Entschlossen im Kampf gegen die maßlose Geldpolitik der Europäischen Zentralbank: Peter Gauweiler zieht erneut vor das Bundesverfassungsgericht. Bild: Imago/Reiner Zensen
Klage gegen EZB

„Der Fisch fängt vom Kopf an zu stinken“

Peter Gauweiler hat den Kampf gegen die maßlose Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und ihren Chef Mario Draghi noch längst nicht aufgegeben. Der CSU-Politiker zieht erneut vor das Bundesverfassungsgericht und legt dabei auch ein Rechtsgutachten vor, das den Verdacht nährt, der EZB-Chef könnte befangen sein.

Draghis Biographie „wirft die die Frage auf, ob er im Hinblick auf manche von der EZB zu treffende Entscheidung als befangen zu gelten hat“, heißt es in dem Gutachten. Draghi war von 1991 bis 2001 Generaldirektor des italienischen Finanzministeriums. Seine Amtszeit umfasst also die gesamte Zeit der Entstehung der Europäischen Währungsunion: von der Ausarbeitung und Verabschiedung des Vertrages von Mastrich bis zum Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion. Um aufgenommen zu werden, hatte Italien damals tief in die Trickkiste gegriffen; und es liegt auf der Hand, dass der heutige EZB-Chef seine Finger mit im Spiel hatte.

Italienische Staatsunternehmen zu Ramschpreisen verkauft

„Der Fisch fängt vom Kopf an zu stinken“, sagt Gauweiler und verweist auf das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten von Professor Dietrich Murswiek. Dieser zitiert aus zahlreichen Veröffentlichungen, die damals darüber berichteten, dass Draghi die Privatisierungen vorangetrieben und italienische Staatsunternehmen „zu Ramschpreisen“ an Investoren und Banken „verscherbelt“ haben soll. Italien soll vor seiner Aufnahme in die Eurozone ähnlich wie später Griechenland seine Bilanz mit Hilfe einer US-Bank durch ein Derivategeschäft geschönt habe. „Wenn das stimmt, fallen diese Geschäfte in die Amtszeit und wohl auch in den Verantwortungsbereich von Mario Draghi“, schreibt Murswiek.

Mit Derivatgeschäften Haushaltsdefizit „heruntermanipuliert“

Das Gutachten zeigt schonungslos auf, wie sich Italien damals in die Eurozone getrickst hatte: Zitiert wird unter anderem aus einem Artikel der Financial Times. Die Zeitung hatte damals einen Bericht des italienischen Finanzministeriums analysiert und kam zu dem Schluss, dass Italien in den 1990er Jahren mit Hilfe von nicht genannten Banken Derivatgeschäfte abgeschlossen hatte, mit denen das Haushaltsdefizit drastisch „heruntermanipuliert“ worden war. Demnach hatte Italien 1995 noch ein Haushaltsdefizit von 7,7 Prozent, bis zum entscheidenden Jahr für die Aufnahme in die Eurozone (1998) sank das Defizit auf 2,7 Prozent. Das Kunststück hatte kein anderer der elf in die Eurozone aufgenommenen Staaten vollbracht. Und es war umso erstaunlicher, weil in Italien im selben Zeitraum die Steuereinnahmen nur marginal gestiegen und der Anteil der Staatsausgaben nur leicht gesunken waren. Italien erklärte damals, die EU habe von der Verwendung von Derivaten bei der Vorbereitung des Eurobeitritts gewusst und sie gebilligt.

Die Öffentlichkeit weiß also weiterhin nicht, was die EZB über die Bilanzmanipulationen zur Ermöglichung des Beitritts Griechenlands zur Eurozone weiß. Auch die Rolle Draghis in diesem Zusammenhang bleibt im Dunkeln.

Aus dem Rechtsgutachten von Professor Dietrich Murswiek

Auch Draghis Zeit als Vizepräsident bei der US-Investment-Bank Goldman Sachs (2002 bis 2005) sieht das Rechtsgutachten kritisch. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel hatte Goldman Sachs Anfang 2002 mit Griechenland angeblich ein Geschäft über so genannte Cross-Currency-Swaps abgeschlossen. Damit seien die Melderegeln von Eurostat umgangen worden. Griechenland habe so ein Defizit von 1,4 Prozent melden können; später habe das auf 3,7 Prozent nach oben korrigiert werden müssen. „Wenn das stimmt, fällt dieses Geschäft in die Amtszeit von Draghi bei Goldman Sachs“, steht in dem Gutachten, das auch bemängelt, dass die Öffentlichkeit weiterhin nicht weiß, „was die EZB über die Bilanzmanipulationen zur Ermöglichung des Beitritts Griechenlands zur Eurozone weiß“. Auch die Rolle Draghis in diesem Zusammenhang bleibe im Dunkeln.

