Fällte ein unverständliches Urteil: Das Bundessozialgericht in Kassel. (Foto: imago/Ralph Peters)
Bundessozialgericht

Urteil mit Sprengkraft

Das Bundessozialgericht hat ein heftig kritisiertes Urteil gefällt: Jeder Ausländer aus einem EU-Land, der länger als sechs Monate in Deutschland lebt, hat künftig Anspruch auf Sozialhilfe. Diese Entscheidung dürfte ein weiterer Anreiz für Zuwanderer aus EU-Staaten wie Rumänien oder Bulgarien sein.

Wenig beachtet hat der 4. Senat des Bundessozialgerichts in Kassel bereits am letzten Donnerstag entschieden, dass jeder Ausländer aus einem EU-Land nach spätestens sechs Monaten in Deutschland Anspruch auf Sozialhilfe hat, der zumindest den Anschein erweckt, er wolle hier arbeiten. Diese „Anforderung“ dürfte jedoch ein Leichtes sein. Dabei spielt es gar keine Rolle, ob er sich tatsächlich um Arbeit bemüht hat oder ob er überhaupt eine Ausbildung für irgendeinen Job hat. Entscheidend ist nur, dass er insgesamt mehr als sechs Monate in Deutschland verbracht hat. Dieses Urteil ist nur schwer zu begreifen.

Dank der Fürsorge der vier Richter in Kassel erhalten er und seine Frau jetzt vom deutschen Staat ohne Arbeit das Doppelte dessen, was man in Rumänien als Industriearbeiter oder Lehrer verdient.

Der Spiegel

Geklagt hatte ein rumänischer Familienvater, der nach mehreren erfolglosen Arbeitsversuchen bei den Behörden Hartz IV beantragt hatte, zunächst vergeblich. Alles hatte der „arbeitswillige“ Mann versucht, um seine Familie und sich zu ernähren, vom Verkauf einer Straßenzeitung bis hin zur Anmeldung eines Gewerbes als Abbruchunternehmer – ohne es offenbar jemals ausgeübt zu haben. „Dank der Fürsorge der vier Richter in Kassel erhalten er und seine Frau jetzt vom deutschen Staat ohne Arbeit das Doppelte dessen, was man in Rumänien als Industriearbeiter oder Lehrer verdient“, ätzt der Spiegel.

Kommunen: „Das Urteil birgt Sprengstoff!“

Die Kommunalen Spitzenverbände sind entsetzt. Sozialhilfe müssen sie selbst zahlen, während für Hartz IV der Bund aufkommt. „Das Urteil ist nur schwer nachzuvollziehen“, erklärte Uwe Lübking vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Er ergänzte: „Die Sozialhilfe war gerade nicht für Erwerbsfähige gedacht.“ Auch Helmut Dedy, stellvertretender Hauptgeschäftsführer vom Deutschen Städtetag, erklärte, dass die Sozialhilfe sich eigentlich an nicht erwerbsfähige Menschen richtet.  Für Lübking ist deshalb klar: Es müsse nun ernsthaft geprüft werden, ob die Rechtslage wirklich so bleiben könne, wie sie vom Bundessozialgericht ausgelegt wurde. Die „FAZ“ zitierte Felix Schwenke, den Sozialdezernenten der Stadt Offenbach: „Das Urteil birgt Sprengstoff!“ Er warnte: Das Urteil könnte den Willen des Gesetzgebers konterkarieren, eine Einwanderung in die deutschen Sozialsysteme zu verhindern. Schwenke erwartet laut FAZ, dass jede Großstadt „mindestens eine sechsstellige Summe“ zahlen wird. Nach Einschätzung des Landessozialgerichts Essen könnten jedoch bundesweit rund 130.000 Menschen von dem Urteil profitieren, vor allem Zugezogene aus Rumänien und Bulgarien. Für den Anfang erwarten die Kommunalverbände Mehrausgaben in Höhe von jährlich 500 Millionen Euro, das könnte aber noch viel mehr werden. Denn hinzu kommen Kosten für Unterkunft und Heizung. Dadurch könnte die Belastung nach Schätzung der FAZ je nach Zahl der Antragsteller insgesamt fast 1 Milliarde Euro betragen.

Widerspruch zu Bundes- und Europarecht?

Die Rechtslage war eigentlich eindeutig: 2007 beschloss der Bundestag im Sozialgesetzbuch II, dass Hartz IV nicht gewährt wird, wenn sich Ausländer nur zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten. Damit wollte der man verhindern, dass schlecht qualifizierte Menschen nach Deutschland kommen und hier vor allem von Sozialleistungen leben. Auch diese Regelung war lange juristisch umstritten, da hier EU-Bürger schlechter behandelt werden als Deutsche. Doch diese Ungewissheit beendete der Europäische Gerichtshof (EuGH) im September 2015 mit dem Urteil im Fall Alimanovic: Das deutsche Gesetz verstößt nicht gegen EU-Recht. EU-Bürger dürfen bei Hartz IV also benachteiligt werden. Der Deutsche Landkreistag kritisierte deshalb nach dem Urteil des Bundessozialgerichts: „So wird das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom September unterlaufen. Der EuGH hatte ja den Leistungsausschluss gerade bestätigt. Wenn nun die Leistung zwar nicht über Hartz IV, aber über die Sozialhilfe erfolgen muss, ist das die Gewährung von Sozialleistungen durch die Hintertür.“

Völlig unverständliche Entscheidung

Das Bundessozialgericht in Kassel argumentierte jetzt unverständlicherweise so: Der Leistungsausschluss für Hartz-IV-Zahlungen sei zu akzeptieren, aber mit Blick auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2012 zum „Existenzminimum“ für Asylbewerber gewährte es einen Anspruch auf Sozialhilfe in gleicher Höhe. Dabei ist für jedermann der Unterschied zu dem Fall des klagenden rumänischen Gelegenheitsarbeiters klar zu erkennen: Wer als Flüchtling nach Deutschland kommt, kann nicht einfach nach Hause zurückkehren, anders als im Fall des Rumänen und jedes anderen EU-Bürgers.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis eine neue Welle von Sozialmigranten auf dem Weg ins gelobte Land ist.

Man muss es letztlich leider so deutlich sagen, auch wenn man für Gerichtsschelte oft selbst gescholten wird: Dieses Urteil ist falsch! Es gefährdet nicht nur den Erhalt des deutschen Sozialstaats, der durch die Flüchtlingswelle ohnehin schon überbeansprucht ist. Es verstößt auch eklatant gegen das Gerechtigkeitsempfinden der arbeitenden deutschen Bevölkerung und aller arbeitenden EU-Bürger hierzulande. Wenn sich Leute auf Hilfe des deutschen Staates verlassen, die sich gut selber helfen könnten und die hier noch keinen einzigen Cent in die Sozialsysteme eingezahlt haben, dann läuft etwas falsch. Ihre einzige Berechtigung für Geld vom Staat ist ein halbes Jahr Aufenthalt in Deutschland! So schafft man Deutschland wirklich ab. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis eine neue Welle von Sozialmigranten auf dem Weg ins gelobte Land ist. Der Gesetzgeber sollte unverzüglich handeln.