Der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion, Thomas Kreuzer, wünscht sich eine breite Diskussion über die Leitkultur. Bild: CSU
Klausur in Kreuth

CSU will Verpflichtung auf Leitkultur in der Verfassung verankern

Zuwanderer sollen nach dem Willen der CSU-Landtagsfraktion stärker auf unsere Grundwerte verpflichtet werden. Auf ihrer Klausur in Wildbad Kreuth wollen die Abgeordneten diskutieren, wie man die "Leitkultur" in Bayern und Deutschland definieren könnte – und diese dann in der Verfassung festschreiben. In Deutschland sprechen sich 90 Prozent für eine Verpflichtung auf die deutschen Grundwerte aus.

Bayerns Verfassung soll künftig eine Verpflichtung für Zuwanderer enthalten, die deutschen Grundwerte zu achten. Dazu sollen Kernsätze der Leitkultur in der bayerischen Verfassung verankert werden. So steht es in einer Resolution, die die CSU-Landtagsfraktion für ihre Klausur in Wildbad Kreuth erarbeitet hat. Die CSU will damit die Leitkultur zur Grundlage der Integrationspolitik zu erheben. Sie soll ein konkretes Staatsziel werden.

Der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion, Thomas Kreuzer, sagte zu Beginn der Klausur dem „Münchner Merkur“, seine Fraktion werde „den Vorschlag einer Verfassungsänderung“ im Bayerischen Landtag einbringen. „Die Integration der Zuwanderer wird uns über viele Jahre beschäftigen“, erklärte Kreuzer. „Die Einbeziehung der Bürger ist entscheidend für den Erfolg.“

Eine Verfassungsänderung hat mehr Wucht als ein Gesetz. Wir nehmen uns die nötige Zeit dafür.

Thomas Kreuzer, Vorsitzender der CSU-Landtagsfraktion

Sollte das Vorhaben die für eine Verfassungsänderung im Landtag nötige Zwei-Drittel-Mehrheit verfehlen, will die CSU eine Volksbefragung initiieren. Diese soll durch eine Vielzahl von Informationsveranstaltungen flankiert werden. „Allein die Debatte wird uns gesellschaftlich weiter bringen und eine klare Erwartungshaltung an die Migranten formulieren“, sagte Kreuzer. „Eine Verfassungsänderung hat mehr Wucht als ein Gesetz. Wir nehmen uns die nötige Zeit dafür.“

Zehn Regeln für ein gelingendes Miteinander

Unter Leitung des Landtagsabgeordneten und Vorsitzenden der CSU-Grundsatzkommission, Markus Blume, hat die Fraktion Eckpunkte für die geplante Verfassungsänderung erarbeitet und definiert, was eine Leitkultur ausmacht. In der entsprechenden Resolution heißt es, eine offene Gesellschaft und das Zusammenleben darin funktioniere deshalb, weil es eine gemeinsame Wertebasis und einen klaren Ordnungsrahmen gebe. Erfolgreich könne in dieser Gesellschaft nur leben, wer „seinen Alltag nach den Grundregeln eben dieser Gesellschaft“ gestalte und sich nicht in Parallelwelten abschotte.

Eine Leitkultur sei nichts Verordnetes, schreiben die CSU-Abgeordneten, sondern etwas Gelebtes: „Sie speist sich aus der stillen Übereinkunft der Bürgerinnen und Bürger, welche Grundregeln ihnen für das Zusammenleben in unserem Land besonders wichtig sind.“ Genau wegen dieser Art und Weise des Miteinanders lebten die Menschen gern in Bayern, Deutschland und Europa. Erst diese verbindende Werte schafften Vertrauen. „Nur wenn eine Gesellschaft klar regelt, was gut und richtig ist, werden ihr ihre Mitglieder vertrauen. Dafür braucht sie eine Verständigung auf verbindliche Werte. Bürgerliche Leitkultur ist deshalb eine Wertekultur, die auf der freiheitlichen demokratischen Grundordnung fußt.“

Weiter heißt es: „Die Grundregeln müssen auf ein tragfähiges Zusammenleben ausgerichtet sein. Sie richten sich deshalb nicht nur an Zuwanderer; sie regeln das Zusammenleben aller. Diese Grundregeln des gelingenden Miteinanders in der offenen Gesellschaft: das ist unsere bürgerliche Leitkultur.“

Gelingende Integration ist nicht das Treffen in der Mitte. Die Menschen, die zu uns kommen, müssen sich an unsere Werteordnung halten.