EZB handelt ohne jede Beteiligung des Bundestages

Gauweiler klagt nun bereits zum fünften Mal gegen Eurorettungsmaßnahmen. In der aktuellen Verfassungsbeschwerde geht er gegen das ausgeweitete Anleihekaufprogramm der EZB vor. Wie berichtet, kauft die Zentralbank bis mindestens September 2016 für monatlich 60 Milliarden Euro Staatsanleihen und andere Papiere auf. 1,1 Billionen Euro sind vorgesehen, 371 Milliarden haben Draghi und Co. bereits verbraten. Und zu allem Überfluss denkt der Italiener laut darüber nach, das Programm noch weiter auszudehnen, um Konjunktur und Inflation in der Eurozone anzukurbeln. Allein die Ankündigung dazu hatte den Euro jüngst wieder auf Talfahrt geschickt. Gauweiler bemängelte am Dienstag einmal mehr, dass die EZB ohne jede Beteiligung des Bundestages handele und der Steuerzahler zudem mit großen finanziellen Risiken belastet werde. Die EZB habe keine Legitimation für Ankäufe solcher Größenordnungen.

Über diese Frage hat der EuGH nicht entschieden und konnte er auch nicht entscheiden, weil die Wahrung des Grundgesetzes in seinem unabänderlichen Kernbestand allein Sache des Bundesverfassungsgerichts ist

Peter Gauweiler zur Rechtmäßigkeit des OMT-Programms in Deutschland

Der CSU-Politiker hatte bekanntlich bereits gegen die Euro-Rettungsschirme ESM und EFSF sowie das noch nicht gestartete OMT-Programm geklagt. Wenn auch nur unter „bestimmten Bedingungen“, erlaubt OMT einen unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen kriselnder Eurostaaten durch die EZB. Mit der Klage dagegen hatte Gauweiler bereits einen Teilerfolg vor dem Bundesverfassungsgericht erzielt, das den Fall aber an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) verwies. Der EuGH hatte zwar nichts gegen die Anleihekäufe einzuwenden, der Ball liegt jetzt aber wieder im Spielfeld des Bundesverfassungsgerichts, das darüber zu befinden hat, ob das Programm mit deutschem Recht vereinbar ist. „Wir sind überzeugt, dass wir vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg haben werden“, sagt Gauweiler. Die EZB greife mit ihrem Staatsanleihenankaufprogramm in die Haushaltsautonomie des Bundestages ein, die zum Grundgesetz gehöre. „Über diese Frage hat der EuGH nicht entschieden und konnte er auch nicht entscheiden, weil die Wahrung des Grundgesetzes in seinem unabänderlichen Kernbestand allein Sache des Bundesverfassungsgerichts ist“, so Gauweiler.

Die Ankündigung, Staatspapiere notfalls unbegrenzt kaufen zu wollen, wenn ein Staat in Schwierigkeiten gerät, kommt einer kostenlosen Kreditausfall-Versicherung gleich.

Hans-Werner Sinn, Prasident des Münchner ifo-Instituts

Scharfe Kritik an der Zustimmung des EuGH zum Anleihekaufprogramm übte im Sommer unter anderen auch der Chef des Münchner Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn. Er riet den deutschen Verfassungsrichtern, sich nicht beirren zu lassen. Die Auffassung des EuGH, wonach das OMT-Programm rechtmäßig sei, „ist ein bedauerlicher Fehler“, sagte Sinn. Die EZB überschreite sehr wohl ihre Kompetenzen und betreibe Wirtschaftspolitik. Die Ankündigung, Staatspapiere notfalls unbegrenzt kaufen zu wollen, wenn ein Staat in Schwierigkeiten gerate, komme einer „kostenlosen Kreditausfall-Versicherung“ gleich.