Der Vorsitzende des AK MIG, Ozan Iyibas. (Bild: CSU)
AK Migration

Die Wahrheit braucht ein schnelles Pferd

Mit der Asylkrise des vergangenen Jahres hat die Integrationspolitik höchste Aktualität bekommen. Bei der Landesversammlung des CSU-Arbeitskreises Migration (AK MIG) debattierten hochkarätig besetzte Runden über die religiösen und gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Deutschland und den Herkunftsländern der meisten Asylbewerber sowie über die Herausforderungen für den Arbeitsmarkt.

Der Besucherandrang war hoch bei der ersten Landesversammlung des Arbeitskreises Migration und Integration der CSU. Kein Wunder: Im Juli 2015 gegründet, organisierten sich die Migrations- und Integrationspolitiker der Christsozialen nur wenige Wochen vor Beginn des großen Flüchtlingsstroms im September. Seitdem ist die Arbeit des jüngsten Arbeitskreises der CSU schnell ins Zentrum der christsozialen Politik gerückt. Dementsprechend hochkarätig war auch die Liste jener Teilnehmer, die bei zwei Foren im Rahmen der Landesversammlung in München über die Herausforderungen der Integrationspolitik debattierten, darunter CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach, der Journalist Jan Fleischhauer und die Autorin Düzen Tekkal.

Größte Herausforderung seit der Wiedervereinigung

„Die Flüchtlingskrise war die größte gesellschaftliche Herausforderung seit der Wiedervereinigung“, betonte der AK MIG-Vorsitzende Ozan Iyibas in seiner Begrüßungsrede. Die CSU sei seit Beginn des Asylansturms aufgrund ihrer Vorschläge oftmals „in die populistische Ecke“ gestellt worden, betonte der Politiker. „Wir aber distanzieren uns entschieden von rechtspopulistischen Äußerungen, aber auch von linksdominierter Sozialromantik.“ Stattdessen müsste die CSU „klar in den Argumenten und besonnen in der Sprache“ sein.

Iyibas ging auch auf die Meinungsverschiedenheiten mit Kirchenvertretern in der Asylpolitik ein. „Geistliche argumentieren selbstverständlich mit Barmherzigkeit“, betonte er. „Aber die Politik muss bisweilen auch Entscheidungen treffen, die nicht allen passen.“

„Nennen Sie es Obergrenze, oder anders – wichtig ist eine Lösung“

Beim Thema Obergrenze warnte Iyibas davor, sich zu sehr an der Bezeichnung aufzuhängen. „Nennen Sie die Obergrenze anders, das ist egal. Wichtig ist, dass es eine Lösung gibt.“ Eine Begrenzung des Zuzugs ist in den Augen des AK MIG-Chefs ein wesentlicher Beitrag zu einer wehrhaften Demokratie und gelingender Integration.

Kritik an AfD

Bei seiner eigenen Partei sieht Iyibas in den kommenden Monaten die Aufgabe, sich besonders mit der AfD kritisch auseinanderzusetzen. „Wir müssen uns mit der Partei natürlich auseinandersetzen, weil auch Wähler der Unionsparteien dieser Partei zugetan sind. Da müssen wir mit klugen Argumenten alles daran setzen, um diese Personen zurückzugewinnen.“ Denn: Jede Stimme für die AfD ist in den Augen von Ozan Iyibas „auch eine Stimme für eine Rot-Rot-Grüne Bundesregierung“. Die Linke, das machte der CSU-Mann klar, sei „die linke Alternative der AfD“.

Jede Stimme für die AfD ist auch eine Stimme für eine rot-rot-grüne Bundesregierung.

Ozan Iyibas, AK MIG-Vorsitzender

Iyibas sprach sich zudem für eine Ausweitung der bundesdeutschen Entwicklungshilfe aus. „Wenn wir da nicht mehr Geld in die Hand nehmen, wird das Problem wie ein Boomerang zu uns zurückkommen.“ Für den AK MIG-Chef besteht gelingende Integration aus vier zentralen Säulen: „Wir setzen auf das Erlernen der deutschen Sprache, eine gute Bildung, eine Perspektive in der Arbeitswelt, sowie eine kulturelle und gesellschaftliche Teilnahme. Das müsse „nicht gleich der Trachtenverein“ sein, betonte Iyibas. Aber in Sportvereinen etwa könne hier ein Startpunkt liegen.

Türkei ist „gelenkte islamische Demokratie“

Deutliche Kritik äußerte Iyibas am Verhalten der Türkei. Seiner Meinung nach ist das Ergogan-Land mittlerweile zu einer „gelenkten islamischen Demokratie“ geworden. „Wir dürfen uns die Probleme der Türkei nicht importieren“, betonte der CSU-Politiker. „Die heutige Türkei, die keine Gewaltenteilung mehr kennt, die die Presse- und Meinungsfreiheit abgeschafft hat, sollte keinesfalls eine Visafreiheit oder gar eine EU-Mitgliedschaft bekommen.“ Doch die EU müsse sich auch intern verändern. „Wir müssen das Konstrukt der Europäischen Union grundlegend überdenken.“

Bosbach fordert neue Debattenkultur

In seinem Impulsvortrag forderte der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach, die Deutschland müsse aufhören, Debatten „um der Diskussion willen“ zu führen. Als Beispiel für diese „typisch deutsche Eigenschaft“ nannte er die jahrzehntelange Debatte über die Frage, ob Deutschland ein Einwanderungsland sei. Dabei machte Bosbach klar: „Die Diskussion darüber, ob Deutschland seine Grenzen schließen muss, geht an der Sache vorbei. Wir hatten noch nie ‚geschlossene Grenzen‘, bei denen es keine Migration gab“, machte der Rheinländer klar. Die deutsche Geschichte sei immer ein Ort des „Kommens und Gehens“ gewesen.