Marcel Huber, CSU

Die CSU-Landtagsfraktion hat zehn „Grundregeln“ definiert, auf  die es beim Zusammenleben in Deutschland ankommt:

  1. „Deutsch“ ist die Sprache des öffentlichen Lebens und das Tor zur Integration! Viele Menschen in unserem Land verstehen, lesen oder sprechen sogar mehr als eine Sprache. Wichtig für ein gedeihliches Zusammenleben ist, dass sie vor allem eine gemeinsame Sprache sprechen, nur dann können sie sich gegenseitig verständigen und gegenseitig Verständnis für ihre Gedanken, Einstellungen und Lebensführung entwickeln. Deutsch ist die verbindliche Sprache im öffentlichen Raum – keine andere.
  2. Jeder muss sich an Recht und Gesetz halten! Gesellschaftliche Vielfalt kann sich nur entfalten, wenn alle dasselbe unter Recht und Gesetz verstehen. Rechtssetzung, Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung sind ausschließlich staatliche Aufgaben. Für Paralleljustiz, die beispielsweise aus dem Recht der Familie, aus Clandenken oder aus der Scharia folgt, ist bei uns kein Platz. Das Gewaltmonopol hat der Staat! Nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts muss gelten. Dazu gehört auch die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, die sexuelle Selbstbestimmung und die Achtung des Eigentums anderer. Gesetzestreue steht immer über kulturellen Traditionen, religiösen Verhaltensregeln oder auch persönlichen Einstellungen. Keiner darf sich über oder außerhalb des Gesetzes stellen, jeder muss sich danach richten.
  3. Das christlich-jüdisch-abendländische Wertefundament ist für unser Zusammenleben bindend! Die christlich-jüdisch-abendländischen Werte in der Tradition der Aufklärung sind nicht nur für religiöse Menschen da. Sie sind vielmehr die Grundlage unseres Zusammenlebens. Die Würde des Menschen, seine Einzigartigkeit und die freiheitliche Selbstbestimmtheit jeder Person sind die gedanklichen Grundlagen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Ohne das Bekenntnis zu diesen zentralen Werten wird unser demokratisches Zusammenleben zur bloßen institutionellen Hülle. Deswegen müssen alle Menschen in unserem Land – ob und egal welcher Religion sie angehören – diese Werte kennen und achten. Dazu gehört auch, unsere Haltung zum Schutz unserer Umwelt zu verinnerlichen. Wir tragen Verantwortung für die Schöpfung und stehen für nachhaltiges Wirtschaften und den Erhalt und die Sicherung unserer natürlichen Lebensgrundlagen.
  4. Auch Religionsfreiheit ist nicht schrankenlos! Bei uns sind Religion und Staat klar getrennt: Es hat weder eine Staatsreligion Platz noch eine von einem anderen Staat gesteuerte Religion. Die Trennung von Religion und Staat ermöglicht überhaupt erst Religionsfreiheit. Dieses höchst persönliche Grundrecht kennt freilich auch Grenzen, beispielsweise in der Schule, wo der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag Vorrang hat vor religiösen Einstellungen. Religiöse Überzeugungen können niemals Bildung ersetzen. Wir werden deshalb nicht zulassen, dass Errungenschaften wie die staatliche Schulpflicht gelockert werden. Der Staat und nicht ein Hauslehrer oder die Koranschule setzt den Rahmen, bestimmt die Lehrpläne und die Prüfungsordnungen.
  5. Kulturelle Traditionen und Freiheiten müssen respektiert werden! Kulturelle Traditionen bringen Menschen zusammen, geben unserem Leben zum Beispiel durch Sonn- und Feiertage einen gesunden Takt und sind Ausdruck für das, was uns im öffentlichen Leben wichtig ist. Wir leben unsere Traditionen – gerne auch gemeinsam mit Zuwanderern. Selbstverständlich verlangen wir von niemandem, mit seinen Kindern am Martinsumzug teilzunehmen oder die Oper zu lieben – aber jeder, der bei uns leben will, muss es als Teil des öffentlichen Lebens akzeptieren. Wir wollen niemanden in Lederhosen oder Dirndl zwängen oder vorschreiben, welche Musik sie oder er zu hören hat. Aber wir werden das Martinsfest auch nicht in Sonne-Mond-und-Sterne-Fest umbenennen oder unseren Kultureinrichtungen vorschreiben, ihre Aufführungen an die Ordnungsvorstellungen anderer kultureller Traditionen anzupassen.
  6. Alltägliche Umgangsformen sind Ausdruck von Respekt! Nicht nur Traditionen, sondern auch vertraute Umgangsformen begleiten unseren Alltag, geben unserem Miteinander Struktur und lassen Wichtiges selbstverständlich werden. Wir sind es gewohnt, andere Menschen mit einem Händedruck zu begrüßen und uns mit einem Gruß zu verabschieden, schwächeren Menschen unsere Hilfe anzubieten oder fremden Menschen offen und nicht hinter einem Schleier verborgen zu begegnen – egal ob wir dabei Männern oder Frauen, Älteren oder Jüngeren gegenüberstehen. Dabei geht es uns nicht um beiläufige Höflichkeitsfloskeln, sondern darum, unseren Mitmenschen Respekt und Verständnis entgegenzubringen. Nicht Verborgenheit und Misstrauen, sondern Offenheit und Respekt sind für das Gelingen unseres Zusammenlebens elementar. Diese Haltung erwarten wir von allen Menschen in unserem Land: egal, ob es um den Respekt vor einer Frau als Polizistin, die Akzeptanz des Schwimmunterrichts für Jungen und Mädchen oder das Verständnis, sich nicht hinter einer Burka zu verbergen, geht.
  7. Unser solidarisches Zusammenleben besteht aus Rechten und Pflichten! Selbstverantwortung des Einzelnen und Solidarität in der Gemeinschaft – dieses Zusammenspiel prägt unser Sozial- und Wirtschaftsleben. Nur weil Deutschland als Solidargemeinschaft funktioniert, sind innere Sicherheit und soziale Sicherheit gewährleistet. Zunächst einmal ist jeder für seinen persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Weg selbst verantwortlich. Das heißt natürlich nicht, dass alle Menschen danach streben müssen, Klassenbester zu werden. Aber wir erwarten von jedem Einzelnen in unserem Land einen Beitrag zu seinem eigenen Lebensunterhalt – und für die Solidargemeinschaft. Besondere Anerkennung bringen wir dabei Menschen entgegen, die sich durch ihren ehrenamtlichen Einsatz zusätzlich in unsere Gesellschaft einbringen. Wer sich dagegen nur auf die Solidargemeinschaft verlassen will und diese ausnützt, verstößt gegen die Leitkultur.
  8. Unsere geschichtlichen Erfahrungen sind Auftrag! Unsere Sprache, unsere Kultur, unsere geographische Lage und unsere wirtschaftliche Entwicklung haben Deutschland nicht nur zu einem Nationalstaat werden lassen, sondern auch unser Selbstverständnis in Europa und der Welt maßgeblich geprägt. Deshalb stehen wir international für eine vermittelnde Rolle und vor allem auch für eine lebendige Europäische Union. Gerade aus den dunklen Kapiteln unserer Geschichte haben wir dabei unsere Lehren gezogen. Die Erfahrungen der schrecklichen Verbrechen der Nazi-Diktatur sind uns fortwährender Auftrag: nie wieder! Deswegen liegt auch das Existenzrecht Israels im elementaren deutschen Interesse. Wir erwarten von allen Menschen in Deutschland, dass sie die Geschichte unseres Landes nicht ignorieren oder Ereignisse daraus abstreiten, sondern die richtigen Lehren daraus ziehen.
  9. Die Interessen unseres Landes gehen vor! Wer bei uns dauerhaft leben will, muss sich mit dem Land soweit identifizieren, dass er versteht: Hier sind nicht die Interessen seines Heimatlandes ausschlaggebend, sondern die seines Gastlandes. Unsere eigenen Interessen: das umfasst die bayerischen Anliegen, die deutschen Anliegen, aber auch die Anliegen der europäischen Integration. Damit wird auch klar: bei uns in Deutschland ist kein Platz für Stellvertreterkriege!
  10. Auch Toleranz will geübt sein! Leben in einer freiheitlichen Gesellschaft bedarf der Kraft, auch die Freiheiten anderer auszuhalten: nämlich andere Meinungen, andere Glaubensüberzeugungen, andere politische Einstellungen und auch andere Lebensentwürfe. Nur weil einem etwas gegen seine Überzeugungen geht, kann man daraus nicht den Anspruch ableiten, dass es nicht stattzufinden hat. Dafür braucht es Toleranz. Umgekehrt darf Toleranz bei uns nicht verwechselt werden mit Beliebigkeit oder Regellosigkeit; auch das wäre ein Missverständnis in einer offenen Gesellschaft. Um dies klar zu machen und zu üben: darum braucht es die Grundregeln der Leitkultur.

