Der Kreisvorsitzende der JU-München-Nord, Alexander Rulitschka. (Bild: avd)
Soziale Medien

Junge Gesichter, unabhängige Geister

Interview Die CSU will "jünger, weiblicher und cooler" und aktiver in den sozialen Medien werden, wie es Parteichef Markus Söder kürzlich formulierte. Ein gutes Beispiel dafür ist die JU München-Nord mit ihrem Kreisvorsitzenden Alexander Rulitschka.

Bayernkurier: Kürzlich beklagte sich ein Schüler in einer Diskussion mit dem sächsischen Justizminister über die „Wand der alten Leute“, die den Einstieg der Jugend in die Politik erschweren und verleiden würde. Wie ist das bei Dir im Kreisverband?

Alexander Rulitschka: Die gibt es tatsächlich, sie ist aber je nach Verband unterschiedlich ausgeprägt. Gerade auf Kreisebene ist es anfangs oft schwierig. Man braucht als junger Mensch Geduld und Bissigkeit. Und wenn man dran bleibt, kann man sich auch irgendwann durchsetzen. In Großstädten wie München ist die Konkurrenz natürlich besonders groß.

Wäre es nicht eine gute Idee, wenn die CSU per Satzungsänderung den vierten Stellvertreterposten der JU zugesteht, wie es ja ursprünglich mal geplant war?

Das kann ich mir gut vorstellen. Die Idee war richtig und ist richtig. Die Förderung junger Menschen hängt aber meist stark am jeweiligen Orts- oder Kreisvorsitzenden.

Der Anteil von Abgeordneten unter 30 Jahren ist sowohl im Landtag, als auch im Bundestag verschwindend gering. Diese Altersgruppe ist also völlig unterrepräsentiert, meinst Du nicht?

Das ist ja nichts Neues, sondern schon seit Jahrzehnten so. Ich bin aber der Ansicht, Abgeordnete sollten schon eine gewisse Lebenserfahrung mitbringen, ihre Ausbildung zumindest beendet haben, am besten auch berufliche Erfahrung haben. Sonst fehlt der Bezug zur Realität, zum Alltag der Menschen, zu gesellschaftlichen Gruppen.

Die CSU soll jünger, weiblicher und cooler werden, sagte kürzlich Parteichef Markus Söder. Was brauchen junge Menschen in der CSU?

Wir brauchen Gesichter, junge Gesichter. Aber ob das allein dann schon funktioniert, ist für mich fraglich. Denn auch junge Menschen bekommen schnell die Attribute ihrer Partei verpasst, werden also nicht mehr als Junge angesehen, sondern als Parteifunktionäre. Es bräuchte zusätzlich eine neue Philosophie in der Partei, sowas wie eine „Gründerkultur“ für junge Talente, die genug Freiraum erhalten, einfach mal was auszuprobieren und im Zweifel geht mal was schief. In so einem Klima werden wir die volle Kreativität der Jungen für die CSU einbinden können und neue meinungsstarke Köpfe gewinnen.

Klimaschutz, Urheberrecht, Frauen – Die Union ist dabei, eine ganze Generation zu verlieren, heißt es. Richtig oder falsch?

Da ist leider mehr dran, als uns lieb ist. Die Jugend wurde gerade in letzter Zeit zu oft vor den Kopf gestoßen. Ich nenne mal mangelhafte Digitalpolitik wie zum Beispiel das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, da wurde die Entscheidung darüber, was richtig oder falsch ist, trotz vieler Warnungen in private Hände gelegt, in die von Facebook. Immer wieder kommt es dabei zu Fehlern, wie man nun sehen kann. Da denkt man schnell, dass die Union das Gefühl für die Jugendlichen verloren hat. Auch Warnungen aus der Jugend vor der Zustimmung zu den Urheberrechtsänderungen wurden einfach weggewischt, insbesondere in der CDU. Unsere Bedenken als Junge Union dringen gar nicht mehr durch zu den Funktionären, sie werden nicht ernstgenommen. Es fehlt schlicht das Verständnis, weil niemand zuhört. Die Konsequenz war: Es gingen sogar einige JUler zu den Demonstrationen gegen diese Gesetzesänderungen. Zu Fridays for Future haben wir ebenfalls nur mangelhafte Antworten gegeben. Da müssen wir uns als Junge Union jedoch zuallererst an unsere eigene Nase fassen. Wir haben da viel zu wenig die Initiative ergriffen. Ein Fehler, den wir korrigieren sollten.

