Auf dem Münchner Odeonsplatz demonstrieren Landwirte gegen die Diskriminierung ihres Berufsstandes durch Grüne und Umweltaktivisten sowie gegen ihre niedrigen Einkommen. (Foto: Picture alliance/ dpa/ Peter Kneffel)
Proteste

Den Bauern reißt der Geduldsfaden

Gegen die Diskriminierung ihres Berufsstandes durch SPD, Grüne und Umweltaktivisten protestieren Tausende Bauern bundesweit. Außerdem kritisieren sie immer strengere Umweltauflagen und ihre Einkommenssituation. Viele Höfe ringen im ihre Existenz.

Mit Hunderten Traktoren und kilometerlangen Konvois haben Bauern in vielen Regionen Deutschlands und den Verkehr blockiert, um gegen „Bauern-Bashing“, die Diskriminierung ihres Berufsstandes vor allem durch Grüne, SPD, Umweltaktivisten und linke Medien zu protestieren. Bei der zentralen Kundgebung in Bonn versammelten sich rund 6000 Teilnehmer mit 800 Traktoren. Ein Bulldog-Konvoi dorthin war zehn Kilometer lang, wie die Polizei berichtete. Die Landwirte protestierten auch gegen zu niedrige Einkommen und strengere Regeln zum Umwelt- und Insektenschutz, weil sie dadurch ihre Existenz bedroht sehen. In Bayern konzentrierten sich die Proteste auf München, Würzburg und Bayreuth. Insgesamt protestierten die Bauern in 17 deutschen Städten.

Wir möchten, dass die Politik und Verbände mit uns als Basis sprechen.

Meike Schulz-Broers, „Land schafft Verbindung“

Die Kundgebungen sind Teil eines bundesweiten Aktionstags der Bauerninitiative „Land schafft Verbindung“, der sich innerhalb kürzester Zeit Zehntausende Landwirte angeschlossen haben. In 17 Städten hatte die Facebook- und WhatsApp-Gruppe zu Demonstrationen aufgerufen. Von der Protestbewegung überrascht wurde nicht zuletzt der Deutsche Bauernverband, der an der Organisation der Demonstrationen nicht beteiligt ist. Binnen kurzer Zeit hatten sich zehntausende Bauern in den Gruppen zusammengeschlossen.

Landwirte beklagen Bauern-Bashing der Grünen

Die Initiative beklagt vor allem „permanente negative Stimmungsmache“ und „Bauern-Bashing“, also die Diskriminierung und Diskreditierung ihres Berufsstandes. Das richtet sich vor allem gegen Umweltverbände, Politikern von SPD und Grünen sowie linksgrüne Medien, die konventionell arbeitende Landwirte als alleinigen Sündenbock für Schäden an Natur, Umwelt und Trinkwasser hinstellen. „Wir möchten, dass die Politik und Verbände mit uns als Basis sprechen“, sagte Meike Schulz-Broers vom Organisationsteam des Netzwerks „Land schafft Verbindung“. Das ständige „Bauern-Bashing“ führe zu Ärger und Frustration bei den Landwirten.

Zudem sind die Bauern verärgert, weil EU und Bundesregierung die Umweltauflagen und die Bürokratie in den vergangenen Jahren stetig verschärft haben. Die Landwirte kritisieren insbesondere das Agrarpaket der Bundesregierung, das von dem Aktionsbündnis als „ideologisch anmutend“ bezeichnet wird. Die Initiative befürchtet, dass es bäuerliche Familienbetriebe gefährdet. Auch eine Verschärfung der Düngeverordnung wird von dem Aktionsbündnis kritisiert, da diese mehr schade als nütze. Gleichzeitig stellen alljährlich Tausende von Bauern den Betrieb ein, weil sich Landwirtschaft immer weniger lohnt. Ein Symbol der Protestbewegung sind die grünen Kreuze, die viele Landwirte als Symbol ihrer Existenzängste auf Feldern und Wiesen aufstellen. Die aktuelle Politik gefährde Familienbetriebe, warnen die Bauern.

Landwirtschaft ist viel komplizierter als früher

Anders als vor einigen Jahrzehnten konkurrieren heute die europäischen Bauern bei offenen Märkten mit Landwirten aus der ganzen Welt. Um mithalten zu können, müssen sie möglichst kostengünstig Nahrungsmittel erzeugen, denn am Weltmarkt sind die Preise niedrig. Zusätzlich liefert sich der Lebensmittelhandel in Deutschland einen Preiskampf: Eine Handvoll Unternehmen übertrumpft sich gegenseitig mit Billigpreisen, das drückt zusätzlich auf die Erzeugerpreise der Bauern.

Es reicht! Das Bauern-Bashing hat endlich aufzuhören.

