Das Ergebnis der jüngsten Konjunkturumfrage der neun bayerischen Industrie- und Handelskammern (IHKs) „hat uns selbst überrascht“, gab der Chef des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK) zu. Der BIHK-Konjunkturindex sei nach einer kurzen Verschnaufpause im Herbst auf nun 129 Punkte geklettert, erläuterte Driessen bei der Bayerischen Konjunkturpressekonferenz. Dies sei der höchste Stand seit dem Frühjahr 2014. „Unterm Strich ist die bayerische Wirtschaft in herausragender Laune ins neue Jahr gegangen“, sagte der BIHK-Chef in der Zentrale in München, in der sogar von einem „Blitzstart“ die Rede war. Beinahe jedes zweite der 3700 befragten Mitgliedsunternehmen bezeichnete demnach die Lage als „gut“ und weniger als jedes zehnte als „schlecht“. Jedes Vierte erwarte in den kommenden zwölf Monaten eine Belebung, nur jedes Zehnte eine Eintrübung. Und der Stellenboom wird weitergehen, verspricht die IHK: 17 Prozent der Unternehmen wollen demnach mehr Personal einstellen und nur zehn Prozent Stellen abbauen. Einzig mit den Investitionen halten sich die Firmen zurück. Zwar wolle ein Viertel die Investitionsbudgets erhöhen, 20 Prozent wollten dagegen weniger oder überhaupt nicht investieren, heißt es.
Niedrige Zinsen machen nicht alle glücklich
Verantwortlich für die insgesamt gute Laune sind die bekannten Faktoren, die Hauptgeschäftsführer Driessen am Donnerstag noch einmal aufzählte: Gesunkene Öl- und Benzinpreise, der starke Dollar, der private Konsum und die niedrigen Zinsen. Der letzte Punkt macht aber längst nicht alle IHK-Mitglieder glücklich: „Der Finanzsektor ist vergleichsweise zurückhaltend, sowohl was die aktuelle Lage als auch die Erwartungen angeht“, erläuterte Driessen. Als Hauptgrund dafür nannte er die expansive Geldpolitik, bei der bekanntlich die Europäische Zentralbank den Takt angibt. „Die niedrigen Zinsen belasten sowohl die Kreditinstitute als auch die Versicherer“, klagte der BIHK-Chef. Die weiter zunehmenden Regulierungen würden die Branche zusätzlich unter Druck setzen.
Wie Bundesarbeitsministerin Nahles auf die Idee kommt, den Mindestlohn als vollen Erfolg zu bezeichnen, können wir nach wie vor nicht nachvollziehen. Unsere Mitgliedsunternehmen klagen immer noch über die zu hohe Bürokratie.
BIHK-Hauptgeschäftsführer Peter Driessen
Die Regularien auf dem Arbeitsmarkt machen der gesamten Wirtschaft zu schaffen. Und Driessen ließ am Donnerstag nicht die Gelegenheit aus, der dafür verantwortlichen SPD ihre „Errungenschaften“ um die Ohren zu hauen: „Wie Bundesarbeitsministerin Nahles auf die Idee kommt, den Mindestlohn als vollen Erfolg zu bezeichnen, können wir nach wie vor nicht nachvollziehen“, sagte Driessen. „Unsere Mitgliedsunternehmen klagen jedenfalls immer noch über die zu hohe Bürokratie“, fügte der Hauptgeschäftsführer hinzu und wies auch darauf hin, dass die Rente mit 63 die Wirtschaft massiv belastet habe. Und aktuell würden gar „neue Ausstattungen für die Folterkammer Bürokratie“ diskutiert, schimpfte Driessen und nannte das Entgeltgleichheitsgesetz, die Regulierung von Werk- und Dienstverträgen sowie die Beschränkung von Zeitarbeit. Die im Gesetzentwurf enthaltenen Abgrenzungskriterien von Werk-, beziehungsweise Dienstverträgen seien für die betriebliche Praxis komplett ungeeignet. „Typische Vertragskonstruktionen, die weithin als sinnvoll anerkannt sind, werden in Bausch und Bogen unter Generalverdacht gestellt“, monierte der BIHK-Chef.
