Von der Kabeltrommel des Kabelwagens wird ein elektrisches Erdkabel verlegt. Bild: Imago/Harald Lange
Stromautobahnen

Verzögerung zum Wohl der Bürger

Die drei Groß-Trassen, die in Zukunft Öko-Strom in den Süden Deutschlands transportieren sollen, werden voraussichtlich drei Jahre später fertig. Verwunderlich ist das nicht: Schließlich wird umgeplant, weil die Leitungen vor allem Dank der Initiative der CSU auf weiten Strecken im Boden verschwinden werden. Nur so konnte in der Bevölkerung eine breite Akzeptanz erreicht werden.

Die Grünen im Bundestag sehen es naturgemäß anders und wettern darauf los, ohne lange nachzudenken: Horst Seehofers „Konfliktvermeidungsstrategie ist krachend gescheitert“, ächzt etwa Dieter Janecek, wirtschaftspolitischer Sprecher der Partei. Mit anderen Worten: Die Anwohner sollen sich gefälligst nicht so anstellen, sie werden sich schon an die Monstertrassen vor ihren Haustüren gewöhnen.

Erfolgreicher Kampf für Erdkabel

Dass viele Teile der Bevölkerung nach der Energiewende nicht unter summenden Kabeln über ihren Köpfen und Riesenmasten vor den Haustüren leiden müssen, ist vor allem ein Verdienst von Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer, der in Berlin mit Erfolg für die Erdverkabelung gekämpft hatte. Anfang Dezember 2015 hatte der Bundestag beschlossen, dass beim Bau von Gleichstromtrassen die Erdverkabelung Vorrang erhält, auch wenn das mit höheren Kosten verbunden ist. So sieht es das „Gesetz zur Änderung von Bestimmungen des Rechts des Energieleitungsbaus“ vor (der Bayernkurier berichtete). Betroffen sind davon auch die Stromautobahnen „Suedlink“ und „Südostpassage“, die nach dem Atomausstieg regenerative Energien vom Norden und Osten Deutschlands nach Bayern und Baden Württemberg leiten werden. Aufgrund der notwendigen Umplanung werden die Trassen nun nicht wie ursprünglich vorgesehen 2022, sondern 2025 fertig.

Erdkabel können uns helfen, Akzeptanz für den Netzausbau zu schaffen. Das Erdkabelgesetz verzögert den Netzausbau daher nicht, es macht ihn erst möglich.

Jochen Homann, Chef der Bundesnetzagentur

Die Bundesnetzagentur sieht darin keinen Beinbruch. Ganz im Gegenteil, sie begrüßt den damaligen Vorstoß der Bayerischen Staatsregierung ausdrücklich: „Erdkabel können uns helfen, Akzeptanz für den Netzausbau zu schaffen. Das Erdkabelgesetz verzögert den Netzausbau daher nicht, es macht ihn erst möglich“, verteidigt Behördenchef Jochen Homann das Gesetz. Es sieht unter anderem vor, dass bei Gleichstromtrassen künftig keine Freileitungen mehr zulässig sind, wenn im Umkreis von 200 bis 400 Metern Menschen wohnen.

Große Erleichterung in betroffenen Regionen

Die Erdkabel-Regelung war vor allem in den Regionen, durch die die künftigen Stromautobahn führen könnten, mit großer Erleichterung aufgenommen worden. Zum Beispiel im Landkreis Bad Kissingen, der möglicherweise von der SuedLink-Trasse durchschnitten werden wird; der genaue Verlauf ist noch immer offen. Dass sich der Bau nun verzögert, überrascht auch dort niemanden: „Es war mit dem Erfolg, dass man den Vorrang der Erdverkabelung über das Gesetz festgelegt hat, klar, dass es Verzögerungen geben wird. Insofern wundert mich das nicht“, sagte CSU-Landrat Thomas Bold am Dienstag dem Bayerischen Rundfunk. Auch Jürgen Vogel, Bürgermeister der Gemeinde Motten und zugleich Vorsitzender des länderübergreifenden Protestvereins „Rhönlink“, gibt sich gegenüber dem BR gelassen: Er geht davon aus, dass die Fertigstellung der Trassen so oder so länger gedauert hätte.

Grüne malen Schreckensszenarien an die Wand

Höhere Strompreise im Süden aufgrund der Verzögerung beim Trassenbau befürchten weder Vogel noch Landrat Bold: Das seien „Schreckensszenarien“. Die malen jetzt freilich die Grünen mit Hingabe an die Wand und präsentieren auch gleich den Schuldigen: „Die CSU wird mit ihrer Planungsinkompetenz am Ende die Verantwortung dafür tragen, wenn wir in Bayern eine Sonderstrompreiszone kriegen, die uns vom  Rest der Republik abhängt“, mosert der Abgeordnete Janecek. Dabei fährt ihm ausgerechnet ein Parteikollege in die Parade: Die Verzögerung zwinge die Netzbetreiber zwar über einen längeren Zeitraum zu Netzeingriffen, die Geld kosten, sagte Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller der Südwest Presse. „Aber das wird sich, umgerechnet auf die Kilowattstunde, nur marginal bemerkbar machen.“ Untersteller rechnete nicht damit, dass sich Deutschland in zwei Strompreiszonen teilen wird: „Dazu wird es nicht kommen, weil es gesellschaftspolitisch und industriepolitisch ein Irrweg wäre, und das sehe nicht nur ich so“, widerspricht der Grünenpolitiker seinem Kollegen im Bundestag.

Mensch und Umwelt werden geschont

Dass viele Grüne so leidenschaftlich auf dem neuen Gesetz herumreiten, verwundert auch, weil Erdkabel auf lange Sicht viel verträglicher für Mensch und Umwelt sind als Freileitungen. Nach Angaben der Netzbetreiber ist der Landverbrauch für Erdkabel geringer als für oberirdische Trassen. Zwar muss zunächst ein etwa zwei Meter tiefer Graben ausgehoben werden, die unterirdische Trasse wird nach dem Bau aber wieder begrünt. Überdies gehen von Freileitungen geringe, aber vorhandene elektromagnetische Felder und bei Regen ein leichtes Summen aus, das vielen Menschen gehörig auf die Nerven geht. Beides bleibt ihnen mit den Erdkabeln erspart. Noch dazu muss sich niemand Gedanken über eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes machen: Weil man die Erdkabel nicht sehen könne, sei sichergestellt, „dass es keine Todsünden in der Zukunft gibt“, hatte Ministerpräsident Horst Seehofer im Juli vergangenen Jahres für die Technik geworben – mit Erfolg.