Der private Konsum stützt die Wirtschaft. Dank der niedrigen Inflation saß das Geld zuletzt lockerer in der Tasche. Nach Ansicht der Wirtschaftsforscher werden die Preise 2015 aber stärker steigen als 2014. Es gibt also nicht mehr, sondern weniger fürs Geld. Bild: Imago/CHROMORANGE
Herbstgutachten

Konsum hält Wirtschaftswachstum am Leben

Die führenden deutschen Wirtschaftsinstitute sind verhalten optimistisch: Für das laufende und das kommende Jahr rechnen sie mit einem Wachstum von je 1,8 Prozent. Doch im Land und rund um den Globus lauern viele Gefahren, die die deutsche Konjunktur noch abwürgen könnten.

Der Wirtschaftsmotor läuft nicht übermäßig hoch, aber er brummt und bleibt robust. „Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem verhaltenen Aufschwung, der vor allem von den privaten Konsumausgaben getragen wird“, sagt Timo Wollmershäuser, Konjunkturchef des Münchner ifo-Instituts. Bremsend wirke dagegen die schwache Weltkonjunktur, insbesondere in einer Reihe von Schwellenländern, heißt es.

Sorge um Schwellenländer und Aufschwung in den USA

Bekanntlich wächst derzeit vor allem China nicht mehr so stark wie noch vor wenigen Jahren. Wegen heftiger Turbulenzen an den Börsen des Landes verloren zuletzt auch Kleinanleger viel Geld, das jetzt für Investitionen fehlt. Das bekamen auch schon die bayerischen Autohersteller zu spüren: So gingen bei BMW die Umsätze im August im Reich der Mitte um 1,4 Prozent zurück, bei Audi gar um 4,1 Prozent. Der russische Markt ist für die deutschen Unternehmen aufgrund von Sanktionen viel schwieriger geworden, und auch die große Volkswirtschaft Brasilien steckt tief in der Rezession. Um die weltweite Konjunktur war es schon einmal besser bestellt.

Zu allem Überfluss melden sich jetzt noch Pessimisten zu Wort, die die erst wiedererstarkte Volkswirtschaft der USA auf dem absteigenden Ast sehen: So berichtet die Zeitung Die Welt über sinkende Gewinnmargen der Firmen in Übersee. Um 0,6 Prozentpunkte sind diese demnach zuletzt zurückgegangen, und Jonathan Glionna von der britischen Bank Barclays warnt: „Es gibt eine starke Verbindung zwischen Gewinnmargen und Rezessionen.“ Seit 1973 hat der Chefstratege für US-Aktien laut Bericht die Entwicklung der Margen mit den Konjunkturzyklen abgeglichen, und er kam zu dem Ergebnis, dass wenn die Margen um 0,6 Prozentpunkte oder mehr gefallen waren, anschließend auch eine Rezession folgte.

Bärendienst von Volkswagen, Deutsche Bank mit Rekordverlust

Für die deutschen Exporteure wäre ein Abschwung in den USA ein harter Schlag. Einen Bärendienst hat ihnen bereits der Volkswagen-Konzern erwiesen. Der Abgasskandal kratzt am Image der Autohersteller und Zulieferer, aber auch insgesamt an dem Qualitätssiegel „Made in Germany“. Wie groß der Vertrauensverlust und der damit verbundene wirtschaftliche Schaden für Deutschland ausfallen wird, muss sich erst noch zeigen.

Da passt es ins Bild, dass die Deutsche Bank wegen gigantischer Abschreibungen für das dritte Quartal einen Rekordverlust erwartet und auf weitere Belastungen einstimmt. Unter dem Strich dürfte ein Minus von 6,2 Milliarden Euro stehen, wie der Frankfurter Dax-Konzern überraschend am Mittwochabend ankündigte. Selbst auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 waren die Zahlen der Bank nicht so tiefrot. Die endgültigen Zahlen will das Institut am 29. Oktober vorlegen. Den gewaltigen Verlust erklärte die Bank in erster Linie mit drei Faktoren, die sich auf rund 7,6 Milliarden Euro addieren. Allein auf den Geschäfts- und Firmenwert im Privatkundengeschäft sowie im Investmentbanking schreibt der Konzern rund 5,8 Milliarden Euro ab. In diesen Bereichen will der seit Juli amtierende Co-Chef John Cryan, der die Bank nach der Hauptversammlung im Mai 2016 alleine führen soll, besonders stark umbauen und sparen. Dabei reduziert die Deutsche Bank auch den Wert der Tochter Postbank, von der sie sich im kommenden Jahr trennen will. Weitere 600 Millionen Euro wird das größte deutsche Geldhaus auf ihre knapp 20-prozentige Beteiligung an der chinesischen Bank Hua Xia abschreiben, die nun ebenfalls veräußert werden soll. Hinzu kommen weitere Rückstellungen von rund 1,2 Milliarden Euro für die zahlreichen Rechtsstreitigkeiten.

Zuwanderung führt zu erheblichen Belastungen

In Deutschland wächst zudem die Sorge vor den Auswirkungen der Massenflucht, die insbesondere über Bayern hineingebrochen ist. Zwar befeuert der Zustrom von Asylbewerbern zunächst die Wirtschaft, weil die Flüchtlinge ihr Taschengeld wieder ausgeben und der Staat neue Arbeitsplätze schaffen muss, um dem Ansturm Herr zu werden. Der Effekt dürfte aber nicht von Dauer sein, und dem Staat fehlt das ausgegebene Geld schließlich später auch an anderer Stelle. „Die Zuwanderung von Flüchtlingen dürfte kurzfristig zu erheblichen Belastungen für Deutschland führen“, meint ifo-Konjunkturchef Wollmershäuser, der aber langfristig auch Chancen sieht, „wenn mit den richtigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen die Integration der Zuwanderer gelingt“.

Geringer Anstieg der Arbeitslosigkeit

Zunächst dürfte der Zustrom von Asylbewerber auch auf den Arbeitsmarkt durchschlagen: Die deutschen Wirtschaftsforscher prognostizierten heute für das kommende Jahr einen leichten Anstieg der Arbeitslosenzahl von 2,8 auf 2,875 Millionen. Die Quote würde damit von 6,4 auf 6,5 Prozent steigen. Zugleich würde aber auch die Zahl der Erwerbstätigen von derzeit 42,9 Millionen auf 43,2 Millionen Menschen in die Höhe gehen.

Die Inflation zieht an

Die Inflation wird nach Meinung der Forscher anziehen: Das von der Europäischen Zentralbank angestrebte Ziel von einem Anstieg der Verbraucherpreis um zwei Prozent wird in Deutschland demnach zwar nicht erreicht, mit 1,1 Prozent wird die Zunahme aber deutlich höher ausfallen als zuletzt. In diesem Jahr freuten sich die Deutschen über beinahe stabile Preise, sie stiegen nur um 0,3 Prozent.

Der Staat hat weniger Geld

Der Staat wird dagegen in näherer Zukunft deutlich weniger Geld in der Tasche haben als zuletzt. Der Finanzierungsüberschuss werde von 23 Milliarden Euro 2015 auf 13 Milliarden Euro im kommenden Jahr sinken, heißt vom ifo-Institut.

(jvr/dpa)