sich im eigenen Keller Geld drucken kann, das in anderen Ländern als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt ist“, schimpfte etwa der Chef des Münchner ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn. Er kritisierte am vergangenen Freitag die Aufkäufe der Staatsanleihen durch nationale Notenbanken aufs Schärfste: „Dieses Vorgehen ist abenteuerlich, die Sache muss sofort aufgeklärt werden.“ Sinn sprach in München von einem „Skandal, dass offenbar für 358 Milliarden Euro Geldschöpfung betrieben wurde, über deren Zustandekommen der Zentralbank-Chef Mario Draghi nach eigenem Bekunden gar nicht genau Bescheid wusste“. So hat laut Sinn allein Italien im Rahmen des geheimen Anfa-Abkommens bis Ende 2014 für 108 Milliarden Euro Staatspapiere gekauft. Von diesen Papieren seien 82 Milliarden Euro mit neu geschaffenem Geld erworben worden, sagte Sinn und fügte hinzu: „Damit wird ein weiterer obskurer Teil der asymmetrischen nationalen Sondergeldschöpfung deutlich, die durch die Target-Salden gemessen wird.“ Dass diese Sondergeldschöpfung sogar dazu genutzt worden sei, „in riesigem Umfang nach eigenem Gusto Staatspapiere zur erwerben, legt den Verdacht einer Umgehung des Verbots der monetären Staatsfinanzierung nahe“, widersprach der ifo-Chef den Ausführungen des EZB-Präsidenten und bezog sich auf den Vertrag zur Arbeitsweise der Europäischen Union.

Der Vorgang zeigt, dass die EZB unter der Führung von Herrn Draghi immer stärker ein Eigenleben entwickelt, das mit den Rechtsgrundlagen über die Einrichtung der EZB nicht mehr im Einklang steht

Hans Michelbach, Obmann der CSU-Fraktion im Bundestagsfinanzausschuss und Vorsitzender der CSU-Mittelstandunion

Aufklärung über das geheime Abkommen der Notenbanken fordert auch die Union: EZB-Chef Mario Draghi müsse „umfassende Auskunft über die merkwürdigen Geldvermehrungen mehrere nationaler Notenbanken geben“, sagte Hans Michelbach (CSU) dem Handelsblatt. Der Obmann der CSU-Fraktion im Bundestagsfinanzausschuss und Vorsitzende der CSU-Mittelstandunion sprach ebenfalls von einer „klammheimlichen Staatsfinanzierung“. Das würden Medienberichte nahe legen. „Wenn Herr Draghi jetzt jede öffentliche Aufklärung zu den Vorgängen in Italien und Frankreich verweigert, lässt er den Schluss zu, dass er etwas zu verbergen hat“, erklärte der CSU-Politiker. Bislang habe Draghi immer bestritten, dass es möglich sei, aber tatsächlich würden offenbar in einigen Ländern „in größerem Umfang graue Euros gedruckt“, sagte Michelbach und setzte noch eins drauf: „Der Vorgang zeigt, dass die EZB unter der Führung von Herrn Draghi immer stärker ein Eigenleben entwickelt, das mit den Rechtsgrundlagen über die Einrichtung der EZB nicht mehr im Einklang steht“.