Maschinen für die ganze Welt
Deutschland fährt wieder einen hohen Außenhandelsüberschuss ein – und wird dafür kritisiert. Das ist töricht. Denn der deutsche Export-Erfolg befeuert die Weltwirtschaft. Europas Überschussrekord halten mit 9,6 Prozent die Niederlande. Schon lange.
Außenhandel

Maschinen für die ganze Welt

Kommentar Deutschland fährt wieder einen hohen Außenhandelsüberschuss ein – und wird dafür kritisiert. Das ist töricht. Denn der deutsche Export-Erfolg befeuert die Weltwirtschaft. Europas Überschussrekord halten mit 9,6 Prozent die Niederlande. Schon lange.

299 Milliarden Dollar oder 264 Milliarden Euro. Eine Erfolgszahl. So hoch wird dieses Jahr Deutschlands Außenhandelsbilanzüberschuss sein. Das hat jetzt das Münchner ifo-Institut für Wirtschaftsforschung errechnet. Deutschlands Wirtschaft hat für fast 300 Milliarden Dollar mehr Güter exportiert als importiert – und entsprechend schön verdient. Mehr als alle anderen Exportnationen und das zum dritten Mal in Folge.

Befremdliche Vorwürfe

Eine tolle Nachricht. Die leider dazu führen wird, dass sich die Deutschen wieder wochenlang bittere Kritik sogenannter Wirtschaftsexperten aus aller Welt, Europa, aber auch aus dem eigenen Land anhören werden müssen. Der Internationale Währungsfonds etwa sieht allen Ernstes durch den deutschen Exporterfolg die globale Finanzmarktstabilität gefährdet. Weil andere Länder mehr Güter importieren als exportieren – und sich dafür verschulden müssen.

Den Vorwurf darf man sich auf der Zunge zergehen lassen: Wer mehr kauft, als er selber produziert und verkauft, der MUSS sich verschulden. Und schuld ist dann der Verkäufer, der Exporteur, der mit seinem Verhalten die Finanzmarktstabilität gefährdet. Hohe Volkswirtschaftslehre stellt man sich anders vor.

Nur 5 Prozent der amerikanischen Einfuhren

Interessant: Noch gar keinen Tweet gab es zu den neuen Zahlen von US-Präsident Donald Trump. Über den angeblichen unfairen deutschen Außenhandelsbilanzüberschuss twittert und redet er sonst gerne. Vielleicht sind ihm inzwischen sehr banale Fakten und Zahlen klar geworden.

2016 hat Deutschland gegenüber den USA zwar einen Überschuss von 49 Milliarden Euro erzielt. Aber deutsche Güter machten nur fünf Prozent der US-Einfuhren aus. Fast die Hälfte aller amerikanischen Einfuhren entfielen auf nur drei Länder: China, Kanada und Mexiko. Zölle auf Einfuhren aus Deutschland werden am amerikanischen Rekord-Handelsbilanzdefizit von 420 Milliarden Dollar – und der oft fehlenden Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Produkte – wenig ändern.

Maschinen für die ganze Welt

Überhaupt, die Außenhandelsfakten: Von allen deutschen Exporten 2016 gingen etwa 68 Prozent nach Europa, knapp 59 Prozent in EU-Länder (knapp 37 Prozent in die EU-Eurozone plus 22 Prozent EU aber nicht Eurozone). Umgekehrt kamen auch knapp 70 Prozent der deutschen Importe aus Europa. Was man sich dabei klar machen muss: Die deutschen Exporte befeuern ihrerseits die europäische Wirtschaft – und die in den USA.

Denn über 50 Prozent der deutschen Ausfuhren machen Kraftwagen und Kraftwagenteile, Maschinen, chemische Erzeugnisse und elektrische Geräte im weiteren Sinne aus. Waren und Maschinen also, die in den Importländern ihrerseits für die Produktion, auch von Exportgütern, gebraucht werden. Fast wie Rohstoffe. Und wer würde sich schon selbst die Rohstoffzufuhr abschneiden?

Exportweltmeister Europa

Aber auch die EU-Kommission in Brüssel kritisiert Überschüsse von über 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Sie sollte bedenken, dass im deutschen Export viel fremde – und zumeist eben europäische – Arbeit steckt und viel Import: Der ausländische Wertschöpfungsanteil an deutschen Exporten betrug zuletzt etwa 30 Prozent. Der Anteil der Importe am deutschen Export belief sich sogar auf 40 Prozent.

Die deutschen Außenhandelszahlen sind denn auch Teil eines größeren europäischen Erfolges. Denn der eigentliche Außenhandelsbilanzüberschuss-Weltmeister ist mit 474 Milliarden Dollar in den vergangenen zwölf Monaten – die Eurozone.

Sorgenkind Frankreich

Der Blick auf die Außenhandelsbilanzen der europäischen Partner ist instruktiv: Sogar das Krisenland Italien steht mit einem Überschuss von 2,6 Prozent des BIP und 56 Milliarden Dollar gar nicht schlecht da. Das Land hat großes Potential, eben auch industrielles.

Viel schlechter steht es dagegen seit langem um das Sorgenkind Frankreich und seine Exportwirtschaft: ein Minus von 0,6 Prozent und 10 Milliarden Dollar. Aus Paris wird jetzt wieder Kritik an den deutschen Zahlen kommen. Vielleicht sollte man sich dort zur Erklärung der eigenen Malaise eine ganz andere Frage stellen: Wie kommt es, dass jemand, der sechs Wochen lang über kalifornische Autobahnen fährt, dort nicht ein einziges französisches Auto zu Gesicht bekommt? Wie kommt es, dass die Autobauer-Nation Frankreich auf dem wichtigsten Kfz-Markt der Welt kein Bein auf die Erde kriegt?

Europas Export-Spitzenreiter ist übrigens gar nicht Deutschland mit seinem Überschuss von 7,8 Prozent des BIP, sondern die Niederlande mit 9,6 Prozent und 91,3 Milliarden Dollar. Ein echter Power-Zwerg ist auch das kleine Nachbarland Schweiz mit einem Überschuss von 8,9 Prozent und 73 Milliarden Dollar. Glücklich, wer für Handel und Wandel solche Nachbarn hat.

Gefährlicher Brexit

Die tollen Handelsbilanz-Zahlen enthalten für Deutschland aber auch eine Warnung: Fast 30 Prozent der deutschen Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt vom Export ab. In der Industrie ist es sogar mehr als jeder zweite Arbeitsplatz. Wohl und Wehe des Landes hängen also am Export. Das muss deutsche Politik stets bedenken. Und entsprechend Einfluss nehmen. Etwa wenn es um den Brexit geht: Denn 50,4 Milliarden Euro betrug 2016 Deutschlands Handelsbilanzüberschuss allein gegenüber Großbritannien.

Was bedeutet: Bei den Brexit-Verhandlungen zwischen Brüssel und London stehen ein gutes Fünftel des gesamten weltweiten deutschen Exportüberschusses im Feuer. So wichtig ist der britische Partner für die Deutschen! Vielleicht greift Wirtschaftsminister Peter Altmaier einmal zum Telefon und ruft EU-Verhandlungsführer Michel Barnier an.