Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU, r.) gab auf dem Nürnberger Hauptmarkt den Startschuss für die Auslieferung von Paketen per Lastenfahrrad. Neben ihm Wirtschaftsreferent Michael Fraas (CSU), auf dem Fahrrad links Nürnbergs 2. Bürgermeister Christian Vogel (SPD).(Foto: Wolfram Göll)
Nürnberg

Pakete kommen jetzt per Fahrrad

In der Nürnberger Altstadt und in der Südstadt werden Pakete ab sofort mit dem Lastenfahrrad zugestellt. Innenminister Herrmann gab den Startschuss zu diesem umweltfreundlichen Pilotprojekt, das sogar wirtschaftlich rentabel ist.

Pakete kommen in Nürnberg ab sofort per Lastenfahrrad – vorerst in der Altstadt und in der Südstadt. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der städtische Wirtschaftsreferent Michael Fraas (beide CSU) sowie Nürnbergs Zweiter Bürgermeister Christian Vogel (SPD) gaben gab auf dem Hauptmarkt den Startschuss für ein Pilotprojekt, in dem diese umweltfreundliche Methode, Pakete zuzustellen, in der Praxis getestet wird.

Bei Lärm- und Schadstoffemissionen liegt der Vorteil auf der Hand.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).

Gerade die letzte Meile sei bei Paket-Zustellungen üblicherwiese mit hohem Aufwand, Umweltbelastungen und Kosten verbunden, sagte Joachim Herrmann. In den Innenstädten biete das elektrisch verstärkte Lastenfahrrad daher einen interessanten Ansatz: „Bei Lärm- und Schadstoffemissionen liegt der Vorteil auf der Hand.“ Außerdem sei man mit dem Fahrrad sehr flexibel, brauche keinen Parkplatz und behindere den Verkehr nicht so wie die klassischen Paket-Transporter.

Umweltfreundliche Logistik sehr rasch nötig

Nach einer kurzen Test-Runde über den Hauptmarkt sagte Joachim Herrmann lachend, er fahre ja privat sehr viel mit dem Rad. Allerdings stelle die große Last hinter dem Rücken schon eine Herausforderung für den Gleichgewichtssinn dar, an die man sich erst einmal gewöhnen müsse – wie auch die Dynamik des Elektro-Antriebs, den er privat nicht nutze. Herrmann betonte, Bayern brauche wegen der Stickoxid- und Feinstaub-Probleme Lösungen für umweltfreundliche Logistik auch für andere Innenstädte wie München, Regensburg und Augsburg – und zwar nicht bis 2030, sondern binnen ein, zwei Jahren.

Der stationäre Einzelhandel wird durch die Fahrradzustellung deutlich flexibler und schneller.

Michael Fraas (CSU), Nürnberger Wirtschaftsreferent

Der städtische Wirtschaftsreferent Michael Fraas erklärte, die Zustellung sei vor allem in Gegenden rentabel, wo entweder viele private Kunden jeweils eines oder wenige Pakete erhalten – oder wo beispielsweise kleine Einzelhändler, Anwälte, Apotheker rasch relativ wenige spezielle Waren benötigen. Hier stecke eine Chance für den stationären Einzelhandel, der im Zug der großen Konkurrenz durch das Internet immer schneller und flexibler reagieren muss. „Früher hab ich im Laden Schuhe probiert, aber meine Größe und die Farbe, die ich wollte, waren nicht da. Dann hieß es: Na, zwei Monate müssen Sie schon warten. Das geht jetzt binnen ein bis zwei Tagen“, so Fraas.

Wenig rechtliche Einschränkungen für Fahrräder

Nürnberg eigne sich für das Pilotprojekt besonders wegen der starken Einzelhandelsstruktur, wegen der engen Gassen, der dichten Bebauung sowie der Topographie der Altstadt, sagte  Bürgermeister Christian Vogel: „Bei uns geht’s ständig rauf oder runter.“ Außerdem habe Nürnberg eine der größten zusammenhängenden Fußgängerzonen Deutschlands. In der Fußgängerzone sei Ladungsverkehr per Kleinlaster nur bis 10.30 Uhr erlaubt. Hier brächten die Lastenfahrräder einen weiteren Vorteil, denn sie dürften den ganzen Tag Pakete zustellen. Außden dürften sie wie alle Fahrräder Radwege nutzen – sowie speziell gekennzeichnete Einbahnstraßen sogar in umgekehrter Richtung.

