Wirtschaft im Schneckentempo
Deutsche sollten später in Rente gehen, Unternehmer in Software investieren und Flüchtlinge mehr Sprachkurse für eine bessere Integration bekommen. Das sind Empfehlungen der OECD, damit die deutsche Wirtschaft nicht ins Stocken kommt. Die Integration von Flüchtlingen sieht Generalsekretär Ángel Gurría als Chance, um der rapiden Alterung der Gesellschaft entgegenzuwirken. Ökonomen sehen das anders.
OECD

Wirtschaft im Schneckentempo

Deutsche sollten später in Rente gehen, Unternehmer in Software investieren und Flüchtlinge mehr Sprachkurse für eine bessere Integration bekommen. Das sind Empfehlungen der OECD, damit die deutsche Wirtschaft nicht ins Stocken kommt. Die Integration von Flüchtlingen sieht Generalsekretär Ángel Gurría als Chance, um der rapiden Alterung der Gesellschaft entgegenzuwirken. Ökonomen sehen das anders.

Starke Exportleistung und geringe Arbeitslosigkeit – der deutschen Wirtschaft geht es trotz Turbulenzen in der Weltwirtschaft gut. Dennoch fordert die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Reformen, damit das so bleibt: Spätere Rente, geringere Steuern auf Arbeit, bessere Bildung. Ziel sei es, die Produktivität zu stärken, die Lebenszufriedenheit in einer rapide alternden Gesellschaft zu erhöhen und die Integration der Flüchtlinge und Migranten zu gewährleisten. Das schreiben die Autoren des aktuellen „Wirtschaftsberichts Deutschland“, der alle zwei Jahre erscheint. „Der deutschen Erfolgsgeschichte droht zwar nicht das Ende, aber sie droht sich zu verlangsamen“, sagte Generalsekretär Ángel Gurría bei der Vorstellung des Berichts in Berlin.

Deutsche sollen länger arbeiten

So rät die OECD etwa zur Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters, das bereits bis 2029 stufenweise auf 67 steigt. Ohne Reformen würden die Rentenausgaben bis 2060 um mindestens 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zulegen, „was die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen beeinträchtigen würde“. Würden die Deutschen später in Rente gehen, verbessere das die Nachhaltigkeit der Altersversorgung, so der Bericht.

Verantwortlich für die geringe Produktivität seien Staat und Unternehmen, die zu wenig investierten. Zwar investierten die Unternehmen überdurchschnittlich viel in Forschung und Entwicklung. Nötig seien aber zusätzliche Investitionen in wissensbasiertes Kapital, etwa Software und Datenbanken.

Flüchtlinge sollen Demographieproblem lösen

Die OECD sieht die Integration von Flüchtlingen als Chance, um der rapiden Alterung der Gesellschaft entgegenzuwirken. Nötig dafür sei allerdings, dass die Behörden in Sprachkurse und Schulungen investieren, und dass alle Flüchtlinge, die wahrscheinlich in Deutschland bleiben werden, schneller als bisher Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen.

Ökonomen des Statistischen Bundesamtes sind pessimistisch. Sie glauben nicht, dass der Zuzug Deutschlands alternde Bevölkerung verjüngen und damit das Demographieproblem in den Griff bekommen könnte. „Die aktuelle hohe Zuwanderung hat nur sehr eingeschränkte Auswirkungen auf die langfristige Bevölkerungsentwicklung. Sie schlägt sich vor allem im kurzfristigen Anstieg der Bevölkerungszahl nieder. Der Trend zur zunehmenden Alterung der Bevölkerung kann dadurch nicht umgekehrt werden“, sagten Amts-Statistiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Für das Jahr 2040 sagen die Statistiker voraus, dass mindestens 21,5 Millionen Menschen in Deutschland 67 Jahre alt oder noch älter sind. Das wären etwa 42 Prozent mehr als zurzeit. Die Zahl der Bundesbürger, die zwischen 20 und 66 Jahre alt sind, werde dann hingegen kleiner sein als heute.

Analysen aus anderen Ländern zeigen außerdem, dass der Staat wegen der Kosten für Sprachkurse, Schulungen und Sozialleistungen für Asylbewerber in der Regel mehr Geld ausgibt, als die Neuankömmlinge selbst an Steuern und Sozialbeiträgen zahlen. Erst die zweite Generation trägt demnach positiv zu Steuereinnahmen und Sozialversicherung bei. Untersuchungen der OECD selbst legen nahe, dass es eher Jahre als Monate dauern wird, bis viele der Flüchtlinge fit sind für den hiesigen Arbeitsmarkt.

Mehr Steuern für Immobilien

Im Steuerrecht sieht die OECD erheblichen Änderungsbedarf. „Die Steuer- und Abgabenbelastung des Faktors Arbeit ist in Deutschland höher als in vielen anderen OECD-Volkswirtschaften.“ Die Ausgaben für die Gesundheitsversorgung und Pflege würden großenteils aus Sozialversicherungsbeiträgen finanziert, die auf die Erwerbseinkommen erhoben werden. „Und diese Ausgaben werden im Zuge der Bevölkerungsalterung und des technischen Fortschritts in der Gesundheitsversorgung steigen“, warnt die OECD. Sie schlägt deshalb beispielsweise vor, Immobilien stärker zu besteuern. Das sollte über aktualisierte Wertansätze für die Grundsteuer erfolgen, schließlich haben viele Immobilien durch den jahrelangen Boom merklich an Wert gewonnen.

Kinderbetreuung ist mangelhaft

Die OECD fordert zudem einen Ausbau der Kinderbetreuung. „In Deutschland besteht ein großes Verdienstgefälle zwischen den Geschlechtern, vor allem weil viele Frauen in Teilzeit arbeiten“, stellt sie fest. Da es nicht genügend Ganztagsbetreuungsmöglichkeiten und Ganztagsschulen für kleinere Kinder gäbe, wären vor allem Frauen daran gehindert, arbeiten zu gehen.

Angesichts der mauen Weltkonjunktur traut die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) der deutschen Wirtschaft vorerst keine großen Sprünge zu. Das Bruttoinlandsprodukt werde in diesem Jahr um 1,4 und im kommenden um 1,5 Prozent wachsen, bekräftigte sie ihre Februar-Prognosen. 2015 hatte es noch zu einem Plus von 1,7 Prozent gereicht. Die Probleme von Schwellenländern wie China laste auf den deutschen Exporten. Das schlage auf die Planung der Firmen durch. Garant des Aufschwungs bleibe der Konsum. Der sei allerdings von einem starken realen Lohnwachstum abhängig.

(dpa/AS)