Christoph Schmidt, Chef der fünf Wirtschaftsweisen, sieht die Konjunkturaussichten leicht verblassen. Bild: Imago/IPON
Wirtschaftsweise

Gelbe Karte für die EZB

Die fünf deutschen Wirtschaftsweisen blicken mit Sorge auf die ultraleichte Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Wie zuvor andere Ökonomen auch warnten die Experten am heutigen Mittwoch vor „erheblichen Nebenwirkungen“. Ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum in Deutschland schraubten die Sachverständigen vor allem wegen erwarteter sinkender Exporte leicht nach unten.

Ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 1,6 Prozent hatte der Sachverständigenrat zuletzt erwartet, nun rechnen die fünf Weisen nur noch mit 1,5 Prozent. „Die Konjunkturaussichten werden dadurch nicht nichtig, aber sie lassen das, was wir hier diskutieren, verblassen“, sagte der Chef des Beratergremiums, Christoph Schmidt, heute in Frankfurt. Begründet wird die leichte Eintrübung vor allem mit der langsamer wachsenden Wirtschaft in China und anderen Exportmärkten. Den Wachstumsmotor am Laufen halten werden demnach der starke private Konsum in Deutschland, Ausgaben für die Flüchtlingsunterbringung und ihre Integration sowie die stabile Lage am Arbeitsmarkt. So könnte 2017 die Wirtschaft in Deutschland dann auch wieder um 1,6 Prozent anziehen, meinen die Experten.

Keine neuen Schulden nötig

Den Kurs der Bundesregierung, den gewaltigen Flüchtlingszustrom ohne die Aufnahme neuer Schulden zu bewältigen, halten die fünf Wirtschaftsweisen auch weiterhin für realistisch. Die geschätzten Mehrausgaben bezifferten sie für 2016 mit 13,7 Milliarden Euro. 2017 werden es ihrer Meinung nach nochmal 12,9 Milliarden Euro sein, die der Zustrom kostet. Eine merkbare Entlastung für den Arbeitsmarkt sehen die Experten durch die Flüchtlinge derzeit aber nicht, weil Engpässe bei den Asylverfahren zu erheblichen Verzögerungen bei der beruflichen Integration führen. So rechnen die Ökonomen damit, dass die Zahl der Jobsuchenden heuer bei etwas über 2,8 Millionen verharren wird, 2017 könnte sie dann auf bis zu drei Millionen steigen.

Die EZB hat deutlich stärker reagiert als in der Vergangenheit, das ist schon begründungswürdig

Wirtschaftsweiser Volker Wieland

Deutlich kritisierten die Experten die Europäische Zentralbank und ihren Chef Mario Draghi: „Die lockere Geldpolitik kann erhebliche Nebenwirkungen haben“, warnte die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel. Profitable Banken würden immer stärker unter Druck gesetzt, während der Reformdruck auf die Länder Europas sinkt. „Die EZB hat deutlich stärker reagiert als in der Vergangenheit, das ist schon begründungswürdig“, betonte Schnabels Kollege Volker Wieland mit Blick auf den Null-Prozent-Leitzins und die maßlosen Anleihe-Ankäufe durch die EZB. Draghi will bekanntlich Banken in der EU dazu bewegen, mehr Kredite zu vergeben und eine Inflation von zwei Prozent erreichen. Erfolge kann er bislang allerdings jedoch kaum vorweisen.

Inflation zieht erst 2017 an

Dass die von der EZB angestrebte Inflationsrate in Deutschland auch in diesem Jahr klar verfehlt wird, damit rechnen auch die Wirtschaftsweisen. Vor allem wegen des günstigen Ölpreises prognostizieren sie eine Teuerungsrate von 0,3 Prozent für das laufende Jahr. 2017 könnten es ihrer Meinung nach immerhin 1,4 Prozent werden. Die Gefahr einer Deflation – also sinkender Preise – sehen die Experten weder für das laufende, noch für das kommende Jahr.

Terroranschläge in Brüssel haben keine Auswirkungen auf die Wirtschaft

Risiken für das Wirtschaftswachstum befürchten die Wirtschaftsweisen jedoch, wenn Grenzkontrollen im Schengen-Raum weiterbestehen oder gar ausgeweitet werden. „Entscheidend ist die Dauer der Maßnahmen“, sagte dazu der Vorsitzende Christoph Schmidt. Der volkswirtschaftliche Schaden lasse sich aber nicht beziffern. Gleiches gilt seinen Angaben nach für den möglichen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Die jüngsten Terroranschläge in Brüssel werden nach Meinung des Gremiums derweil keine Auswirkungen auf die Wirtschaft haben.