Die jetzt versendeten Postkarten. Bild: UOKG
25 Jahre Einheit

Niemand hat die Absicht, ein Mahnmal zu errichten!

Am 15. Juni 1961 log Walter Ulbricht: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten." Wenige Tage später wurde er der Lüge überführt. Diesen Satz des DDR-Staatschefs hat nun die "Initiative Mahnmal" der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) e.V. aufgegriffen, um auf einen Missstand hinzuweisen: Das Fehlen eines Denkmals in Berlin-Mitte für die Opfer des Kommunismus.

Die UOKG hat in dieser Woche an den Deutschen Bundestag die erste von vier Postkarten versandt, in denen sie die Bundestagsabgeordneten auffordert, sich mit einem Entschließungsantrag für die Errichtung eines zentralen Mahnmals für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft einzusetzen. Auf der Postkarte heißt es: „Helfen Sie den Opfern – unterstützen Sie einen Entschließungsantrag (…) und folgen Sie damit dem Beispiel vieler anderer europäischer Staaten.“ Die erste Postkarten-Serie (eine zweite soll folgen) erzählt die Lebensgeschichte und den Leidensweg von drei Verfolgten der kommunistischen Diktatur in Deutschland: Elke Schlegel, Matthias Storck und Horst Schüler.

Der Bayernkurier berichtete über das Schicksal von Horst Schüler 2014 unter dem Titel „Bei minus 60 Grad in der Hölle“ (hier als pdf-Datei):

Bei minus 60 Grad in der Hölle

Bis heute ist das Leben vieler ehemalig politisch Verfolgter tief gezeichnet durch die ideologisch legitimierte staatliche Willkür. Tod, Folter, seelische Verformung durch Unterdrückung, Kindesentzug und Stasi-Zersetzung prägen immer noch tausende Biografien – und das nicht nur im Osten unseres Landes.

Nicht alle Opfer sind gleich

Während beinahe jede einzelne Opfergruppe des Nationalsozialismus mittlerweile ein eigenes Mahnmal hat, schauen die Opfer von 40 Jahren Kommunismus buchstäblich ins Leere. In Zeiten, in denen die Rechtsnachfolger der SED, die Linkspartei, wieder einen Ministerpräsidenten stellt, darf es nicht dabei bleiben. 2005 wurde das Holocaust-Mahnmal errichtet, danach folgten Gedenkstätten für Homosexuelle, Sinti und Roma sowie die Euthanasieopfer. Auch die von den Nazis ermordeten Reichstagsabgeordneten haben ein eigenes Denkmal. Die UOKG will ihr Mahnmal in dieses Gesamtensemble einbetten.

Bereits seit einigen Jahren setzt sich die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft für die Errichtung eines zentralen Mahnmals nördlich des Kanzleramtes im Spreebogen in Berlin ein, das symbolisch an alle Opfer der kommunistischen Diktatur in Deutschland erinnern soll.

Nun hat die UOKG eigens Studenten der Technischen Universität Darmstadt eingeladen, erste Entwürfe für dieses Mahnmal einzureichen, um den erlahmten Errichtungsprozess voranzutreiben. Sie verweist dabei darauf, dass es bereits nationale Denkmäler für die Opfer der kommunistischen Regime in Prag, Sofia, Vilnius und Budapest gibt. Tallinn und sogar Moskau haben sie beschlossen. Aber in Berlin hat auch 25 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung niemand die Absicht, ein zentrales Mahnmal zu errichten.

Der Aufruf

In dem Aufruf der UOKG wird das Mahnmal zum Gedenken an die Opfer des Kommunismus in Deutschland „anlässlich des 25. Jahrestages der friedlichen Revolution in der DDR und des damit verbundenen Endes der kommunistischen Herrschaft in Ost- und Mitteleuropa“ aus den folgenden Gründen gefordert:

