Bayern ist das Zentrum des Asylansturms. Bild: Imago/Ralph Peters
Asylpolitik

„Wenn die Politik keine Grenzen setzt, wird die Bevölkerung Grenzen setzen“

In seiner Regierungserklärung zur Flüchtlingskrise ruft Bayerns Ministerpräsident Seehofer zum Handeln auf - und wünscht sich dabei eine parteiübergreifende Unterstützung. Die Alarmsignale der Landräte und Bürgermeister in den Grenzregionen müssten auch in Berlin endlich ernst genommen werden, fordert der Ministerpräsident. Eine Begrenzung der Zuwanderung sei unvermeidlich.

„Ich habe selten Landräte und Bürgermeister getroffen, die wegen eines Zustandes betroffener und alarmierter waren, als gestern“, sagte Horst Seehofer zu Beginn seiner Regierungserklärung. Am Mittwoch hatte der Ministerpräsident kommunale Amtsträger in Deggendorf getroffen, um mit ihnen über die aktuelle Situation an den bayerischen Außengrenzen zu sprechen.

Unterbringungsmöglichkeiten verdoppeln

Viele der Landräte und Bürgermeister seien ob des nicht abreißenden Flüchtlingszustroms zunehmend alarmiert, „weil die Orte und Möglichkeiten, Flüchtlinge unterzubringen, immer knapper werden“, stellte der CSU-Chef fest. Seit dem 1. September seien 300.000 Menschen nach Bayern gekommen, sagte Seehofer. Bis zum Jahresende müssten die Kommunen an den Grenzen ihre Unterbringungsmöglichkeiten verdoppeln, um dem Ansturm Herr zu werden. Auch die Beschlagnahme öffentlicher Gebäude könne schon binnen weniger Tage notwendig werden, habe der Regierungspräsident von Niederbayern, Heinz Grunwald, erklärt. „Dabei sage ich aber ganz klar: Eine Beschlagnahmung privater Immobilien kommt mit uns nicht in Frage“, teilte Seehofer mit. „Wir werden keinem Menschen in Bayern etwas wegnehmen“, versprach Seehofer.

Das ist die Situation, wo Ortsbesichtigungen, schlaue Sprüche und warme Worte nicht weiterhelfen.

Horst Seehofer

Die Sorgen und Nöte der politischen Amtsträger vor Ort müssten auch in Berlin endlich ernst genommen werden, betonte der Ministerpräsident. „Die Improvisation vor Ort geht unterdessen weiter – aus Verantwortung gegenüber den Menschen, die hier ankommen“, so Seehofer. Lange könne es aber so nicht mehr weitergehen. Die Probleme in den Landkreisen und Kommunen müssten daher endlich auch in der Bundeshauptstadt gehört werden. „Das ist die Situation, wo Ortsbesichtigungen, schlaue Sprüche und warme Worte nicht weiterhelfen.“

Ordnung und Inhalt

„Ich hätte nie gedacht, dass ich mich einmal dafür rechtfertigen muss, dass wir den Rechtsstaat wieder vom Kopf auf die Füße stellen müssen“, wunderte sich Seehofer. „Aktuell gelten in der Flüchtlingsfrage keine Gesetze, keine Regeln. Daher ist der erste Schritt, die vereinbarte Ordnung wieder herzustellen, und endlich zu handeln“, betonte der CSU-Politiker.

„Ohne Begrenzung werden die Staatengemeinschaften scheitern“

Eine Begrenzung der Zuwanderung sei aus verschiedenen Gründen unvermeidlich. „Eine Begrenzung ist notwendig – wenn sie nicht kommt, werden Deutschland und Europa als Staatengemeinschaften scheitern“, so Seehofer. Es gebe weltweit kein Land, das unbegrenzt Menschen aufnehmen könne. Allerdings stehe das Grundrecht auf Asyl nach Ansicht Seehofers nicht zur Debatte. Dennoch müsse man auch an die Sicherheitsprobleme denken, die eine weitere, faktisch unkontrollierte Zuwanderung mit sich bringe, sagte der Ministerpräsident.

