Kunst und Politik: Abgeordneter Oliver Jörg mit Gattin Judith im Würzburger "Kulturspeicher". (Foto: O.Jörg)
Kultur

Mit Abstand am besten

Viel ist in der Landespolitik die Rede vom Wert der Heimat. Im Landtag setzt sich der Würzburger Abgeordnete Oliver Jörg für die spezifisch bayerische Kultur ein – zwischen Staatstheater in der Stadt und Trachtenvereinen draußen im Freistaat.

Im Parlament fliegen die Tiraden hin und her. Umfänglich empört sich der Chef der Freien Wähler im Bayerischen Landtag über Widersprüche in der Flüchtlingspolitik. Woraufhin ihn ein CSU-Parlamentarier aus dem Plenum schilt: „Was für ein Geschwafel.“ Humoriges Gebrumm von den Bänken der Regierungspartei. Erheitert blickt dort, in Reihe 3 auf Platz 3, einer auf, den der Aufruhr zwischen Opposition und Mehrheit bislang wenig tangiert hat: Oliver Jörg, 45, Direktabgeordneter aus dem Stimmkreis Würzburg-Stadt, der während der Debatte auf seinem Laptop herumgetippt hat.

Seine Augen folgen dem Freie-Wähler-Vorsitzenden Aiwanger, der einen roten Kopf bekommt, empört Richtung CSU schimpft und sich schließlich auf seinen Sitz verzieht. Jörg tauscht eine Bemerkung mit Banknachbar Gerhard Waschler aus, grinst und wendet sich wieder seinen Unterlagen zu. Die Diskussion im Landtag findet zurück zu ruhigerer Routine: Es geht an diesem Dienstag um eine Neuordnung des Polizeigesetzes, die Finanzierung von Frauenhäusern, Grippeschutz-Impfungen, Feuerwehrschulen – und um eine Lockerung des Handy-Verbots an bayerischen Schulen. Der Abgeordnete Jörg ist „ganz froh“, wie er es formuliert, dass er nicht zum Telefon-Thema sprechen soll. „Da steh ich nicht hundert Prozent zur Fraktionsmeinung“, erklärt er in einer Sitzungspause, in der er im Landtagsrestaurant einen Salat verspeist.

Tradition und Hochkultur

Viel ist in der Landespolitik zur Zeit die Rede von der Heimat, dem Wert der Traditionen, der Bedeutung von Bildung, Kunst und Kultur. Der Abgeordnete aus Unterfranken steht mit seinen politischen Leidenschaften für diese Themen. Stellvertretend leitet Jörg im Landtag den Ausschuss für Wissenschaft und Kunst. Kritisch begleitet er dabei große Vorhaben wie den Bau eines neuen Konzerthauses in München durch den Freistaat. Für das mindestens 380 Millionen Euro teure Prestigeprojekt propagiert er ein Leitungsmodell mit Intendanten. „Wegen des künstlerischen Bogens, den es zu spannen gilt“, sagt Jörg. Das Haus solle nicht nur dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks als neue Spielstätte dienen, sondern auch Orchester wie die aus Bamberg, Hof und anderen bayerischen Städten in die Landeshauptstadt holen.

Das Besondere an Bayern ist der gesellschaftliche Zusammenhalt. Der speist sich aus den Vereinen, der Vielfalt an Kultur-Einrichtungen.

Oliver Jörg, MdL

Überhaupt versteht der Kulturpolitiker Jörg sich als Vertreter der Kunstinstitutionen, die fern der Metropole blühen. „Trachtenvereine, Blasmusik, Chöre, Festivals und 1.300 Museen: Sie alle gibt es draußen auf dem Land. Aber sie haben keine gemeinsame Lobby“, gibt er zu Bedenken. Für die kulturelle Identität seien sie in Altbayern aber ebenso wichtig wie in Franken oder Schwaben. „Das Besondere an Bayern ist der gesellschaftliche Zusammenhalt“, findet Jörg. Und der speise sich auch aus den Vereinen, aus der Vielfalt an kleinen und großen Kultureinrichtungen.

Künstler im Parlament

Der Abgeordnete achtet sehr auf seine Unabhängigkeit. „Distanz zum politischen Betrieb zu wahren, ist mittlerweile eine Frage der Übung“, versichert er. Direkt gewählte Stimmkreis-Abgeordnete seien „ein Stück weit freie Künstler“. Der geistige Abstand des Volksvertreters aus Würzburg zum Politbetrieb hat einiges zu tun mit der räumlichen Entfernung seines Wahlkreises zum Machtzentrum München. Noch mehr speist er sich aber aus seinem für Christsoziale ungewöhnlichen Lebensweg: Jörg stammt aus Aalen in Baden-Württemberg, studiert hat er in Passau. Jura. Während der Uni-Zeit ist der Katholik im Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) zu dessen bayerischem Vorsitzenden aufgestiegen. „Meine schwäbische Heimat war damals schon schwarz und grün. Die CSU in ihrer Strauß-Gauweiler’schen Prägung hat mich nicht von Anfang an elektrisiert“, erinnert er sich. „Die liebenswerte Nachhaltigkeit Waschlers“ habe ihn in die Partei gebracht. Der Passauer Kreisvorsitzende warb um das politische Talent Jörg. Heute sitzt sein Mentor Waschler direkt neben ihm im Landtag.

Wenn ein Euro in eine klassische Einrichtung in München fließt, müsste derselbe Betrag aufs Land kommen.

Oliver Jörg, MdL

Schon als Schüler hat er Latein, Griechisch, Hebräisch gelernt, während des Studiums sogar noch Arabisch. Seit der Jahrtausendwende lebt er in Würzburg, ist verheiratet mit seiner von dort stammenden Frau Judith. Inzwischen ist der einst widerstrebende CSUler zum Kreisvorsitzenden Würzburg-Stadt aufgestiegen. Nebenher fungiert er als Anwalt für die Kanzlei „Bendel & Partner“.

Smartphone in Schülerhand

Auch seine Gattin hat es als Stadträtin in die Politik gezogen. Aus seinen Erfahrungen in der Familie bezieht der dreifache Vater eine liberale Lebenseinstellung. Das führt zu Standpunkten, die auch mal von der Mehrheit seiner eigenen Fraktion abweichen, beispielsweise zum Thema Smartphone in Schülerhänden. „Ab der 11. Klasse können Jugendliche selbst abwägen, ob sie moderne Kommunikationsmittel gebrauchen. Und in der großen Pause können schon Siebtklässler für sich entscheiden, ob es nicht Quatsch ist, jetzt zu zocken.“ Da ist Jörg ganz pragmatisch – schon weil sein Ältester, Benjamin, 18, gerade am Abitur arbeitet, und das Handy keineswegs sein kniffeligstes Problem darstellt. Auch weil seine Mittlere, Emily, 13, ihr Telefon für Papas Gefühl eher zu oft ausschaltet. „Meistens telefoniere ich ihre Freundinnen ab und hoffe, dass sie danebensteht.“

Für die CSU spricht zum Reizthema an diesem Tag im Februar freilich ein Fraktionskollege Jörgs im Landtag. „Klare Regeln“ fordert Manfred Ländner für die Zulassung von Telefonen und Tablets in der Schule. Wenngleich er anregt, „zwischen Berufsschule, Gymnasium, Oberstufe, Mittelstufe und Grundschule eventuell zu unterscheiden“. Gar nicht mehr so weit weg von Jörgs persönlicher Ansicht.