Artur Auernhamnmer, agrarpolitischer Sprecher der Bundestags-CSU

„Ich habe großes Verständnis für die Probleme und den Unmut auf den deutschen Höfen, betont der agrarpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Artur Auernhammer. Er unterstützt die unzufriedenen Landwirte: „Der heutige Protestauftakt ist ein deutliches Signal an die Gesellschaft und an uns, die Politik: Es reicht! Das Bauern-Bashing hat endlich aufzuhören. Ausgleichend und sachorientiert sind die landwirtschaftlichen Belange mit den gesellschaftspolitischen Herausforderungen zu lösen.“

CSU: Den Bauern die Hand reichen und handeln

Insbesondere wendet sich Auernhammer gegen immer strengere Vorschriften bei gleichzeitig sinkenden Einkommen der Bauern: „Die einseitige Belastung der Bauernfamilien muss aufhören. Wir brauchen eine auf naturwissenschaftlichen Fakten basierende Diskussion. Ich als CSU-Agrarpolitiker stehe bereit für den Austausch.“ Der CSU-Landwirtschaftsexperte stellt die besondere Bedeutung des Bauernstandes heraus: „Unsere deutschen Bauern sorgen dafür, dass wir als Verbraucher tagtäglich aus einem immer vollen Regal Lebensmittel höchster Qualität und Sicherheit konsumieren können. Daher ist es unsere Pflicht, für die berechtigten Interessen der Bäuerinnen und Bauern einzutreten. Ich sehe gerade jetzt die Bundesregierung und die Landesregierungen in der Pflicht, den Bauern die Hand zu reichen und zu handeln.“

Ein wahrer Überbietungswettbewerb in den ideologischen Lagern zeigt, dass Geld gegen die Landwirtschaft leichter verdient ist als in der Landwirtschaft.

Marlene Mortler, Landwirtschaftsexpertin der CSU-Gruppe im Europaparlament

„Ich bin tief betroffen, wie sehr sich die Verzweiflung auf den deutschen Höfen verbreitet hat“, sagt die die agrar- und ernährungspolitische Sprecherin der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Marlene Mortler. „Der heutige Protestauftakt ist ein deutliches Signal an unsere Gesellschaft und Politik: Es ist fünf Minuten nach Zwölf!“ Die aktive Landwirtin aus dem Nürnberger Land nennt die protestierenden Bauern „Landwirte mit Leib und Seele“: „Landwirte, die ihren Beruf von der Pike auf gelernt haben und die viel dafür tun, ihre Äcker noch nachhaltiger, noch ressourceneffizienter und noch umweltfreundlicher zu bewirtschaften.“

Gegen den grün-ideologischen Überbietungswettbewerb

Die Öffentlichkeit müsse endlich aufwachen, fordert Mortler: „Wenn wir wollen, dass auch in Zukunft familiengeführte bäuerliche Betriebe die Ernährung in unserem eigenen Land sichern und unsere wunderschöne Kulturlandschaft pflegen, dann muss uns das aufrütteln. Einseitiges Bauern-Bashing und Mobbing von Kindern aus der Landwirtschaft sind schlechte Beispiele.“ Vor allem lehnt die CSU-Agrarpolitikerin überzogene grün-ideologische Forderungen ab: „Ein wahrer Überbietungswettbewerb in den ideologischen Lagern zeigt, dass Geld gegen die Landwirtschaft leichter verdient ist als in der Landwirtschaft. Wir Politiker müssen daher Rückgrat zeigen – für unsere Bauern. Sie brauchen jetzt unseren ganzen Einsatz auf allen Ebenen, in Europa, im Bund und in Bayern.“

Ich mute den Landwirten Veränderungen zu, aber ich mache das nicht, ohne dass ich sie auch finanziell unterstütze.

Julia Klöckner (CDU), Bundeslandwirtschaftsministerin

Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) äußerte Verständnis für die Sorgen der Bauern. Zugleich wies die stellvertretende CDU-Chefin auf nötige Veränderungen in der Landwirtschaft hin. Klöckner erklärte im ZDF-Morgenmagazin, sie „mute den Landwirten etwas zu, Veränderungen, aber ich mache das nicht, ohne dass ich sie auch finanziell unterstütze mit Fördermaßnahmen“. Landwirte würden in der gesellschaftlichen Debatte oft als Tierquäler oder Umweltverschmutzer abgetan, sagte Klöckner. Das sei falsch. Trotzdem gebe es auch Erwartungen an die Bauern, beispielsweise bei der Sauberkeit des Grundwassers und der Einhaltung von EU-Regeln.

SPD-Ministerin hackt weiter auf Bauern herum

Wie zur Bestätigung der Bauernproteste schlug Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) erneut verbal auf die Bauern ein. Sie mahnte – ungeachtet der Proteste – noch mehr Schutz für Insekten in der Landwirtschaft an. Zur Begründung nannte sie den zahlenmäßigen Rückgang bei Feldvögeln. Kritik an Schulzes Äußerungen gab es vom FDP-Bundestagsabgeordneten Karlheinz Busen. „Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat gut reden, wenn sie mehr Insektenschutz von den Landwirten fordert – sie muss das ja nicht bezahlen“, sagte der Agrarpolitiker der dpa. Statt gegen die Landwirte zu regieren, müsse Schulze dringend mit Betroffenen sprechen. Sonst drohe die Stimmung auch hierzulande hochzukochen wie in den Niederlanden, sagte Busen. Dort hatte es zuletzt gewalttätige Proteste von Bauern gegeben.