EU verschont Portugal und Spanien
Brüssel lässt bei den Defizitisündern Spanien und Portugal Milde walten. Die laufenden Strafverfahren werden vorerst nicht verschärft. Stattdessen hat Portugal bis Ende diesen Jahres Zeit, um seine Defizitmarke unter drei Prozent zu drücken. Spanien hat sogar eine Frist bis Ende 2017. Auch für die ehemaligen Krisenstaaten Irland, Zypern und Slowenien könnte es Erleichterungen geben.
Defizitsünder

EU verschont Portugal und Spanien

Brüssel lässt bei den Defizitisündern Spanien und Portugal Milde walten. Die laufenden Strafverfahren werden vorerst nicht verschärft. Stattdessen hat Portugal bis Ende diesen Jahres Zeit, um seine Defizitmarke unter drei Prozent zu drücken. Spanien hat sogar eine Frist bis Ende 2017. Auch für die ehemaligen Krisenstaaten Irland, Zypern und Slowenien könnte es Erleichterungen geben.

Milde für Spanien und Portugal: Die beiden Defizitsünder bleiben zunächst von hohen EU-Bußgeldern verschont und bekommen wohl mehr Zeit zum Sparen. Die EU-Kommission verzichtete entgegen erster Absicht darauf, die laufenden Strafverfahren zu verschärfen.

EU-Währungskommissar Pierre Moscovici teilte mit, es sei zur Zeit nicht der „geeignete Augenblick“ – wirtschaftlich und politisch – um die Verfahren zu verschärfen.

Länder bekommen mehr Zeit

Beide Länder sollen nach dem Willen Moscovicis jeweils ein „Extra-Jahr“ zur Budgetsanierung bekommen. Das würde bedeuten, dass Portugal im laufenden Jahr die Defizitmarke von drei Prozent der Wirtschaftsleistung wieder einhalten muss. Für Spanien lautet die neue Frist 2017. Die EU-Finanzminister müssen diesen Schritt noch billigen. Dennoch kommen gerade aus Spanien alarmierende Zahlen: Neueste Berechnungen der spanischen Zentralbank zeigen, dass Madrids Schuldenberg mittlerweile höher ist als der gesamte Wirtschaftswert des Landes.

Mit ihrer Entscheidung umgeht die Europäische Union eine indirekte Einmischung in die spanischen Neuwahlen. „Wir haben es nicht mit einer Regierung zu tun, die momentan in der Lage wäre, die notwendigen Maßnahmen zu treffen“, sagte Moscovici mit Blick auf die aktuelle Regierung des geschäftsführenden Premiers Mariano Rajoy. Die Spanier wählen am 26. Juni ein neues Parlament.

Zusätzlich empfiehlt die EU Madrid und Lissabon, weitere Sparmaßnahmen zu ergreifen. Beide Länder verstießen 2015 gegen Haushaltsvorgaben. Daher will sich die EU eines möglichen Strafverfahrens auch nicht berauben – die Maßnahmen sind vielmehr vorerst aufgeschoben. Anfang Juli soll erneut über die Lage beraten werden.

Lob für bisherige Anstrengungen

Dennoch gibt es auch positive Worte aus Brüssel: Die EU habe Milde walten lassen, weil Spanien mit seinen Reformen in den vergangenen vier Jahren Glaubwürdigkeit zurück erlangt habe, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Efe unter Berufung auf Madrider Regierungskreise. Die geschäftsführende Regierung in Spanien teilte unterdessen bereits mit, sie habe schon damit begonnen, die von Brüssel gewünschten Maßnahmen zum Abbau des Defizits einzuleiten.

Unerwartete Kehrtwende

Der Aufschub der Strafmaßnahmen kommt für Beobachter dennoch überraschend. Noch in der vergangenen Woche hatte es geheißen, die EU-Kommission wolle das Defizitverfahren mit großer Wahrscheinlichkeit vorantreiben. Spanien droht bei einer Verschärfung ein Strafgeld von bis zu zwei Milliarden Euro, bei Portugal sind es bis zu 360 Millionen Euro.

Erleichterungen für Irland, Zypern und Slowenien?

Und auch für andere frühere Krisenländer soll es Erleichterungen geben: Die Kommission schlug vor, die früheren Krisenländer Irland, Zypern und Slowenien aus ihren Defizitverfahren zu entlassen, da sie ihre Neuverschuldung bereits unter die Marke von drei Prozent gebracht hätten. Auch hier müssen die Finanzminister der Mitgliedsstaaten erst noch zustimmen. Sollte dies der Fall sein, wären noch vier Eurostaaten mit Verfahren konfrontiert: Frankreich, Griechenland, Portugal und Spanien. Das hochverschuldete Italien taucht in der Liste nicht auf, weil die EU dem Land den gewünschten Spielraum zur Budgetsanierung eingeräumt hat – und, weil die Regierung Renzi in Rom bereits tiefgreifende Reformen beschlossen hat. Wie immer in Italien, kommt es aber darauf an, ob das Sein dem Schein wenigstens nahe kommt, ob also die Reformen tatsächlich umgesetzt werden.