Seehofer zitierte auch Bundestagspräsident Norbert Lammert. Der CDU-Politiker sei für seine liberale Haltung weithin bekannt, sagte der CSU-Chef. Trotzdem habe auch Lammert mittlerweile die Notwendigkeit einer Zuwanderungsbegrenzung erkannt. „Lammert hat gesagt: Nicht alle, die in Deutschland ihre Zukunft begründen wollen, können in Deutschland bleiben“, zitierte Seehofer.

Wenn die Politik der Zuwanderung keine Grenzen setzt, wird die Bevölkerung Grenzen setzen.

Horst Seehofer

Bayerns Ministerpräsident hält eine eindringliche Rede, eine, die den Ernst der Lage wiederholt deutlich macht. „Wenn wir bei der Zuwanderung keine Grenzen setzt, wird die Bevölkerung Grenzen setzen – nämlich durch den Entzug des Vertrauens“, mahnte der Ministerpräsident. Es sei auch im Interesse der Oppositionsparteien, gemeinsam mit Staats- und Bundesregierung nach Lösungen für die Flüchtlingsfrage zu suchen. „Daher muss als erster Schritt die Dublin-Vereinbarung wieder in Kraft gesetzt werden“, betonte Seehofer. Diese sei ein wesentlicher Bestandteil jener Vereinbarungen, dank derer vor zwanzig Jahren die innereuropäischen Grenzen abgebaut worden seien. „Damals hat man den Menschen gesagt: Eure Sicherheit ist weiter gewährleistet – und die Zuwanderung wird weiterhin kontrolliert.“

Appell an europäische Partner, USA und die arabischen Staaten

Wenn diese Vereinbarungen nicht eingehalten werden müssten, müssten die europäischen Nachbarn auch nicht befürchten, dass Flüchtlinge von Deutschland aus zurückgeschickt würden – und damit gehe der organisierte Bustransfer an deutsche Grenzen unvermindert weiter. „Die Verteilung von Kontingenten geht daher auch nur unter Einbeziehung jener Staaten, die für die aktuelle Situation in den Herkunftsländern große Verantwortung tragen – wie etwa die USA oder die arabischen Länder“, betonte Seehofer. Mit Blick auf die innereuropäische und innerdeutsche Verteilung der Menschen betonte der CSU-Vorsitzende noch einmal die Wichtigkeit von Transitzonen. Zusätzlich begrüßte Seehofer die Personalaufstockung beim Bundesamt für Migration (BAMF), wie sie die CSU schon vor zwei Jahren gefordert hatte. Und auch bei anderen CSU-Forderungen findet laut Seehofer ein Umdenken in den anderen Parteien statt. „Gerade für ausreisepflichtige Menschen – also Flüchtlinge, die absolut keine Bleibeperspektive in Bayern und Deutschland haben – müssen Geldleistungen in Sachleistungen umgewandelt und am Ende auch die Sozialleistungen gekürzt werden.“

„Es geht auch um Bayern“

Der Ministerpräsident lobte einmal mehr den Einsatz der bayerischen Bevölkerung, um den Flüchtlingen bei deren Ankunft zu helfen. „Gerade in den Grenzregionen helfen die Menschen zusammen. Diese große Leistung ist gelebte Nächstenliebe“, betonte Seehofer. Und auch in der bayerischen Politik wünscht sich der Regierungschef eine parteiübergreifende Zusammenarbeit. „Es geht jetzt auch um Bayern“, mahnte Seehofer. „Ich rufe all jene, die Verantwortung tragen, auf, endlich zu handeln.“

