Bildungskongress der CSU: Eröffnung durch Otto Lederer MdL, Landesvorsitzender des Arbeitskreises Schule, Bildung und Sport. (Foto: Wolfram Göll)
CSU-Bildungskongress

Auch bei Digitalisierung steht der Mensch im Mittelpunkt

Wie sollen Schulen mit dem weltweiten Megatend Digitalisierung umgehen? Während die Wirtschaft schon die „Industrie 4.0“ ausgerufen hat, hinken Schulen in der Ausstattung und Anwendung moderner Technologie noch hinterher. Diese Zukunftsfrage hat der CSU-Arbeitskreis Bildung, Schule und Sport beim CSU-Bildungskongress in Bamberg diskutiert.

In der Wirtschaft wird die Digitalisierung als vierte industrielle Revolution begriffen – nach der Dampfmaschine, dem Fließband und der Automatisierung wird nun bereits die „Industrie 4.0“ ausgerufen. Schulen und Bildungseinrichtungen dürfen und können sich dem Trend nicht verschließen, aber müssen das richtige Augenmaß bewahren.

Denn auch im digitalen Zeitalter ist der Mensch zu allererst ein analoges Wesen. Der Mensch als ganzheitliches Wesen muss immer im Mittelpunkt der Politik wie auch der Bildungsarbeit stehen. Daran erinnerte der CSU-Arbeitskreis Schule, Bildung und Sport beim Bildungskongress der CSU in Bamberg und schlug einen pragmatischen Mittelweg zwischen Technik-Euphorie und grundsätzlicher Technik-Skepsis vor.

Digitalisierung hat Charakter eines Naturereignisses

Der Landesvorsitzende des CSU-Arbeitskreises, der Landtagsabgeordnete Otto Lederer, betonte, die Digitalisierung habe eher den Charakter eines Naturereignisses. Alle Menschen nutzten die modernen Techniken ganz selbstverständlich. „Der Fortschritt verändert unser Leben allgemein“, so Lederer. Er eröffne Chancen für Schulen, Schüler und Lehrer. Mehr noch: Die Veränderungen beträfen alle Wirtschaftsbereiche, Dienstleister, Handwerker, die Medizin.

Man müsse darüber diskutieren, was das für die Schule bedeutet. „Die einen, die Euphoriker, wollten Tafel und Kreide ganz abschaffen und nur noch Tablets und Laptops für alle Schüler verwenden“, so Lederer. Die Vorteile seien klar: Ressourcenschonung, Flexibilität für Schule, Lehrer und Schüler, man könne schneller Arbeitsmaterial und an die Schüler geben, Mitschriften seien problemlos verteilbar. „Der Unterricht wird vielseitiger und individueller möglich“, so Lederer.

Skeptiker befürchten „Digitale Demenz“

Andererseits führten die Skeptiker an, dass bereits die Erstausstattung der Schulen einen hohen Finanzeinsatz bedeute, sagte der Landesvorsitzende. Schulen in ärmeren Gegenden und ärmere Eltern könnten das Geld dafür kaum aufbringen. Und oft stünden schon jetzt Geräte an den Schulen ungenutzt herum. Außerdem fürchteten Skeptiker den Verlust von Lesen und Schreiben als Kulturtechniken.

In der Tat aktiviere das Schreiben mit der Hand bestimmte Hirnareale, die wichtig seien für Lernen und kreatives Denken, sagte Lederer. Skeptiker befürchteten daher eine „digitale Demenz“ und befürchteten, der Computer bringe die Menschen buchstäblich um den Verstand und mache eine größere Verarbeitungstiefe von Informationen nicht möglich. Daher komme es beim Einsatz digitaler Medien auf das Alter an, und gehörten aus Kindergarten und Schule verbannt, so die Skeptiker.

