Umweltschutz ist ein Merkmal konservativer Politik. (Bild: Imago/Blickwinkel/S.Derder)
Bilanz

Umweltschutz ist urkonservativ

Interview Einige CSU-Bundestagsabgeordnete treten am 24. September nicht mehr zur Wahl an. Sie blicken auf Jahrzehnte intensiver Arbeit für die Bürger zurück. Heute zieht der mittelfränkische Umweltpolitiker Josef Göppel eine Bilanz seiner Tätigkeit.

Herr Göppel, wie fällt nach 15 Jahren im Bundestag Ihre Bilanz aus?

Die Umweltpolitik der Union verläuft seit Jahrzehnten in Sprüngen. Es gibt mutige Entscheidungen wie zuletzt den sanften Donauausbau dank Seehofer und dann wieder massive Initiativen für mehr Flächenverbrauch. Ähnlich ist es bei der Energiewende. Bayerns Bürger investierten überdurchschnittlich in Solar, Wind und Biogas und holten viel Wertschöpfung in die ländlichen Räume. In der Koalitionsverhandlung 2013 ging dann ein ganz anderer Wind, der Ausbau erneuerbarer Energien wurde gebremst. 

Sie sind seit 1970 Mitglied beim Bund Naturschutz und seit 1991 Vorsitzender des Arbeitskreises Umweltpolitik (AKU). Sie gelten als „grünes Gewissen der CSU“. Mit Ihren Meinungen gehörten Sie nicht immer zum Mainstream der CSU-Programmatik. Wie sind Sie mit dieser Spannung umgegangen?

Seit 1970 bin ich auch Mitglied der CSU und kann damit auf 47 Jahre Parteizugehörigkeit zurückblicken. Mein Ziel ist bis heute ein Leben und Wirtschaften im Einklang mit der Natur auf der Basis christlicher Schöpfungsverantwortung. Spannungen blieben da in der Tat nicht aus. Anfangs hieß die Kritik Profilsucht, dann Starrköpfigkeit und schließlich Unfähigkeit zur Integration. Die politische Entwicklung gab mir aber oft Recht. Daraus wuchs eine gewisse Fachautorität.

Welchen Stellenwert hat die Umweltpolitik Ihrer Meinung nach in der CSU?

In der Union heißt es heute noch oft, die Wirtschaft müsse florieren, um sich Umweltschutz leisten zu können. Konjunktur geht dauerhaft aber nur mit Natur. Der haushälterische Umgang mit den Gütern der Erde ist ein urkonservatives Anliegen. Ohne glaubwürdige Schöpfungsbewahrung und wertkonservative Beständigkeit verflacht die CSU zu einer austauschbaren Wirtschaftspartei.

Wie sehen Sie im Nachhinein den Beschluss zum raschen Atomausstieg nach dem durch einen Tsunami verursachten GAU von Fukushima 2011?

Die Entscheidung war richtig. Die Oppositionsparteien verloren das Kampfthema Atomkraft. Wichtiger noch war das Signal an den Weltmarkt: Deutschland setzt auf erneuerbare Energien. Auf Made in Germany kann man in diesem Zukunftsmarkt am meisten vertrauen. Die Exporterfolge seither bestätigen das. Jüngstes Beispiel: Die Zusammenführung der Bekämpfung  von Fluchtursachen mit dem Aufbau dezentraler Elektrizität in Afrika durch Entwicklungsminister Gerd Müller. 

Sie haben 2014 selbst in Mittelfranken die Genossenschaft Regionalstrom gegründet. Wie fällt heute Ihre Bilanz der Energiewende aus – auch mit Blick auf den Geldbeutel derjenigen Bürger, die sich keine eigene Solaranlage leisten können?

Zunächst zur Genossenschaft Regionalstrom Franken: Sie bietet 46.000 Stromerzeugern in Mittelfranken einen gemeinsamen Verkauf ihrer Kleinmengen an die nächstliegenden Stadtwerke nach dem Ende der EEG-Vergütung an. Für Mieter wird es nach dem EEG 2017 möglich, Strom vom Mietshausdach ohne Netzkosten und Stromsteuer direkt zu beziehen. Das bringt erneuerbare Energien auch in die Stadt. Der Erfolg der Energiewende zeigt sich vor allem daran, dass bei NEUEN Kraftwerken Sonne und Wind heute die niedrigsten Gestehungskosten haben. Wer hätte vor 10 Jahren gedacht, dass PV-Strom für unter 7 Cent/kWh in unseren Breiten erzeugt werden kann?

Sie waren 21 Jahre lang Revierförster. Wie schätzen Sie die Entwicklung der Wälder in Deutschland ein? Den Begriff „Waldsterben“ hat man in den letzten Jahren kaum noch gehört…

Der Saure Regen wurde mit Kraftwerksfiltern und Katalysatoren wirkungsvoll bekämpft. Genauso wie die Rettung der Ozonschicht ist das ein Beispiel erfolgreicher Umweltpolitik. Die wichtigste Gefahr für den Wald sind heute lange Trockenheitsphasen und zunehmende Stürme.

Die früheren Monokultur-Nadelwälder – fränkisches Stichwort: Steckerleswald – werden von Ihren früheren Förster-Kollegen seit mehreren Jahren zum großen Teil zu Laub-Mischwäldern umgebaut. Ist das sinnvoll?

Mischwälder haben geringere Sturmschäden. Das können Sie selbst überall beobachten. Mischungen erreichen durch die bessere Ausnutzung des Standraums und der Kronenbelichtung auch einen höheren Gesamtzuwachs. Die bayerischen Forstleute achten darauf, dass an Nordhängen, in Mulden und auf tiefgründigen Börden die Fichte ihren Rang als Brotbaum behält.

Teile der Wälder werden neuerdings nicht mehr von Totholz „gesäubert“, sondern sich selbst überlassen, um Insekten und anderen Kleintieren mehr Lebensraum zu lassen. Was halten Sie davon? Besteht nicht die Gefahr, dass da beispielsweise größere Borkenkäfer-Kolonien heranwachsen?

Als Totholz bleiben nur Bäume in Althölzern stehen, von denen keine Borkenkäfergefahr ausgeht. Auf ihnen können sich auch die Feinde der Borkenkäfer entwickeln. In jüngeren Waldbeständen räumen die Förster bei den ersten Befallszeichen konsequent aus.

Nochmals zu Ihrer insgesamt 15-jährigen Abgeordnetentätigkeit: Was würden Sie als schwärzeste Stunde dieser Zeit bezeichnen?

Das war 2014 zu Beginn meiner vierten Amtsperiode. Die Landesgruppenführung entzog mir die Obmannfunktion im Umweltausschuss, weil ich dort mehrfach gegen Vorlagen der Unions/FDP-Koalition gestimmt hatte. In die Ausschüsse würden die Abgeordneten von ihren Fraktionen entsandt, hieß es zur Begründung. Deshalb müssten sie dort auch die Fraktionsmeinung vertreten. Andererseits findet sich in der Fraktionsordnung der CDU/CSU auch der Satz: „Es besteht kein Fraktionszwang.“

Und was war Ihre schönste Stunde, sozusagen ihre Sternstunde im Bundestag?

Meine schönste Stunde im Bundestag dauerte eine ganze Woche: Es war die Woche, in der Bundeskanzlerin Merkel nach dem Unglück in Fukushima im März 2011 die Energiewende herbeiführte. Das Schöne war, dass mich alle maßgeblichen Politiker der CSU damals ökologisch überholten.

Das Interview führte Wolfram Göll.