Die CSU-Fraktion schreibt, sie erwarte, dass Zuwanderer, „Ja“ sagten zu dieser Leitkultur. Dies erfordere eine Anpassungsleistung an die Grundregeln in unserem Land. Dabei wolle man den Migranten durch Sprach- und Integrationskurse helfen. Verweigerten diese sich den Maßnahmen, solle das zu Kürzungen bei Sozialleistungen führen können. Komme es zu besonders schwerwiegenden Verstößen, insbesondere bei erheblichen Straftaten, könnten Zuwanderer auch ihren Aufenthaltsstatus verlieren. Die Orientierung an den Grundregeln der Leitkultur“, so heißt es in der Resolution, „soll für uns auch Maßstab für die Gewährung eines dauerhaften Bleiberechtes werden.“

90 Prozent der Deutschen sagen: Wer bleiben will, muss unsere Werte anerkennen

Die Forderung, Flüchtlinge, die in Deutschland bleiben wollen, auf die deutschen Grundwerte zu verpflichten, wird von einer überwältigenden Mehrheit der Bundesbürger unterstützt. 90 Prozent der Deutschen befürworten dies. So das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts dimap im Auftrag des Bayernkurier im Januar. Hinsichtlich dieser Frage herrscht in allen Bevölkerungsgruppen Einigkeit. Die regionalen Unterschiede fallen dabei marginal aus: In Westdeutschland sprechen sich 90 Prozent und in Ostdeutschland 92 Prozent für eine Verpflichtung auf die deutschen Grundwerte aus. Auch die Anhänger von SPD (84 Prozent), Grünen (88 Prozent) und Linken (86 Prozent) halten dies für richtig.