Was muss sich in der CSU ändern?

Probleme der Jugend werden oft zu spät erkannt, das ist dann schwierig, die Stimmungslage wieder zu drehen. Wenn die JU also künftig Kritik äußert, sollte die Partei das früh ernst nehmen. Zugleich fehlt es aber auch an einer angemessenen Sprache. Youtuber wie Rezo sprechen ihre Zielgruppe entsprechend an, in der Union fehlt das noch, auch die Formate dazu. Eine Idee: Warum können wir nicht Gesichter aus der JU antworten lassen, das müssen auch nicht immer welche aus dem Landesvorstand sein! Das hätte dann doch eine ganz andere Wirkung.

Das ist alles?

Nein. Wir müssen uns wieder mehr auf eigene Ideen besinnen. Wir waren immer stark, wenn wir agiert haben, Beispiel ausgeglichener und dann schuldenfreier Haushalt. Da sind alle anderen Parteien unter Zugzwang geraten. Derzeit aber reagieren wir nur noch, laufen hinterher, besonders in der Bundespolitik. Die Grünen sind hier freier und frischer, natürlich auch, weil sie nicht in Regierungsverantwortung eingebunden sind. Wir, die CSU, müssen wieder die Themen setzen, Steuererleichterungen, starker Staat, Forschung, Technologie, Patriotismus und vieles mehr. Wir müssen Ideen in die Debatte einbringen und die Debatten auch führen! Und uns wieder um die kümmern, über die nur selten berichtet wird, die Mittelschicht, die Fleißigen, die normalen Steuerzahler.

Nur 16 Prozent der Erstwähler bei der Europawahl haben in Bayern CSU gewählt, aber 30 Prozent Grün.

Ja, wieso eigentlich? Laut der Shell-Jugendstudie war die Jugend noch nie so konservativ wie heute. Aber wir können sie trotzdem nicht für uns gewinnen. Sie identifizieren ihre Werte, die auch die unseren sind, nicht mit der Union. Das betrifft keineswegs nur den Klimaschutz. Familie gründen, Karriere machen, Wohneigentum schaffen, das alles ist schwer geworden. Aber das ist für viele Jugendliche wichtiger, als wir glauben. Gerade Wohneigentum! Ohne Elternhaus ist das doch nicht mehr zu schaffen! Wer aber etwas besitzt, der wird auch mehr darauf achten, dass unser Land erhalten bleibt, weil er etwas zu verlieren hat. Hier fehlen uns zum Teil die richtigen Antworten und einige Themen sind einfach unter dem Radar.

Was braucht es noch?

Wir müssen alle Talente viel mehr einbinden, alle Aktiven, und sie wertschätzen. Die Partei muss auch klar sagen, Einzelkämpfer für die CSU sind in den sozialen Medien gewollt und werden von uns gefördert. Unabhängige Geister sind erfolgreich, gerade auch in sozialen Medien. Auch Konservative können hier erfolgreich sein. Die Parteistruktur begünstigt einzelne Aktive bisher nicht, im Gegenteil, sie werden zurückgepfiffen. Aber über soziale Medien erreicht man schnell mal 100.000 Leute, das geht nicht über den Lokalteil der Zeitungen, den viele Abgeordnete noch bedienen. Natürlich muss jedem dieser Einzelkämpfer aber klar sein, dass man als CSU-Anhänger im Netz polarisiert, was auch negative Folgen haben kann.

Also so wie Du auf Eurer Facebook-Seite?

