Die Rente mit 63 wirkt sich gerade in handwerklich-technischen Berufen „verheerend“ aus. (Foto: Fotolia/Peppi17)
Wirtschafts-Institut

„Rente mit 63 wirkt verheerend“

Schon 427.000 Arbeitnehmer haben nach Angaben der Rentenversicherung von der abschlagsfreien Rente mit 63 Gebrauch gemacht, die seit eineinhalb Jahren gilt. Das Institut der deutschen Wirtschaft kritisiert, dass diese von der SPD forcierte Frühverrentungswelle vor allem in den naturwissenschaftlich-technischen Berufen den Fachkräftemangel verschärft und insgesamt „verheerend“ wirkt.

Die Rente mit 63, die auf Betreiben der SPD vor eineinhalb Jahren eingeführt wurde, wirkt sich „verheerend“ auf die Arbeitskräfte-Situation gerade in den technischen Berufen aus. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, aus der die Frankfurter Allgemeine (FAZ) zitiert. Die Frühverrentung entziehe dem Arbeitsmarkt immer mehr technisch-naturwissenschaftliche Facharbeiter.

„Nicht nur macht sie die mühsam erzielten Beschäftigungserfolge im Alterssegment 63 plus zunichte, sie verschärft auch die ohnehin schon gravierenden Fachkräfteengpässe in dieser Berufsgruppe“, heißt es. Die Auswirkungen dieses Instruments können mit Fug und Recht als „verheerend“ bezeichnet werden, zitiert die FAZ weiter aus der Studie.

Die Rente mit 63 hat sich als Bumerang erwiesen.

Oliver Koppel, Wirtschaftsforscher

Allein in den ersten drei Quartalen nach ihrer Einführung habe die Rente mit 63 dem Arbeitsmarkt mindestens 10.000 ältere Facharbeiter aus den mathematisch-technisch-naturwissenschaftlichen Qualifikationen („Mint“-Berufe) entzogen. Allein vom zweiten auf das dritte Quartal 2014 brach die Beschäftigung von Mint-Facharbeitern der betroffenen Altersgruppe mit minus 8,5 Prozent regelrecht ein. Der Trend setzte sich anschließend fort, schreibt die FAZ weiter unter Berufung auf die Studie.

Unter der Annahme, dass die Beschäftigung in dieser Gruppe ohne die Rente mit 63 eine ähnliche Dynamik wie vor deren Einführung mit einem durchschnittlichen Wachstum von 3,7 Prozent je Quartal gezeigt hätte, erhöhe sich der Verlust gar auf 15.000 Personen, rechnet Autor Oliver Koppel vor. Angesichts der aktuell 78.000 nicht besetzbaren Stellen in Mint-Facharbeiterberufen habe die Rente mit 63 den Engpass somit um mindestens 20 Prozent verschärft. „Die Rente mit 63 hat sich als Bumerang erwiesen“, sagte Koppel der FAZ.

8,8 Milliarden Euro Zusatzkosten für die Rentenkasse

Zu diesem Befund passen die neuesten Zahlen, die die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) veröffentlichte: Demnach ist die Rente mit 63 bei älteren Arbeitnehmern sehr gefragt. Allein 2015 stellten schon 221.000 Menschen einen entsprechenden Antrag, wie DRV-Vorstandschef Alexander Gunkel auf der Vertreterversammlung der DRV mitteilte. Bis Ende Oktober hätten somit insgesamt 427.000 Menschen von der Möglichkeit für Versicherte mit 45 Beitragsjahren Gebrauch gemacht, ab 63 Jahren abschlagsfrei in Rente zu gehen.

Bei den Kosten zeichne sich ab, dass es bei den Schätzungen der Bundesregierung zum Rentenpaket bleibe. Demnach stiegen die Rentenausgaben einschließlich Krankenversicherung der Rentner durch das Paket 2014 um 4,3 und 2015 um 8,8 Milliarden Euro, sagte Gunkel. Die Mütterrente verursacht im laufenden Jahr Mehrausgaben von 6,3 Milliarden Euro.

Rentenversicherung begrüßt Pläne für Flexi-Rente

DRV-Präsident Axel Reimann begrüßte im Grundsatz die aktuellen Koalitionspläne für den flexibleren Einstieg in die Rente, die sogenannte „Flexi-Rente“. Die Schaffung möglichst praktikabler flexibler Übergänge vom Erwerbsleben in die Rente liege auch im Interesse der Rentner und Beitragszahler. Nach dem Konzept von Union und SPD soll mehr vom Zuverdienst behalten können, wer bereits mit 63 in Teilrente geht. Zudem soll es attraktiver werden, nach Erreichen des regulären Rentenalters zusätzlich zur Rente etwa in Teilzeit weiterzuarbeiten.

Reimann forderte, die geplante Reform zeitlich gestaffelt in Kraft zu setzen. So sei die Neuregelung der Hinzuverdienstgrenzen technisch sehr aufwendig und solle nicht vor dem 1. Juli 2017 in Kraft treten. Andere Vorschläge der Koalitionsarbeitsgruppe seien deutlich früher umsetzbar, etwa die geplante Ergänzung der Renteninformation mit Hinweisen, wie sich ein Hinausschieben des Rentenbeginns lohnen kann oder eine vorzeitige Inanspruchnahme von Renten wirkt.

Rentenausgaben steigen heuer um 4,5 Prozent

Insgesamt dürften die Ausgaben der Rentenversicherung 2015 um 4,5 Prozent auf insgesamt 272,1 Milliarden Euro steigen, wie Gunkel sagte. Die Einnahmen bezifferte er auf 270,2 Milliarden. Er bekräftigte, dass der derzeitige Beitragssatz in Höhe von 18,7 Prozent bis 2020 stabil bleiben dürfte.

Die Rentner können sich Mitte 2016 wohl auf die größte Erhöhung ihrer Bezüge seit der Jahrhundertwende freuen, wie Gunkel bekräftigte. Das Rekord-Plus könnte nach jüngsten Schätzungen vier bis fünf Prozent ausmachen.

FAZ/dpa/wog