Berlin in der Pflicht

Dabei müsse den Problemen in den Kreisen und Kommunen endlich Gehör gegeben werden – besonders in Berlin. Denn dort seien nicht nur die, die die Hauptverantwortung trügen, sondern auch jene, die die finanzielle Hauptlast tragen müssten. „Für alle Problemstellungen trägt der die Verantwortung, der die Regeln auch erlässt“, sagte Seehofer an die Adresse der Bundesregierung. „Wir machen unsere Dinge, sehr gut, in vielerlei Hinsicht. Aber wenn der Bund nicht handelt, wir aber vor Ort die realen Auswirkungen haben, dann trägt der Bund für alle Komplikationen und Schwierigkeiten die politische Verantwortung“, so der Ministerpräsident.

Ich fahre am Freitag nur deshalb in den Bundesrat, um zuzuschauen, wie die, die mich seit Langem verfolgt und kritisiert haben, nun diesen Maßnahmen zustimmen.

Horst Seehofer

Der CSU-Chef erklärte, dass er in den vergangenen Monaten immer wieder recht bekommen habe mit seinen Vorschlägen, etwa bei der Beschleunigung der Asylverfahren, der Kürzung der finanziellen Hilfen, bei der Forderung nach Kontingenten für Flüchtlinge und nun auch bei den Transitzonen. Und einen Seitenhieb auf die Opposition und den Koalitionspartner konnte er sich nicht verkneifen: „Ich fahre am Freitag nur deshalb in den Bundesrat, um zuzuschauen, wie die, die mich seit Langem verfolgt und kritisiert haben, nun diesen Maßnahmen zustimmen.“

Hauptaufgabe Integration

Bayern gehe in Sachen Integration in Deutschland voran, betonte der Ministerpräsident. In den letzten 25 Jahren habe der Freistaat zwei Millionen Menschen aus dem „Ausland“ (Ein kleiner Spaß: Seehofer meinte damit auch die Menschen, die aus anderen Bundesländern nach Bayern kamen; Anm. d. Red.) integriert. „Bayern ist das Land der gelingenden Integration“, betonte Seehofer einmal mehr. Jetzt müsse man aufpassen, dass jene Flüchtlinge, die in Bayern bleiben wollten, in keinerlei Konkurrenzsituation zu den Einheimischen kämen. Besonders wichtig sei es da, die Flüchtlinge schnellstmöglich zu integrieren – das beginne schon im Kindergarten und der Schule. „Nicht zuletzt deshalb hat Bayern 1.700 neue Lehrerstellen geschaffen.“

„Wenn 90 Prozent der Ankommenden nur über eine niedere oder gar keine Qualifikation verfügen, muss unser Fokus auf der Ausbildung liegen“, stellte Seehofer fest. Den Integrationspakt, den die Bayerische Staatsregierung zusammen mit Vertretern der Wirtschaft im Freistaat vor wenigen Tagen geschlossen hatte, sei in diesem Zusammenhang ein „vorbildliches“ Projekt, so der Ministerpräsident.

„Leitwerte müssen respektiert werden“

Damit diese Initiativen aber auch wirklich zum Erfolg führen, betonte Seehofer, müssten die neu nach Bayern und Deutschland kommenden Menschen die geltenden Regeln der Gesellschaft respektieren. „Wir in Bayern leben nach dem Grundsatz: Leben und leben lassen“, sagte Seehofer. „Das ist in Bayern gelebte Realität. Unsere Leitwerte müssen aber dennoch von allen, die hier leben, respektiert werden.“

Unser Land darf sich nicht verändern.

Horst Seehofer

Die Integration sei im Gegensatz zur weiteren Zuwanderung zu schaffen, meinte Seehofer und kündigte an: „Wir werden anspruchsvolle Diskussionen über Identität, über das Selbstverständnis, über die Leitwerte unseres Landes führen.“ Aber es gelte, wie es Charlotte Knobloch, die Vorsitzende der jüdischen Kultusgemeinde in München, schon sagte: „Unser Land darf sich nicht verändern.“

(dos/avd)