Nicht nur Facebook! Da erreichen wir mittlerweile nur noch zu einem kleineren Teil unsere Zielgruppe. 25 bis 30 Prozent unserer Reichweite dort sind noch im JU-Alter und 3 bis 4 Prozent aus München. Auf Instagram sieht das besser aus, obwohl wir nur rund 66.000 Zugriffe pro Woche haben. Dort erreichen wir aber etwa 70 Prozent im JU-Alter und rund 10 Prozent aus München. Gut laufen da die „Share Pics“, also Bilder mit einem kurzen Post drauf. Politisierung kommt durchaus auch in diesem Medium an. Weil das Teilen dort nicht geht, ist die Reichweite aber begrenzt.

Dein JU-Kreisverband München-Nord ist auf Facebook zum Teil sogar erfolgreicher als die CSU. Was ist Euer Erfolgsrezept?

Unsere Reichweite pro Woche liegt bei 250.000 Zugriffen, mal mehr, mal weniger. Bei nur 130.000 Einwohnern in unserem Kreisverband ist das schon ein Erfolg. Bei den Interaktionen überholen wir die CSU immer wieder, das ist richtig. Wir können aber mit allen im Bundestag vertretenen Parteien mithalten – da ist die CSU übrigens schon besser als CDU, SPD oder Grüne -, nur nicht mit der AfD.

Woran liegt das Deiner Meinung nach?

Soziale Medien sind für die AfD von Anfang an viel wichtiger als für die anderen Parteien gewesen. Das hängt mit deren besonderem Spannungsverhältnis zu den klassischen Medien zusammen. Oppositionsparteien sind leichter im scharfen Formulieren wie Regierungsparteien, Populisten nochmal mehr. In den sozialen Medien wird Polarisierung mit vielen Interaktionen belohnt. All diese Faktoren begünstigen ihren Erfolg.

Und das Erfolgsgeheimnis?

Glaubwürdigkeit. Und Mut, seine Linie konsequent zu verfolgen. Wir vertreten wie die CSU Mitte-rechts, also eher die Konservativen in der CSU. Wir könnten natürlich zugleich auch die liberale Seite der CSU bedienen, aber beide Seiten, das ist in den sozialen Medien für einen kleinen Verband wie uns schwer. Da wackelt schnell die Glaubwürdigkeit. Und das Gute ist: Wir sind normaler Teil der Parteistruktur, keine Parallelorganisation. Wenn meine Mitglieder diesen Kurs nicht mehr wollen, können sie mich abwählen. Wir müssen uns aber immer bewusst sein, dass weder Facebook noch Instagram repräsentative Medien sind, was auch auf unsere Nutzer zutrifft. Wir haben neben vielen Normalbürgern und aktiven CDU/CSUlern auch einige Ex-Unions-Wähler, also Nichtwähler und zur AfD Abgewanderte. Unser Ziel ist ganz klar: diese Ex-CSU-Wähler wollen wir zurückgewinnen.

Hat sich Euer Erfolg in den sozialen Medien auch auf Eure Mitgliederzahlen ausgewirkt?

Also die Mitgliederzahlen sind moderat gestiegen, und das in einem Arbeiterviertel. Und wir haben 30 Prozent Frauenanteil, vor vier Jahren waren es nur 21 Prozent. Unser Kreis hat allerdings eine schwierige Struktur. Neue Mitglieder zu gewinnen, ist hier schwieriger als andernorts.

Das Interview führte Andreas von Delhaes-Guenther

Alexander Rulitschka

ist Kreisvorsitzender der JU-München-Nord, Deutschland-Rat der JU und Mitglied im Ortsverband München-Am Hart. Zudem ist der 30-Jährige Mitglied des Bezirksausschusses 11 Milbertshofen-Am Hart. Der Facebook-Auftritt der JU München-Nord hat viele Fans, auch weil er fast alle Diskussionen zulässt und führt. Schon beinahe legendär sind dort die verbalen Duelle mit dem linken CDU-Politiker Ruprecht Polenz (früher MdB und CDU-Generalsekretär) geworden.