Mit solchen Plakaten wirbt die vbw für flexiblere Arbeitszeiten. (Bild: vbw)
Arbeitszeit

Flexibler ist besser

Die bayerische Wirtschaft wirbt für eine Liberalisierung des Arbeitszeitrechts: Die alte Fassung aus den 1970 und 80er Jahren ist zu unflexibel für viele Branchen. Flexible Lösungen könnten Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichermaßen nützen.

Ein Beispiel: Eine Arbeitnehmerin erwartet Familienbesuch, deshalb will sie Donnerstag, Freitag und das Wochende frei haben. Die 16 Stunden Fehlzeit von Donnerstag und Freitag will sie von Montag bis Mittwoch sowie am folgenden Montag ausgleichen: An vier Tagen zwölf Stunden statt acht, dann stimmt die Rechnung wieder. Der Arbeitgeber ist einverstanden, bei der Arbeitseinteilung und mit dem Kollegen gibt es auch keine Probleme. Geht aber trotzdem nicht – weil es illegal ist.

Die Arbeitszeitregeln passen für heute nicht, und erst recht nicht für morgen. Sie sind nicht mehr zeitgemäß.

Harald Hubert, mittelfränkischer Bezirksvorsitzender der vbw

Denn die Arbeitnehmerin hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht, und der ist in diesem Fall das Arbeitszeitrecht. „Das Arbeitszeitrecht stammt aus den 1970er und 80er Jahren. Hört sich eigentlich nicht so sehr alt an, ist es aber“, kommentiert Harald Hubert, der Vorsitzende der mittelfränkischen Bezirksgruppe Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), diesen Dinosaurier unter den Sozialgesetzen. „Die Arbeitszeitregeln passen für heute nicht, und erst recht nicht für morgen. Sie sind nicht mehr zeitgemäß“, betont Hubert.

Keine Arbeitszeiterhöhung, sondern Flexibilisierung

Dabei unterstreicht der vbw-Bezirkschef, es gehe ihm und seinem Verband dabei keinesfalls um eine Erhöhung der Arbeitszeit. Die sei tariflich geregelt – und das sei gut so. „Wir haben gut qualifizierte und hoch motivierte Mitarbeiter und wollen die nicht ausbeuten und nicht verlieren. Es geht lediglich darum, die starren gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Einteilung der Arbeitszeit aufzubrechen“, betont Hubert.

Zwei Dinge würde Hubert gern ändern: Die starre Einschränkung auf zehn Stunden maximale Arbeitszeit pro Tag und die Vorschrift, dass mindestens elf Stunden ununterbrochene Ruhepause zwischen zwei Arbeitstagen gewährleistet sein müssen. Als Vorbild nennt er die EU-Arbeitszeitrichtlinie, die nicht starre tägliche Arbeitszeiten vorschreibe, sondern ein Maximum von 48 Stunden pro Woche. Die Mehrarbeit werde dann im Arbeitszeitkonto ausgeglichen. „In vielen anderen EU-Ländern wird nach dieser Richtlinie gearbeitet – warum geht das in Deutschland nicht?“, so der vbw-Bezirkschef.

Wer die Flexibilisierung unterstützt, trifft die Meinung der Mehrheit der Arbeitgeber wie auch der Arbeitnehmer.

Harald Hubert, mittelfränkischer Bezirksvorsitzender der vbw

Straße asphaltieren, Gäste bedienen

Der Verband der bayerischen Metall- und Elektroindustrie habe eine Umfrage beauftragt, und die habe ein eindeutiges Ergebnis erbracht: „Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer finden die jetzige Gesetzeslage zu unflexibel. 86 Prozent der Unternehmen und 76 Prozent der Arbeitnehmer fordern die Aufhebung der täglichen Zehn-Stunden-Grenze“, so Hubert. Die Flexibilisierungs-Kampagne werde daher bewusst im Bundestagswahlkampf platziert: „Wer die Flexibilisierung unterstützt, trifft offensichtlich die Meinung der Mehrheit der Arbeitgeber wie auch der Arbeitnehmer – und damit der Wähler.“

Dafür nennt Harald Hubert unter anderem ein Beispiel aus seiner eigenen Branche, dem Tiefbau: „Wenn an einem Tag die Leute um halb 4 Uhr nichts mehr zu tun haben, können sie doch heimgehen. Wenn aber dann am nächsten Tag eine Straße zu asphaltieren ist, dann sind nun einmal elf, zwölf Stunden durchgängige Arbeit nötig. Dafür können die Leute aber auch am Freitag um 12 Uhr ins Wochenende gehen.“ Manche Arbeit müsse nun einmal dann gemacht werden, wenn es nötig ist. Aber falls er als Unternehmer eine Arbeitszeit von über zehn Stunden am Stück anordnen oder zulassen würde, würde er sich strafbar machen. Und die Strafen sind happig: Von 15.000 bis 20.000 Euro für Ersttäter ist die Rede.

Starre Vorschriften sind Klotz am Bein

Besonders in Saisonbranchen ist das starre Arbeitszeitrecht ein Klotz am Bein, erklärt Thomas Förster, Inhaber vom „Bratwurst Röslein“ in der Nürnberger Altstadt und Erster Vizepräsident des Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) Bayern. Jeder Biergarten beispielsweise sei nun einmal bei Sonnenschein voller Gäste und bei Regen leer. Allgemein wollten Kellnerinnen bei einer guten Gesellschaft, von der sie sich gutes Trinkgeld erhoffen, nicht einfach nach Hause gehen, auch wenn es einmal später werde: „Wenn ich sie dann um 22 Uhr heimschicke und eine andere Kellnerin einteile, schimpft die erste, weil ihr das fette Trinkgeld entgeht.“

Wenn der Bus mit Gästen erst um zwei Uhr kommt, dann muss der Kellner eben um zwei Uhr bereitstehen.

Thomas Förster, Wirt vom „Bratwurst-Röslein“ in Nürnberg

Er etwa bezahle grundsätzlich übertariflich, weil er in seiner Branche, in der großer Personalmangel herrsche, sonst keine Angestellten finde, erzählt Förster. Die Angestellten seien fleißig und wollten gutes Geld verdienen – dabei seien sie deutlich flexibler und leistungsbereiter als das Gesetz es vorsieht: „Wir in Bayern sind das Tourismusland Nummer Eins – auch deshalb, weil wir sehr fleißig sind.“ Diese Spitzenposition Bayerns werde aber gefährdet durch die mangelnde Flexibilität des Arbeitszeitrechts, befürchtet der „Bratwurt-Röslein“-Chef.

Viele Restaurants müssen früher schließen

Aber es sei deutlich mehr Flexibilität nötig, denn gerade in der Gastronomie sei nicht alles planbar: „Wenn der Bus mit Gästen nicht um 12 Uhr kommt, sondern sich bis zwei Uhr verspätet, dann muss der Kellner eben um zwei Uhr bereitstehen und kann dann nicht in die Pause gehen, sondern beispielsweise erst eine Stunde später.“ Als Folge der starren Arbeitszeitregeln – aber auch wegen des Bürokratiewahnsinns in Folge des Nahles-Mindestlohngesetzes – müssten viele Gaststätten die Öffnungszeiten verkürzen oder die warme Küche früher schließen: „54 Prozent der Gastastätten in Bayern haben Öffnungszeiten reduziert, weil das Gesetz so unflexibel ist. Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir brauchen“, betont Thomas Förster.