Schlüsselindustrie Metall und Elektro: 3,9 Millionen Beschäftigte erwirtschaften 1,1 Billionen Euro Jahresumsatz. (Symbolfoto: Imago/MITO)
Streiks

Gefahr für die Konjunktur

Die bayerische Metall- und Elektroindustrie lehnt die Nachforderungen der SPD vor den Koalitionsverhandlungen eindeutig ab. Auch vor den Folgen der Streiks warnt die Industrie: Sie schaden insbesondere den exportorientierten Betrieben in Bayern.

Die IG Metall hat die Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie weiter verschärft: Allein am Montag nahmen rund 20.000 Beschäftigte aus knapp 120 Betrieben an kurzzeitigen Arbeitsniederlegungen, Kundgebungen und Frühschlussaktionen teil. Seit Ende der Friedenspflicht Anfang Januar haben sich bundesweit bereits 626.000 Beschäftigte an den Warnstreiks beteiligt. Demnächst drohen nach Urabstimmungen reguläre Streiks, die die boomende Metall- und Elektroindustrie massiv schädigen könnten – mit 3,9 Millionen Beschäftigten und 1,1 Billionen Euro Umsatz eine der zentralen Schlüsselbranchen Deutschlands.

Wenn einer nur vier Tage arbeitet, dann kriegt er auch nur vier Tage bezahlt.

Rainer Dulger, Gesamtmetall-Präsident

Die IG Metall fordert bundesweit sechs Prozent mehr Geld und das Recht auf eine vorübergehende Senkung der Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden. Dabei sollen bestimmte Gruppen – etwa Schichtarbeiter, Eltern kleiner Kinder und Angehörige von Pflegebedürftigen – einen Teillohnausgleich erhalten. Für die Arbeitgeber ist das angesichts des scharfen Fachkräftemangels geradezu kontraproduktiv. Eine Arbeitszeitverkürzung aufgrund besonderer Lebensumstände sei „in der betrieblichen Praxis schon heute gang und gäbe“, sagt Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger. Klar sei aber auch: „Wenn einer nur vier Tage arbeitet, dann kriegt er auch nur vier Tage bezahlt. Ein Angebot zum Lohnausgleich für eine verkürzte Arbeitszeit kann es nicht geben, weil er nicht nur ungerecht ist, sondern aus unserer Sicht auch rechtswidrig“, so Dulger.

Streik gefährdet heimische Exporteure besonders

„Streiks sind generell kein geeignetes Mittel für Tarifauseinandersetzungen. Sie schaden dem stark exportorientierten Metall- und Elektriindustriestandort Bayern, den Unternehmen und letztlich den Beschäftigten“, warnt auch der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie (vbm), Bertram Brossardt, in einem Statement für den BAYERNKURIER. Die ausländischen Konkurrenten könnten den heimischen Exportbetrieben wichtige Marktanteile abnehmen, während diese wegen der Streiks blockiert sind. Brossardt mahnt: „Die IG Metall setzt mit Warnstreiks auf Eskalation in den Betrieben. Wir fordern die IG Metall auf, die Gespräche am Verhandlungstisch fortzusetzen, denn auf der Straße werden wir sie nicht finden. Wir stehen dazu bereit.“

Weitere Zugeständnisse an die SPD führen zu mehr Umverteilung und einem weiter überbordenden Sozialstaat.

Alfred Gaffal, Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw)

Durch verstärkte Teilzeit würde der massive Fachkräftemangel verschärft, befürchten die Betriebe. Beispiel Mittelfranken: Bereits seit Ende 2016 liegen die Beschäftigungspläne der Unternehmen über der tatsächlichen Entwicklung, erklärt Martin Sommer, Vorstandsvorsitzender der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie (bayme-vbm) in der Region Nürnberg-Fürth-Erlangen. „Das ist ein klares Zeichen, dass die Betriebe nicht genügend Arbeitskräfte finden und der Fachkräftemangel bereits bittere Realität ist“, erklärt Sommer. Gesucht werden vor allem Ingenieure und Informatiker, aber auch Metall- und Elektro-Facharbeiter. „Die Zahlen sind besorgniserregend: Während in Mittelfranken auf eine offene Stelle 2,2 Arbeitslose kommen, sind es in der mittelfränkischen M+E Industrie nur 0,9. Das führt schon heute bei über 86 Prozent der Betrieben zu Einschränkungen in der Produktion“, so Sommer.

Warnung vor SPD-Forderungen

Die bayerische Industrie warnt nicht nur vor den Folgen der Streiks, sondern auch vor den Nachforderungen der SPD vor den Koalitionsverhandlungen. „Wir kritisieren die vielen Hürden, die die SPD auf ihrem Parteitag für die Koalitionsverhandlungen mit der Union aufgebaut hat. Mit diesem ‚Ja, aber‘ kommen wir nicht weiter“, sagt der Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), Alfred Gaffal. „Es darf keine Nachverhandlung der Sondierungsergebnisse geben. Weitere Zugeständnisse an die SPD führen zu mehr Umverteilung und einem weiter überbordenden Sozialstaat.“

Eine Einheitskasse ginge massiv zu Lasten der Beitragszahler und würde unser gutes Gesundheitssystem schädigen, wie das Beispiel Großbritannien zeigt.

Alfred Gaffal zur SPD-„Bürgerversicherung“

Um das zu verdeutlichen, verweist Gaffal auf den massiven Anstieg der Sozialausgaben: „Die Ausgaben des Staates für Soziales steigen seit Jahren überproportional: von 885 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 918 Milliarden 2016 und geschätzt 962 Milliarden 2017. Das ist ein Anstieg von 77 Milliarden Euro, also neun Prozent innerhalb von nur drei Jahren. So kann es nicht weitergehen.“ Wichtig dabei: Die Sozialausgaben steigen seit 2012 schneller als das Bruttosozialprodukt (BIP). Also wird volkswirtschaftlicher Reichtum weniger schnell erwirtschaftet als vom Staat ausgegeben. 2017 liegt die Sozialleistungsquote laut Bundessozialministerium schon bei 29,8 Prozent des BIP.

Rasch zu stabiler Regierung

Insbesondere lehnt vbw-Präsident Gaffal die SPD-Forderung nach einer Bürgerversicherung ab: „Eine solche Einheitskasse ginge massiv zu Lasten der Beitragszahler und würde unser gutes Gesundheitssystem schädigen, wie das Beispiel Großbritannien zeigt. Wir sind auch strikt gegen die Abschaffung von sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnissen. Diese sind für viele Gruppen eine wichtige Brücke in den Arbeitsmarkt. Es darf auch keine weiteren Steuererhöhungen geben, und keine Erhöhung des Spitzensteuersatzes.“

Gaffal mahnt die führenden Vertreter von CDU, CSU und SPD zur Eile: „Wir erwarten, dass die künftige Bundesregierung die gute wirtschaftliche Lage für einen wachstums- und investitionsfreundlicheren Kurs nutzt und endlich ein tragfähiges Zukunftskonzept vorlegt. Ein tragendes Element muss dabei ein schlüssiges Gesamtkonzept für die Energiewende sein.“