Die Wahrheit indes liege in der goldenen Mitte, so Lederer. „Ich bin Pragmatiker. Ich wäge Vor- und Nachteile ab.“ Die Politik müsse das Ziel haben, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und die Nachteile zu minimieren. Schüler müssten optimal gefördert werden. „Entscheidend ist der Mehrwert, den wir erreichen können“, so Lederer. Die jungen Menschen sollten zunächst in die analoge Welt hineinwachsen und dann mit digitaler Welt vertraut werden.

Digitale Revolution durchdringt alle Bereiche

Kultus-Staatssekretär Georg Eisenreich nannte die Digitalisierung einen „weltweiten Megatrend, der alle Menschen berrifft und alle Lebensbereiche durchdringt – und das mit einer Wucht, die sich viele noch nicht vorstellen können“. Man werde neue Firmen und Geschäftsmodelle erleben, die heute noch keiner kenne.

Und bedeutende Firmen, die heute groß auf dem Markt sind, würden verschwinden. Dabei werde das Auto ein großes Thema sein, von dem jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland abhänge. „Mobilität wird es immer geben, aber wird die Wertschöpfung noch bei den Autoherstellern sein?“, so Eisenreich. Die vier Software- und Internet-Konzerne Amazon, Microsoft, Google und Facebook seien heute mehr wert als der gesamte Deutsche Aktien-Index DAX.

Frage der Rechte und Werte kommt bei digitaler Revolution zu kurz

Die Politik müsse sich fragen, wie sie den Wandel gestalten wolle. „Es macht einen großen Unterschied, wie wir sie umsetzen. China wird sie anders umsetzen als der soziale und demokratische Rechtsstaat Deutschland. Auch die USA werden die Digitalisierung anders umsetzen als wir“, so Eisenreich. Da die Digitalisierung vor allem technologiegetrieben sei, werde erstmal das gemacht, was möglich sei.

„Die Frage der Rechte und Werte kommt zu kurz“, so Eisenreich. Auf der Welt sei es wie im Wilden Westen, es böten sich eine Masse an Chancen. Aber Recht und Gesetz seien auch im Wilden Westen erst später gekommen. „Wenn wir die Digitalisierung nicht gestalten, werden wir große Probleme gekommen“, warnte Eisenreich.

Droht ein Daten-Prekariat?

Es drohe eine neue Teilung der Welt in diejenigen, die einen Netzanschluss haben und die, die keinen haben. „Die einen, die Kompetenz haben, damit umzugehen und die anderen, die die Kompetenz nicht haben“, so der Kultus-Staatssekretär.

Der Chaos-Computer-Club Hamburg habe bereits vorhergesagt, es werde ein Daten-Prekariat geben: Diejenigen, die mit mit dem neuen Rohstoff nicht umgehen können. Beispielsweise drohe eine digitale Hürde beim Eintritt in jeden Beruf: „Kommt man bei Bewerbungen künftig an der automatischen Selektion durch Algorithmen noch vorbei?“ Das Thema sei „gewaltig, wuchtig, disruptiv“, so Eisenreich.

Im Mittelpunkt steht weiterhin der Mensch

Für die CSU heiße das: „Das Menschenbild und die Bildungsziele der bayerichen Verfassung werden sich dadurch nicht ändern“, sagte der Kultus-Staatssekretär. „Unser Ziel ist es weiterhin, Menschen zu bilden, die optimistisch sind, neugierig sind, die ethisch handeln können.“ Man brauche weiterhin den ethisch verantwortlichen Menschen, sowohl bei den Entwicklern als auch den Nutzern. Eisenreich: „Der Mensch muss weiterhin im Mittelpunkt stehen und nicht die Technik.“

Dabei bestehe die Herausforderung, dass die Menschen in der digitalen Welt weiterhin frei handeln könnten und nicht eingeschränkt sind durch Technik und Algorithmen. „Neben Lesen, Schreiben, Rechnen wird der Umgang mit digitaler Technik die vierte grundlegende Kulturtechnik sein. Wer nur das wiedergeben kann, was Google auf der ersten Seite ausspuckt, und das unreflektiert wiedergibt, das kann nicht unser Bildungsideal sein“, so Eisenreich.