Draghi bleibt bei Nullzins-Politik
Den Leitzins weiter bei null Prozent halten und über Anleihekäufe viel frisch erzeugtes Geld in die Wirtschaft pumpen: Angesichts der Italien-Krise behält die Europäische Zentralbank (EZB) und ihr Chef Mario Draghi diesen Kurs bei. Wirtschaftsexperten und CSU-Politiker fordern Draghi zum Kurswechsel auf.
EZB

Draghi bleibt bei Nullzins-Politik

Den Leitzins weiter bei null Prozent halten und über Anleihekäufe viel frisch erzeugtes Geld in die Wirtschaft pumpen: Angesichts der Italien-Krise behält die Europäische Zentralbank (EZB) und ihr Chef Mario Draghi diesen Kurs bei. Wirtschaftsexperten und CSU-Politiker fordern Draghi zum Kurswechsel auf.

Europas Währungshüter verschärfen ihren Anti-Krisenkurs: Die Europäische Zentralbank (EZB) verlängert ihr milliardenschweres Kaufprogramm für Staatsanleihen und andere Wertpapiere bis mindestens Ende Dezember 2017. Allerdings will die Notenbank von April an monatlich nur noch 60 Milliarden Euro statt 80 Milliarden Euro in den Markt pumpen, wie die EZB nach einer Sitzung des Notenbank-Rates mitteilte. Das läuft seit März 2015.

Die Niederlage von Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi bei dem Verfassungsreferendum am Wochenende hatte unter Ökonomen letzte Zweifel über den Kurs der Notenbank beseitigt. Die Anleihenkäufe helfen nach Ansicht vieler Volkswirte vor allem hoch verschuldeten Staaten wie Italien, ihre Zinslast erträglich zu halten. Denn der Italiener Draghi hat dafür gesorgt, dass die EZB insbesondere viele italienische Anleihen und Papiere kaufte. Vielfach waren nun Sorgen zu hören gewesen, die italienische Überschuldung könnte die Eurozone in eine „zweite Griechenland-Krise“ stürzen.

Risikoaufschläge auf italienische Anleihen gestiegen

Nach dem Referendum waren die Risikoaufschläge auf italienische Staatsanleihen zeitweise gestiegen. Die Aktien italienischer Banken, die auf einem Riesenberg fauler Kredite sitzen, gerieten unter Druck. Wegen der anhaltend niedrigen Inflation hatten viele Ökonomen allerdings ohnehin mit einer Ausweitung der Sondermaßnahmen der EZB gerechnet. Die EZB-Zielmarke stabiler Preise bei einer jährlichen Teuerung von knapp unter 2,0 Prozent ist trotz der Geldflut immer noch weit entfernt – im November stieg die Inflation im Euroraum auf 0,6 Prozent.

Den Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Zentralbankgeld besorgen können, beließ die EZB auf dem Rekordtief von null Prozent. Parken Banken überschüssiges Geld bei der EZB, müssen sie dafür weiterhin 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen. Das viele billige Geld soll im Idealfall die Konjunktur ankurbeln und auch die Teuerung anheizen. Bei langfristig niedrigen oder gar sinkenden Preisen könnten Unternehmen und Verbraucher Investitionen aufschieben in der Erwartung, dass es bald noch billiger wird. Das könnte die Konjunktur abwürgen.

Zweifel an Draghi wachsen

Die Zweifel an der Wirksamkeit der EZB-Geldpolitik sind allerdings groß. Vor allem aus Deutschland gibt es immer wieder Kritik. „Das Argument der EZB, die Inflationsrate im Euroraum sei zu niedrig, trägt 2017 nicht mehr“, argumentierte der Chef des Ifo-Instituts, Clemens Fuest. Die Teuerung dürfte sich im nächsten Jahr dem Inflationsziel der EZB annähern, weil der dämpfende Effekt der Ölpreise auslaufe.

Es sind nicht die Zentralbanken, die die Wirtschaft zu stärkerem Wachstum führen können. Den Schlüssel dafür halten Politiker in der Hand.

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann mahnte kürzlich erneut, geldpolitische Sondermaßnahmen mit Augenmaß einzusetzen. „Es sind nicht die Zentralbanken, die die Wirtschaft zu stärkerem Wachstum führen können. Den Schlüssel dafür halten Politiker in der Hand“, sagte Deutschlands oberster Währungshüter, der im EZB-Rat über die Geldpolitik für den Euroraum mitentscheidet.

Söder fordert Draghi zur Kurskorrektur auf

Starke Kritik an Draghis fortgesetzter Nullzinspolitik kommt von der CSU. Zu Beginn der Eurokrise habe der niedrige Zins noch wie Aspirin gewirkt, sagte Bayerns Finanzminister Markus Söder. Das habe sich aber ins Gegenteil verkehrt, sagte Söder im Deutschlandfunk: „Jetzt hat sich aus diesem Medikament aber ein schleichendes Gift entwickelt. Ergebnis ist nämlich, dass die Schuldnerstaaten in Südeuropa eben keine Reformen gemacht haben, auf die lange Bank geschoben haben – es kam ja billiges Geld aus Europa –, dass die Finanzmärkte aufgebläht wurden, nicht die Realwirtschaften in diesen südlichen Ländern.“

Die Zinspolitik muss sich ändern, um wieder Zug in die Reformbemühungen Südeuropas zu bekommen, um mehr Geld in die Realwirtschaft zu bekommen, aber vor allen Dingen um den Sparern in Deutschland mehr zu geben.

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU)

Das habe fatale Folgen beispielsweise für die kleinen regionalen Banken ebenso wie für deutsche Sparer und Rentner, kritisierte Söder weiter: „Dass de facto durch die Nullzinspolitik nicht nur Sparkassen und Genossenschaftsbanken, also die kleineren Banken, die regionalen, in Deutschland unter Druck kommen, sondern dass für die Sparer de facto ein Großteil nicht nur des Sparguthabens sich nicht vermehrt, sondern auch Rentenversicherungen, Lebensversicherungen in existenzieller Form betroffen sind.“

Draghi belohnt Schuldenwirtschaft und bestraft Solidität

So belohne die Nullzinspoliitk Draghis Verschuldung und bestrafe Solidität, sagte Söder dem Deutschlandfunk weiter: „Wenn der deutsche Staat sogar dann noch daran verdient, weil er durch die niedrigen Zinsen sehr entlastet wird, das ist ja geradezu absurd. Wenn Sie heute dem deutschen Staat Geld leihen, indem Sie Bundesanleihen kaufen, dann müssen Sie eine Strafe dafür bezahlen. Das ist ja eine völlig absurde Situation.“

Söder mahnt einen sofortigen Kurswechsel an: „Darum muss die Zinspolitik sich ändern, um wieder Zug in die Reformbemühungen Südeuropas zu bekommen, um mehr Geld in die Realwirtschaft zu bekommen, aber vor allen Dingen um den Sparern in Deutschland mehr zu geben. Und wenn Draghi dann nur empfiehlt, die Deutschen sollen halt nicht sparen, sondern besser spekulieren, dann ist das nicht die Philosophie, die die Deutschen wollen.“

Genau dieser fehlende Reformeifer war zuletzt auch im lahmenden Italien zu beobachten, in dem wichtige Reformen nicht angegangen wurden. Auch die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes wirkt (noch) nicht. Die jährlichen Wachstumsraten liegen bei „Null Komma Irgendwas“, wie Renzi sagte. Die jüngste Arbeitslosenquote lag bei 11,7 Prozent, für die Jugendlichen sogar bei enormen 37,1 Prozent.

(dpa/DLF/wog)