Praktisch und wirtschaftlich getragen wird das Projekt von den Paketdiestleistern DPD (Altstadt) und GLS (Südstadt): Sie haben die Lastenfahrräder gekauft, organisieren die tägliche Paketzustellung und bezahlen die Fahrer. Da der praktische Betrieb bereits seit Dezember läuft, habe seine Firma im Vorfeld bereits mit ihren drei Lastfahrrädern 5000 Pakete zugestellt, das seien pro Fahrrad rund 80 pro Tag, sagte DPD-Manager Gerd Seber. Ein Lastenfahrrad könne pro Fahrt 80 bis 90 Pakete im Gesamtgewicht von 250 Kilogramm transportieren, rechnete Seber vor. 250 Watt leiste der Elektromotor, damit komme man sogar vollbeladen den steilen Burgberg hinauf, sagten Technik-Experten.

Der Internethandel bringt die nötige Nachfrage

Insgesamt reagierten Passanten und Kunden stets sehr positiv auf die Zustellung per Lastfahrrad, so der DPD-Manager. Auf Nachfrage räumte er auch ein: Dass die Paket-Fahrradzustellung in der Altstadt, die ja nicht unbedingt High-Tech oder eine brandneue Idee sei, gerade jetzt rentabel werde, liege an der hohen Nachfrage an Paketen auch von Privatleuten, die die Waren meist im Internet bestellt hätten. Früher habe seine Firma beinahe ausschließlich Geschäftsleute als Kunden gehabt, die dann meistens gleich mehr Ware abnahmen.

Dass DPD bis jetzt schon 5000 Pakete per Fahrrad in der Altstadt zugestellt hat, ist deutlich mehr als in unserer Simulation angenommen. Das ist ein echter Erfolg.

Professor Ralf Bogdanski, TH Nürnberg

Dass die Logistik zusammen mit Lastenfahrrädern überhaupt funktioniert, liegt an zwei Mikro-Depots, die in der Südstadt und in der Altstadt eingerichtet wurden. Sie liegen also sehr nah am Verteilgebiet, und zwar in bestehenden Gebäuden. Die Fahrradkuriere können unter Umständen auch „nachladen“, erklärte Professor Ralf Bogdanski von der TH Nürnberg, der das Pilotprojekt konzipierte und weiterhin wissenschaftlich begleitet und auswertet.

30 Prozent des Lastverkehrs in großen Städten aufs Rad?

Im Rahmen des Versuchs sollten in Nürnberg in der Endausbaustufe acht Fahrräder eingesetzt und damit sieben Kleinlaster eingespart werden – also fast eine Ersatzquote von 1:1, rechnet Professor Bogdanski vor. Er schätzt, dass in großen Städten 30 Prozent des gesamten Paketverkehrs auf Lastenfahrräder umgestellt werden könnte. Wenn man – auf alle Paketdienste Nürnbergs hochgerechnet – eine Zahl von 400 Kleinlastern annehme, könnten rund 130 Kleinlaster abgeschafft werden.

Bogdanski betonte, dass die Fahrradzustellung sich für die Firmen auch wirtschaftlich rentiere, sie sei also kein Zuschussgeschäft. Die 170.000 Euro für das Projekt gehe nicht an die Firmen, sondern sei rein für die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung. Die wirtschaftliche Rentabilität sei sogar höher als angenommen: „Dass DPD bis jetzt schon 5000 Pakete per Fahrrad in der Altstadt zugestellt hat, ist deutlich mehr als in unserer Simulation angenommen. Das ist ein echter Erfolg“, so der Projektleiter.