An der Börse werden Millionen verdient. Und bis 2012 wurde mit sogenannten Cum-Ex-Geschäften dazu noch der Steuerzahler abgezockt. Bild: Imago/Sven Simon
Cum-Ex-Geschäfte

Nachspiel im Bundestag

Über Jahre ließen sich Investoren Steuern vom Staat zurückerstatten, die sie gar nicht gezahlt hatten. Die sogenannten Cum-Ex-Geschäfte zählen zu den größten Frechheiten, die sich Banken bis 2012 geleistet haben. Die Tricksereien sind dank des Einsatzes der Union mittlerweile zwar nicht mehr möglich, das Nachspiel dauert aber noch an.

Im Deutschen Bundestag soll das Thema in einem Untersuchungsausschuss jetzt noch einmal aufgerollt werden. Dabei soll geklärt werden, wie es passieren konnte, dass der Staat über Jahre um Milliarden von Euro geprellt worden ist. Die „Geschäfte“ waren geschickt eingefädelt, ob sie illegal waren, darüber gehen in der Finanzbranche die Meinungen noch heute auseinander: Kräftig mitgemischt soll damals unter anderen eine bekannte Schweizer Privatbank haben. Sie sammelte laut Medienberichten Geld von wohlhabenden deutschen Privatkunden für sogenannte Cum-Ex-Anlagen ein. Das Wort „Cum“ steht für Aktien mit Dividendenanspruch, „Ex“ für Papiere ohne Dividende.

Ein kompliziertes Verfahren

Ein Beispiel (siehe Grafik): Eine Bank verkauft kurz vor dem Dividendentermin Aktien an Herrn X („Leerverkauf“), ohne sie selbst zu besitzen (ja, so etwas gibt es tatsächlich), muss sie aber erst zwei Tage später kurz nach dem Dividendenstichtag liefern. Herr X erhält sofort den Anspruch auf die Aktien und die Dividende, die jedoch noch an den eigentlichen Aktienbesitzer Herrn Z ausgezahlt wird. Z muss von den Dividenden 25 Prozent Kapitalertragsteuer an den Staat abführen. Die Aktien kauft die Bank vom eigentlichen Besitzer Z erst nach der Ausschüttung und dem Dividendentermin zum (um die Dividende) geminderten Kaufpreis, und liefert sie dann an den Käufer X. Zwar ohne Dividende, dafür gewährt die Bank aber eine um 25 Prozent reduzierte Ausgleichszahlung. Nun erhalten sowohl der Käufer X, als auch der Besitzer Z eine Bescheinigung der Bank über die Kapitalertragsteuer. Diese Bescheinigung berechtigt zur Erstattung der Steuer. Der Staat erstattet also beiden die gezahlte Kapitalertragsteuer, obwohl nur der Käufer Z sie tatsächlich gezahlt hat.

Um den Dividendenstichtag herum wurden diese Papiere also so geschickt zwischen den Eigentümern hin- und hergeschoben, dass am Ende auf wundersame Weise zwei Gutschriften statt einer Gutschrift für die entrichtete Kapitalertragssteuer fällig wurden.

„Durch Leerverkäufe und das gezielte Ausnutzen von Fristen fielen der rechtliche und der wirtschaftliche Eigentümer der Aktie auseinander“, erläutert der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer das Vorgehen. „Mit großer krimineller Energie“ sei es so gelungen, die Abführung der Kapitalertragssteuer doppelt bescheinigt zu bekommen. Der Staat zahlte also lange Zeit brav das Doppelte an Geld zurück.

Kunden gingen auf die Barrikaden

Die Neue Zürcher Zeitung drückte schon vor knapp eineinhalb Jahren in einem Bericht ihre Verwunderung darüber aus, dass der Deutsche Bundestag die Gesetzeslücke erst 2012 geschlossen hat. Der betreffenden Bank wurde das dann auch zum Verhängnis: Das Bundeszentralamt für Steuern drehte den Geldhahn zu und blockierte die Rückerstattung der Kapitalertragssteuer. Die Basler Bank hatte nun ein handfestes Problem, weil ihre Cum-Ex-Kunden auf die Barrikaden gingen. Drogerie-Ketten-König Erwin Müller überzog die Schweizer Bank mit Klagen und Strafanzeigen.

Banken und Berater hielten Geschäfte für legal

Die Politik in Deutschland musste sich den Vorwurf gefallen lassen, jahrelang zugesehen zu haben, wie Geld des Steuerzahlers an Banken und Millionäre verschleudert wurde. Die Investoren waren sich dabei keiner Schuld bewusst. Sie hätten nicht gewusst, um welche Geschäfte es sich genau gehandelt habe, sagten sie zu ihrer Verteidigung. Und so kompliziert die „Cum-Ex“-Tricks waren, möchte man es ihnen fast glauben. Die Banken und Berater wiederum argumentierten, dass sie die Geschäfte „für legal“ gehalten hatten.

Auf Drängen von Grünen und Linken soll nun ein Untersuchungsausschuss klären, warum die Ex-Cum-Geschäfte in Deutschland so lange möglich waren. Der politischen Aufarbeitung kann die Union gelassen entgegenblicken. Sie hat alles getan, um dem Treiben ein Ende zu bereiten und maßgeblich dabei geholfen, die Gesetzeslücke zu schließen.

Besondere Kennzeichnung für Aktien

Als ab 2009 konkrete Hinweise der Abwicklungen von Cum-Ex-Geschäften über ausländische Banken kamen, habe das Bundesfinanzministerium reagiert und „besondere Erfordernisse an Steuerbescheinigungen im Zusammenhang mit Leerverkäufen über ausländische Kreditinstitute formuliert“, heißt es. Dabei wurde geregelt, dass alle Steuerbescheinigungen, bei denen Aktien rund um den Dividendenstichtag erworben wurden, besonders gekennzeichnet werden mussten. Mittlerweile wird die Kapitalertragssteuer durch das Kreditinstitut, das die Dividende auszahlt, sowohl abgeführt als auch bescheinigt. Seit Inkrafttreten dieser Regelung im Jahr 2012 sind Cum-Ex-Geschäfte auch über ausländische Banken nicht mehr möglich.

Der Gesetzgeber und das Bundesfinanzministerium unter Minister Wolfgang Schäuble haben dem Cum-Ex-Modell also in mehreren Schritten nachhaltig die Grundlage entzogen und die missbräuchlichen Geschäfte erfolgreich unterbunden. Was wir jetzt brauchen, sind eine konsequente Aufdeckung und strafrechtliche Verfolgung der Altfälle. Wer solche Geschäfte auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gemacht hat, der muss zur Rechenschaft gezogen werden.

Matthias Hauer (CDU), Rechtsanwalt und Mitglied des Deutschen Bundestages

„Der Gesetzgeber und das Bundesfinanzministerium unter Minister Wolfgang Schäuble haben dem Cum-Ex-Modell also in mehreren Schritten nachhaltig die Grundlage entzogen und die missbräuchlichen Geschäfte erfolgreich unterbunden“, sagte der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer bereits im Dezember. „Was wir jetzt brauchen, sind eine konsequente Aufdeckung und strafrechtliche Verfolgung der Altfälle. Wer solche Geschäfte auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gemacht hat, der muss zur Rechenschaft gezogen werden.“ Dabei sind laut Hauer die Finanzverwaltung, die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichtsbarkeit gefordert, „mehrere Verfahren laufen bereits“. Den Untersuchungsausschuss befindet die Union dagegen als unnötig. Man werde aber konstruktiv darin mitarbeiten und die Thematik noch einmal im Detail durchsprechen, heißt es.