Die Politik ringt um die richtigen Konsequenzen aus den sexuellen Übergriffen und Raubüberfallen von Köln und anderen Städten in der Sylvesternacht. Bild: Imago/Sepp Spiegl
Sexuelle Übergriffe

Schutz der Bevölkerung muss Vorrang haben

Nach den sexuellen Übergriffen auf Frauen in Köln nimmt die Kritik an der Polizei zu. Zwei interne Berichte belegen, dass die Verantwortlichen schon viel früher vom Ausmaß der Situation am Hauptbahnhof gewusst hatten. Ein Einsatzleiter hielt die vermeintliche Herkunft der Täter offenbar unter Verschluss, weil sie "politisch brisant" seien. Unterdessen meldet auch Bayern erste Anzeigen.

Mit jedem Tag kommen neue Details zu den sexuellen Übergriffen und Raubüberfällen in der Sylvesternacht in Köln ans Licht – und werfen kein gutes Licht auf die Kölner Polizei. Besonders deren Informationspolitik gegenüber der Öffentlichkeit ruft Kritik hervor.

Mehrheit der kontrollierten Männer trug Asyl-Papiere mit sich

Denn offenbar haben die Polizeiverantwortlichen versucht, wesentliche Informationen über die Täter zurückzuhalten. Der Bericht eines diensthabenden Bereitschaftspolizisten jedenfalls, aus dem mehrere Medien zitieren, legt dar, dass am Sylvesterabend etwa 70 Menschen rund um den Kölner Bahnhofsvorplatz kontrolliert worden waren. Kaum eine der kontrollierten Personen habe sich auf Deutsch verständigen können, und die meisten von ihnen hätte keine gültigen Ausweise, sondern lediglich ein Papier des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge mit sich getragen. „Darunter waren viele Nordafrikaner beziehungsweise Araber, auch Syrer“, berichtet der Polizist. Dabei ist allerdings noch nicht geklärt, ob die Männer mit diesen Papieren auch tatsächlich die Täter waren, oder ob sie „nur“ Teil der mehr als 1.000 zählenden Männermenge auf dem Bahnhofsvorplatz waren.

Wann wusste die Polizei über das Ausmaß Bescheid?

Auch die vorherige Behauptung der Polizei, man habe erst gegen 1.30 Uhr beim Eintreffen der Anzeigen vom wahren Ausmaß der Situation erfahren, scheint nicht zuzutreffen. In dem internen Bericht ist von einer Überforderung der Beamten die Rede – und auch davon, dass die Polizisten selbst darüber schockiert waren, mit welch großer Zahl von Männern sie es zu tun hatten.

Für besonders harsche Kritik sorgt auch der Umstand, dass die Kölner Polizei die Vorfälle der Sylvesternacht offenbar herunterspielen wollte. Am Neujahrsmorgen etwa verschickte die Polizei eine Pressemitteilung, in der von einem „weitgehend friedlichen“ Sylvesterfest in der Innenstadt die Rede ist. Die Vorfälle am Hauptbahnhof werden dabei nur am Rande erwähnt – wohl einer der Gründe, warum auch die Presse erst später auf den Skandal aufmerksam wurde. Die Fehlinformation der Öffentlichkeit hatte die Polizei später mit „internen Kommuniktionsproblemen“ begründet.

Herkunft der Verdächtigen „politisch brisant“ – DJV kritisiert

Hinzu kommt ein Bericht des WDR, wonach einer der Einsatzleiter die Herkunft der verdächtigen Männer zunächst unter Verschluss halten wollte – diese Information sei „politisch brisant“, wird er zitiert. Gegen diese Informationspolitik wehrte sich besonders der Deutsche Journalisten-Verband (DJV). In einer schriftlichen Reaktion – auch auf die Kritik am Verhalten der Presse rund um die Enthüllungen – heißt es: „Sollte sich herausstellen, dass die mutmaßlichen Gewalttäter von Köln überwiegend in Deutschland lebende Ausländer waren, haben Polizeibehörden nicht das Recht, diese Information für sich zu behalten. Es wäre dann die Aufgabe der Journalisten, damit verantwortlich umzugehen.“ Allerdings gibt es auch Unmut über die Berichterstattung der Presse rund um die Sylvestervorfälle. Unter anderem hatte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer die Medien kritisiert.

Auch die Einsatzplanung wird weiter diskutiert. Die Kölner Polizei hatte im Vorfeld der Neujahrsfeierlichkeiten beim Land Nordrhein-Westfalen eine Hundertschaft mit drei Mannschaftszügen angefordert – am Ende seien lediglich knapp 80 Polizisten in die Domstadt verlegt worden. Die Kölner Polizei verweist daher auch auf das NRW-Innenministerium und die Landespolizeibehörde, die dem Wunsch der Stadt nach mehr Beamten nicht in ausreichendem Maße nachgekommen seien.