Wer hierzulande zur Zeit die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd.

Wolfgang Bosbach

Er warf einen Blick auf die Einwanderungspolitik der jungen Bundesrepublik in Zeiten des Wirtschaftswunders. Damals seien die Einwanderer, „aus Italien, dem ehemaligen Jugoslawien und auch der Türkei“ mit Begeisterung aufgenommen worden – bis die Regierung Willy Brandts damals einen Anwerbestopp erließ, weil die Bundesrepublik eine Arbeitslosigkeit von mehr als einem Prozent aufwies. Daraus schlug er eine Brücke in die Gegenwart. Damals seien viele Menschen in der Annahme nach Deutschland gekommen: „Wir kommen hierher, wir arbeiten, und dann gehen wir wieder nach Hause.“ Für viele dieser Menschen aber sei Deutschland mit den Jahren zur Heimat geworden – „und für deren Kinder ist das Heimatland der Eltern nur noch ein Urlaubsland.“

„Die Menschen kommen nicht wegen der Arbeit“

Heute aber würden die Menschen, die nach Deutschland kämen, nicht der Arbeit wegen, sondern „aus humanitären Gründen“ die Reise antreten. In der Bundesrepublik werde geltendes Recht nicht angewendet, stellte Bosbach klar: „Seit 1993 gilt in Deutschland die Regelung, dass Asylanwärter, die über den Landweg ins Land kommen und einen Asylantrag stellen, zurückzuweisen sind.“ Der Grund hierfür sei so simpel wie einleuchtend: „Um uns herum sind nur sichere Staaten, in denen die Anwärter keinen Asylantrag gestellt haben.“ Das aber, so betonte der CDU-Mann, sei eine Wahrheit, die man aktuell nicht so ohne Weiteres äußern könne. „Wer hierzulande zur Zeit die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd“, sagte Bosbach unter Applaus. Ändern werde er sich dennoch nicht: „Wer in Deutschland Probleme einfach totzuschweigen versucht, macht das Problem dadurch größer.“ Es sei ein legitimes Interesse der Bundesrepublik, stets wissen zu wollen, „wer zu uns kommt und warum“.

Lob für Bayerns Ehrenamtliche, Kritik an der EU

Bosbach lobte ausdrücklich das ehrenamtliche Engagement der bayerischen Bevölkerung bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise. „Ohne diesen Einsatz wären die behördlichen Stellen zusammengebrochen“, sagte der CDU-Politiker. „Wir waren von staatlicher Seite auf diesen Ansturm nicht ausreichend vorbereitet.“

Noch nicht einmal die einfachsten Arbeiten können problemlos erledigt werden, wenn man nicht dieselbe Sprache spricht.

Jan Fleischhauer

Deutliche Kritik übte Bosbach an der EU: „Was haben die in Brüssel nicht schon alles beschlossen, und nichts davon ist umgesetzt worden“, schimpfte der CDU-Mann. Deutschland habe im vergangenen Jahr knapp die Hälfte aller Flüchtlinge aufgenommen, die nach Europa gekommen waren. Sieben Staaten hingegen hätten dagegen weniger als 1000 Menschen aufgenommen. „Wer das deutlich anspricht, der hat Recht mit dem, was er sagt“, betonte Wolfgang Bosbach, der nach seiner Rede langen Applaus erntete.

Diskussionsrunden zum Thema Integration

Im Anschluss an Bosbachs Rede fanden zeitgleich zwei Diskussionspanels unter Moderation der Landtagsabgeordneten Markus Blume und Alex Dorow statt. Während Dorows Runde mit Gästen wie dem Journalisten Jan Fleischhauer und der Autorin Düzen Tekkal unter dem Überbegriff „Integration“ diskutierte, sprach Blume mit Pfarrer Bodo Windolf oder dem Integrationsexperten der Hanns-Seidel-Stiftung, Philipp Hildmann, über die Aspekte der verschiedenen Religionen und wie sie Integration fördern oder behindern können.

Dabei machte etwa SPIEGEL-Autor Jan Fleischhauer deutlich, dass das Erlernen der deutschen Sprache unerlässlich sei für eine gelingende Integration von Neubürgern in den deutschen Arbeitsmarkt. „Noch nicht einmal die einfachsten Arbeiten können problemlos erledigt werden, wenn man nicht dieselbe Sprache spricht.“ Düzen Tekkal wies hingegen darauf hin, dass der religiöse Hintergrund – und im Fall des Islams die damit teilweise verbundene Mitgliedschaft in einem Islamverband – in vielen Fällen ein echtes Integrationshindernis darstelle. „Da müssen die Islamverbände auch von sich aus mehr tun“, betonte die Friedensaktivistin.