Transportgewerbe leidet unter Grenzkontrollen
Die Regularien auf dem Arbeitsmarkt und hohe Strompreise sind laut Driessen mit dafür verantwortlich, dass fast jedes zweite Unternehmen im Freistaat die aktuelle Wirtschaftspolitik als Risiko für das eigene Geschäft sieht. Dazu komme auch die Diskussion über die Wiederaufnahme von Grenzkontrollen in Europa. „Die Staus an der österreichisch-bayerischen Grenze behindern schon jetzt nicht nur unmittelbar das Transportgewerbe, sondern damit auch innereuropäische Lieferketten“, so Driessen. Im bayerischen Grenzgebiet würden Pendler, Einzelhandel und Tourismus leiden. „Die Fahrzeiten sind unkalkulierbar geworden“, erläuterte der BIHK-Chef, der bei dauerhaften Grenzkontrollen allein 2016 bei Transport und Logistik mit Mehrkosten von mindestens drei Milliarden Euro rechnet.
Die Euphorie ist perdu.
Peter Driessen zur Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt
Wie in der Vorwoche bereits die Handwerkskammer (der Bayernkurier berichtete) nannte auch die IHK den anhaltenden Fachkräftemangel als Hemmnis für die Unternehmen. „45 Prozent geben ihn als Risiko an, ein neuer Rekordwert für Bayern“, warnte der Hauptgeschäftsführer. Dass die nach Deutschland strömenden Flüchtlinge schnell die Lücke schließen werden, hält auch Driessen für sehr unwahrscheinlich. „Die Euphorie ist perdu“, sagte er am Donnerstag. Driessen rechnet zwar damit, dass die Integration der Asylsuchenden in den Arbeitsmarkt gelingen wird, dies aber erst in fünf bis zehn Jahren. Er verwies dabei auch auf die Agentur für Arbeit, die seinen Angaben nach damit rechnet, dass 15 Prozent der Flüchtlinge überhaupt nicht in den Arbeitsmarkt integrierbar sind. Als Beispiel nannte Driessen etwa Frauen aus dem Irak. Sie seien zu einem Drittel Analphabeten, weil sie in ihrem Land nicht zur Schule gehen dürften.
Die Wirtschaft müsste stärker wachsen, als sie es momentan tut.
Peter Driessen
Insgesamt steht der Freistaat derzeit blendend da: Der BIHK-Chef verwies darauf, dass die bayerische Wirtschaft nach der Finanzkrise „eine fulminante Entwicklung genommen hat, die bis zum heutigen Tag anhält“. Dies zeige sich eindrucksvoll auf dem Arbeitsmarkt. Seit 2008/2009 bis Juni 2015 sei die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in Bayern um 14,3 Prozent gestiegen. „Das Ergebnis ist ein Rekord von knapp 5,2 Millionen Beschäftigten“, freute sich Driessen. Er wies aber darauf hin, dass angesichts der niedrigen Zinsen, günstiger Öl- und Rohstoffpreise sowie des schwachen Euros „die Wirtschaft stärker wachsen müsste, als sie es momentan tut“.
Rückendeckung für Moskau-Reise von CSU-Chef Horst Seehofer
Besonders wichtig ist für Bayern der Export. Das Auslandsgeschäft habe in den vergangenen Monaten wieder zugelegt, erläuterte Driessen. Hohe Unsicherheit zeige sich vor allem aber bei den bayerischen Schlüsselindustrien Maschinen- und Fahrzeugbau. Mehr als 50 Prozent der Maschinen- sowie rund 75 Prozent der Fahrzeugbauer sehe die Gefahr, dass sich die Auslandsnachfrage eintrübe. Auch aus diesem Grund begrüßte der IHK-Chef am Donnerstag die Reise von CSU-Chef Horst Seehofer nach Moskau. „Russland bleibt ein wichtiger Wirtschaftspartner“, so Driessen, der durchblicken ließ, dass er überhaupt kein Freund von Sanktionen ist. So seien diese auch im Iran vor allem zu Lasten der Einwohner gegangen, denen zum Beispiel Medizintechnik fehlte. Unter den aktuellen Sanktionen gegen Moskau leidet seinen Angaben nach derweil auch die bayerische Wirtschaft. Die Ausfuhren nach Russland seien bis November 2015 um 34 Prozent zurückgegangen, die Einfuhren um zehn Prozent. Die nun an der Reise des bayerischen Ministerpräsidenten laut gewordene Kritik hält Driessen für unangemessen. Denn über den Dialog würde man prinzipiell besser weiterkommen. „Es ist besser, miteinander zu reden“, sagte der BIHK-Chef zu den Gesprächen von Horst Seehofer und Edmund Stoiber mit Russlands Präsident Wladimir Putin.