Alte Rivalen, jetzt zur Zusammenarbeit verdonnert: Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht sollen gemeinsam die Linksfraktion im Bundestag führen. (Foto: imago/Common Lens)
Linkspartei

Mit „Dödelgate“ und strammen Kommunisten

Die Bundestagsfraktion der Linkspartei hat eine neue Führungsspitze: Nach dem schillernden DDR-Anwalt Gregor Gysi führt jetzt das Duo aus der überzeugten Kommunistin Sahra Wagenknecht und dem gemäßigten Pragmatiker Dietmar Bartsch die Fraktion. Letzterer geriet wegen einer pikanten Liste in die Schlagzeilen, auf der er interne Gegner 2012 als „Lafo-Dödel“ bezeichnete.

Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch sind die neuen Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag. Die Abgeordneten der stärksten Oppositionsfraktion wählten die beiden mit großer Mehrheit als Nachfolger von Gregor Gysi, der nach zehn Jahren abtritt. Gysi war seit 1990 insgesamt 20 Jahre Fraktionschef der PDS und später der Linkspartei im Bundestag. Zwischen 2000 und 2005 gab es eine Pause, in der er als Berliner Wirtschaftssenator dilettierte und dann für drei Jahre ganz aus der Politik ausgestiegen war. Wagenknecht erhielt 78,3 Prozent der Stimmen, Bartsch 91,6 Prozent. Sie und Bartsch waren die einzigen Kandidaten für die Wahl der neuen Fraktionsspitze.

Stramm links

Die 46-jährige Sahra Wagenknecht, die sich als geistige Erbin von Rosa Luxemburg versteht, gilt als Wortführerin des stramm sozialistisch-kommunistischen Parteiflügels. Sie war führendes Mitglied der „Kommunistischen Plattform“ innerhalb der Linkspartei, die vom Verfassungsschutz in zwölf Bundesländern beobachtet und als „offen linksextremistisch“ beziehungsweise „verfassungsfeindlich“ beurteilt wird. Seit Februar 2010 ruht jedoch ihre Mitgliedschaft in der KPF. Wagenknecht lehnt eine Einstufung der DDR als „Unrechtsstaat“ ab, auch wenn sie das Regime als „repressiv“ und nicht demokratisch einstuft. Außerdem ist sie die Ehefrau des früheren SPD-Chefs, ehemaligen Bundesfinanzministers und Ex-Linken-Chefs Oskar Lafontaine.

Der 57-jährige Bartsch hingegen wird allgemein zu den weichgespülten, gemäßigten Pragmatikern gezählt, die zum größten Teil aus Ostdeutschland stammen und eine rot-rot-grüne Koalition auf Bundesebene anstreben.

Bartsch und seine „Lafodödel“

Ausgerechnet von Bartsch hatte zuletzt die Zeitung Welt berichtet, er habe 2012 als damaliger Bundesgeschäftsführer während der massiven internen Flügelkämpfe eine Personalliste über den Parteivorstand angefertigt. Darauf habe er die Genossen nach Ost-West-Herkunft sowie nach Gesinnung in „L“ – Linke, „U“ – Unabhängige und „Z“ – Zuverlässige eingeteilt; praktisch ein Freund-Feind-Schema. Intern soll Bartsch in einer E-Mail die mit „L“ gekennzeichneten Parteilinken, also die Anhänger des früheren Parteichefs Lafontaine, sogar als „Lafodödel“ bezeichnet haben. Dazu dürfte pikanterweise wohl auch Bartschs jetzige Co-Fraktionschefin Wagenknecht gehört haben. Darüber hinaus erinnerte diese Gesinnungsschnüffelei viele Beobachter an altbekannte Stasi-Methoden.

Linkspartei ohne Samthandschuhe

„Horrender Unsinn“, sagte Dietmar Bartsch zu den Vorwürfen, es seien Dossiers angelegt worden. Er räumte aber ein: „Wir hatten in Göttingen und vor Göttingen eine sehr zugespitzte Situation.“ Ja, die Liste der 44 Vorstandmitglieder sei nach Landesverbänden und den drei Kategorien eingeteilt worden. „Und um das auch festzuhalten: Der Wunsch kam damals von Gregor Gysi“, so Bartsch im MDR. Wie präzise dieser Wunsch war, darüber sagte er nichts. Später bezeichnete er die Kategorisierung von Parteivorstandsmitgliedern und vor allem den abwertenden Begriff „Lafo-Dödel“ als „unglücklich“. Er dementierte den Begriff nicht: „Das ist in einer E-Mail geschrieben worden. Und deswegen von der „Welt“ auch ganz nach oben gezogen worden. Ich sage noch einmal: sicherlich kein glücklicher Ausdruck. Aber so war das damals. Die Auseinandersetzung wurde nicht mit Samthandschuhen geführt.“

Gysi will nichts bestellt haben

Gregor Gysi hatte auf Nachfrage von Journalisten bestritten, die Listen bei Bartsch bestellt zu haben: „Nein, natürlich nicht. Ich veranlasse so etwas nie. Was ich mir gut vorstellen kann, ist, dass ich nach diesem aufregenden Göttinger Parteitag gefragt habe, wie die Zusammensetzung des Parteivorstandes ist. Das ist aber ganz normal, dass man wissen will, wie sind da die Mehrheitsverhältnisse.“ Als er die Listen sah, so behauptete Gysi laut Süddeutscher Zeitung auf seiner Abschieds-Pressekonferenz, „war ich schon unglücklich, weil ich die Methoden für unmöglich hielt“. Ein Misstrauen zeige sich da, das überwunden gehöre. Das sei, räumt Gysi laut SZ ein, „ein bisschen altes Denken“. Das Bartsch nun nachhängen dürfte, als „Dödelgate“-Affäre, wie die Frankfurter Rundschau meinte.

Eine Randnotiz: Als der Verfassungsschutz noch Parlamentarier der Linksfraktion wegen Hinweisen auf linksextremistische Bestrebungen beobachtete, wütete Bartsch: „Dass es überhaupt über Abgeordnete, die sich seit vielen Jahren engagiert für die Demokratie streiten, derartige Akten gibt, ist und bleibt ein Skandal und ist inakzeptabel.“ Nun, bei der Stasi waren solche Akten schon wegen weit weniger über ganz normale Bürger angelegt worden. Und bei der Linkspartei gab es halt Gesinnungs-Listen über Vorstandsmitglieder. Ein bisschen Ostalgie muss sein.

dpa/wog/avd