Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer, MdB. (Foto: Tobias Koch)
Sternstunde im Bundestag

Geschäftsmäßige Sterbehilfe wird verboten

Der Deutsche Bundestag hat abschließend über eine gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe beraten – wie bei heiklen bioethischen Themen üblich, ohne Fraktionszwang. Engagiert, persönlich bewegt und respektvoll rangen die Abgeordneten um die beste Regelung. Am Ende entschieden beinah 60 Prozent der Abgeordneten, geschäftsmäßige Sterbehilfeorganisationen zu verbieten ("Brand-Griese-Entwurf").

In Deutschland soll „geschäftsmäßige Sterbehilfe“, insbesondere durch Sterbehilfe-Organisationen, verboten sein. Nach einer engagierten, sehr persönlichen und respektvoll geführten Debatte hat der Bundestag mit 360 von 602 Stimmen den sogenantnen Brand-Griese-Entwurf beschlossen. Auch die meisten CSU-Abgeordneten hatten im Vorfeld diesen Entwurf unterstützt.

Solche bioethisch anspruchsvollen Debatten, bei denen der Fraktionszwang aufgehoben ist, gehen stets als „Sternstunden des Parlamentarismus“ in die Geschichte ein. Mit außergewöhnlich offenen, persönlich gefärbten Stellungnahmen rangen die Abgeordneten um die beste gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe in Deutschland.

Der CDU-Abgeordnete Michael Brand, Mitautor des letztlich siegreichen Antrags, appellierte an die Parlamentarier, mit einem Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe Menschen vor unlauteren Angeboten zu schützen. Brand wies den Vorwurf zurück, der von ihm mit initiierte Gesetzentwurf kriminalisiere Ärzte. Die SPD-Abgeordnete Griese unterstrich, der Suizid und die Beihilfe durch nahe Angehörige des Sterbenden blieben auch nach ihrem Entwurf straffrei.

Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wies den Vorwurf des früheren CDU-Generalsekretärs und Pastors Peter Hintze entschieden zurück, er wolle mit seiner Unterstützung des Entwurfs von Michael Brand und Kerstin Griese den Staatsanwalt ans Krankenbett holen. Der Brand-Griese-Entwurf hatte bereits im Vorfeld die größte Unterstützung aller Abgeordneten erhalten. Auch 27 CSU-Abgeordnete haben mit unterschrieben, federführend der innen- und rechtspolitische Sprecher de Landesgruppe, Michael Frieser.

Hintze: Kein Staatsanwalt am Sterbebett

Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU), der der Mitinitiator eines konkurrierenden Gesetzentwurfes ist, warnte erneut vor einer Verschärfung des Strafrechts. Die Mehrheit der Bevölkerung lehne dieses ab. Am Sterbebett sollten Familienangehörige und Ärzte stehen, nicht der Staatsanwalt. Hintzes Entwurf will für sterbenskranke, schwerst leidende Menschen die Möglichkeit des ärztlich begleiteten Suizids. Für den Hintze-Entwurf sprachen sich im Vorfeld drei CSU-Abgeordnete aus, darunter Dagmar Wöhrl.

Die ehemalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) wies darauf hin, dass drei der vier vorliegenden Gesetzentwürfe verfassungsrechtliche Mängel hätten. Jeder dieser Entwürfe würde eine Klage nach sich ziehen, wenn er Gesetz würde, sagte Zypries. Sie machte deutlich, dass sie die bestehende Regelung für ausreichend hält.

SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach, der Mitunterzeichner des Hintze-Entwurfs ist, sagte: „Besser kein Gesetz, als ein schlechtes Gesetz.“ Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hielt dem entgegen, es sei auch keine Lösung, keinem der Gesetzentwürfe zuzustimmen. Sie ließ erkennen, dass sie für ein Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe eintritt.

Die strengste Regelung, nämlich ein weitgehendes gesetzliches Verbot der Beihilfe zur Selbsttötung, sah der Entwurf des CDU-Abgeordneten Patrick Sensburg vor. Ihn unterstützten sieben der CSU-Abgeordneten mit ihrer Unterschrift.

Überblick über die vier Gesetzentwürfe

  • Die mit Abstand meisten Stimmen (360 von 602, also knapp 60 Prozent) wie auch bereits zuvor die weitaus meisten Unterstützungs-Unterschriften aller Abgeordneten hatte der Entwurf gesammelt, der die gewerbsmäßige Sterbehilfe unter Strafe stellen will, aber die Angehörigen oder nahestehende Personen von der Strafe ausnimmt. Die Strafandrohung lautet drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Ansonsten sollen die geltenden Vorschriften weiter gelten. Dieser Entwurf wurde von Michael Brand (CDU), Kerstin Kriese (SPD) und Michael Frieser (CSU) eingebracht. Aus der CSU-Landesgruppe sprachen sich im Vorfeld 27 Abgeordnete für diesen Entwurf aus.
  • Die insgesamt zweitmeisten Unterstützer erhielt der interfraktionelle Entwurf der Gruppe um Peter Hintze (CDU), Carola Reimann (SPD) und Dagmar Wöhrl (CSU). Er lehnte eine strafrechtliche Verschärfung ab und sah stattdessen vor, dass Ärzte bei aktiver Sterbehilfe im Fall von irreversibel tödlichen Krankheiten ausdrücklich straffrei bleiben sollen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen sollte mittels Vier-Augen-Prinzip durch einen weiteren Arzt bestätigt werden. Aus den Reihen der CSU-Landesgruppe unterstützen drei Abgeordnete diesen Antrag.
  • Eine strengere Regelung und damit einen stärkeren Lebensschutz sah der Entwurf der Gruppe um den CDU-Abgeordneten Patrick Sensburg vor. Er wollte nicht nur ein strafrechtliches Verbot der aktiven Sterbehilfe, sondern auch der bisher straffreien assistierten Suizidbeihilfe sowie der Anstiftung zur Selbsttötung. Diese Taten sollten mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Diesen Entwurf unterstützen sieben CSU-Abgeordnete mit ihrer Unterschrift.
  • Keinen CSU-Abgeordneten konnte der Entwurf der Grünen-Politikerin Renate Künast überzeugen, der ausschließlich von Grünen-, Linken und wenigen SPD-Abgeordneten unterstützt wird. Er sah eine „positive Normierung“ vor, dass Hilfe zur Selbsttötung nicht strafbar ist. Gewerbsmäßige oder organisierte Beihilfe zur Selbsttötung wird nicht unmittelbar verboten, ist aber an Bedingungen wie Hinzuziehen eines Arztes, Beratungspflicht und 14-tätige Wartezeit gebunden.

wog/dpa