Zweiter Bericht zeigt schockierendes Ausmaß

Ein zweiter Bericht eines Bundespolizisten, der mit seinen Kollegen die Sicherheit innerhalb des Bahnhofes gewährleisten sollte, bietet einen weiteren Einblick in die Vorfälle der Sylvesternacht: Frauen hätten, egal ob in Begleitung oder alleine, einen regelrechten „Spießroutenlauf“ durch eine „alkoholisierte Masse von Männern“ absolvieren müssen, heißt es dort. Die Menge auf dem Vorplatz des Bahnhofs habe sich durch die Polizeipräsenz nicht beeindrucken lassen und habe stattdessen die Einsatzkräfte immer wieder mit Feuerwerkskörpern oder Flaschen angegriffen.

Erste Anzeigen in Bayern

Neben Köln war es unter anderen auch in Hamburg, Stuttgart und Berlin zu ähnlichen Vorfällen gekommen. Dass die Vorkomnisse flächendeckend sind, zeigen jetzt auch erste Anzeigen in Bayern: In München gaben zwei junge Frauen im Alter von 19 und 20 Jahren bei der Polizei an, in den frühen Morgenstunden der Neujahrsnacht vor einer Diskothek von etwa 15 Männern umringt und belästigt worden zu sein. Es sei den beiden Frauen jedoch gelungen, sich loszureißen und in die Diskothek zurückzukehren. Weitere ähnliche Vorfälle werden aus dem oberbayerischen Traunreut und Waldkraiburg gemeldet.

Integrationsbeauftragter Neumeyer fordert Asylrechtsreform

Der Integrationsbeauftrage der Bayerischen Staatsregierung, Martin Neumeyer, fordert als Reaktion auf die Vorkommnisse eine generelle Reform des Asyl- und Aufenthaltsrechts in Deutschland. Neumeyer sagte, er sei „schockiert“ über die Vorfälle in Köln und andernorts. „Sollte sich herausstellen, dass Flüchtlinge und Asylbewerber unter den Tätern sind, wäre das ein immenser Rückschlag für alle, die sich für diese Menschen einsetzen. Natürlich darf man nicht verallgemeinern und von wenigen auf alle schließen. Der Verstand weiß das, aber das Herz ist manchmal etwas wankelmütig. Die Gefahr, dass die Hilfsbereitschaft unserer Bürgerinnen und Bürger nachlässt, besteht durchaus“, so der CSU-Politiker. Angesichts der Vorfälle brauche es jetzt eine klare und eindeutige Antwort der Politik, die lauten müsse: „Alle Flüchtlinge, ob sie nun anerkannt oder noch im Verfahren sind, müssen sich an unsere Gesetze halten. Ist das nicht der Fall, müssen Sie unser Land wieder verlassen.“

Innenminister Herrmann: „Sind nicht verpflichtet, jemanden aufzunehmen, der gegen unsere Gesetze verstößt“

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordert indes schärfere Regeln, um kriminelle Asylbewerber schneller als bisher abschieben zu können. „Wir müssen die Möglichkeit deutlich erleichtern, ausländische Rechtsbrecher so schnell wie möglich auszuweisen. Wer erhebliche Straftaten begeht, der hat das Recht verwirkt, hier aufgenommen zu werden und sollte auch abgeschoben werden können, bevor ein Asylverfahren zu Ende geführt ist“, so der Unions­politiker dem Nachrichtenmagazin Focus. Dazu sei eine Neuregelung des Verfahrens nötig: „Im Moment sind die Vorschriften da zu kompliziert; es muss abgewogen werden zwischen den Interessen unseres Staates und den Schutzinteressen eines Abzu­schieben­den. Hier muss der Schutz unserer eigenen Bevölkerung wieder deutlich im Vordergrund stehen“, sagte Herrmann. „Wir sind nicht verpflichtet, jemand auf­zu­nehmen, der erheblich gegen unsere Gesetze verstößt. Ich lade ja auch keinen in mein Haus ein, von dem ich weiß, dass er mich bestiehlt.“

Der Schutz der eigenen Bevölkerung muss wieder deutlich im Vordergrund stehen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann

Bürger reagieren mit größerer Vorsicht – und wünschen sich Videoüberwachung

Unterdessen zeigt eine neue Studie, wie die Menschen in Deutschland auf die Übergriffe reagieren: Dem ARD-Deutschlandtrend zufolge will knapp jeder Dritte Bürger künftig große Menschenansammlungen meiden – unter den befragten Frauen sind es sogar 37 Prozent. Eine überwiegende Mehrheit von 82 Prozent sprach sich außerdem dafür aus, Videoüberwachungsanlagen an öffentlichen Plätzen zu installieren.