  • im Wissen um die verheerenden Folgen totalitären Denkens und Handelns in Deutschland, das mit der kommunistischen eine zweite Diktatur erleben musste,
  • im Gedenken an die Opfer der SED-Diktatur, der Toten und der Überlebenden, der Vertriebenen und Enteigneten, der Internierten und der zu Unrecht Inhaftierten, der Geflohenen, der von Berufs- und Bildungsverbot Betroffenen, der Opfer von Zersetzung und des Verlustes ihrer Gesundheit,
  • in Würdigung der Hoffnungen und Anstrengungen all jener, die dem Kommunismus widerstanden haben und ihren Glauben an eine demokratische Zukunft und ein Leben in Freiheit nicht preisgaben,
  •  in Anerkennung des Widerstandes gegen die kommunistische Diktatur und des Engagements für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie,
  • im Wissen um die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit diktatorischen Systemen und zur Ermunterung zum Widerstand gegen Diktatur und die Verletzung von Menschenrechten,
  • in Solidarität mit all jenen, die noch heute unter einer kommunistischen Diktatur leben und leiden müssen,
  • im Bewusstsein der Notwendigkeit über das Leben und Leiden der Menschen unter der SED-Diktatur aufzuklären,
  • für die aktive Teilnahme unserer Mitbürger an der politischen Meinungsbildung und ihres Engagements für und in unserer Demokratie,
  • für die Bewahrung von Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechten.

Ein Mahnmal für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft in Deutschland soll nach dem Willen der UOKG an jene Menschen erinnern, die unter der kommunistischen Diktatur in Deutschland zwischen 1945 und 1989 Opfer politisch motivierter Verfolgung und Willkür wurden. „Zu diesen Menschen zählen wir solche, die als vermeintliche oder tatsächliche Gegner der kommunistischen Diktatur verfolgt, physisch und psychisch gefoltert und auch getötet wurden“, so die Mitteilung. Unter kommunistischer Gewaltherrschaft verstehe man „ein politisches Regime, das in Idee und Ausführung Gewalt in all ihren Formen als legitimes Herrschaftsmittel zur Durchsetzung kommunistischer Ziele betrachtet und anwendet“.

Ein Ort der Trauer und der Erinnerung

Das Mahnmal soll allen Opfern und ihren Hinterbliebenen, die sich mit den bisherigen Erinnerungsorten nicht identifizieren können, einen würdevollen Ort des stillen Gedenkens und der Trauer zur Verfügung stellen. Außerdem soll es wieder zu einer aktiven Auseinandersetzung mit der totalitären Verfasstheit des politischen Systems zwischen 1945 und 1989 sowie ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft und das Individuum Anlass geben. Dazu soll es auch entsprechende Informationen anbieten, am besten mit einer begleitenden dokumentarischen Ausstellung, die auf weitere authentische Gedenkstätten und Informationsorte der DDR-Aufarbeitung verweist.

Zahlreiche Prominente, ehemalige Bürgerrechtler und SED-Opfer haben den Aufruf unterschrieben oder unterstützen ihn, darunter Marianne Birthler, Angelika Barbe, Heidi Bohley, Ines Geipel, Rainer Eppelmann, Freya Klier, Siegfried Reiprich, Karl-Wilhelm Fricke, Stephan Krawczyk, Lutz Rathenow, Berlins Innensenator Frank Henkel, Vera Lengsfeld und zahlreiche andere ostdeutsche CDU-Abgeordnete.

Warum wir ein Mahnmal für die Opfer des Kommunismus brauchen

Aber auch die Kommentare ganz „normaler“ Unterstützer, warum sie für das Mahnmal sind, berühren den Leser: So schreibt André J. Lindebaum:

Weil viele Gedanken, mit denen ich mich dieser Zeit nähere, Tränen und Ohnmacht auslösen. Weil es keine wahrhaftige Aufarbeitung gab, weil diejenigen, die verniedlichen, es bis heute nicht verstanden und deshalb auch nicht hören wollen. Weil die Verdrängung funktioniert. Weil sogar einstige Vertreter des Unrechts heute wieder in Verantwortung gewählt wurden. Weil wir es denjenigen schuldig sind, die noch viel mehr Leid erfahren haben. Weil wir der kollektiven Trauer einen Ort geben sollten.

Und Günter Schlüter, Pensionär, weist auf die Aktualität des Themas hin:

Weil zur Zeit eine beängstigende, bewusste Verharmlosung dieser menschenverachtenden, mörderischen Ideologie stattfindet und durch die Wahl eines ersten kommunistischen Ministerpräsidenten im wiedervereinigten Deutschland die Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung durch die umbenannte SED und ihre Ablege seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie so groß war.

Auch Jeanette Buder schlägt in die gleiche Kerbe:

Nach der braunen Diktatur kam die ‚rote‘ Diktatur, Wenn wir jetzt nicht der Opfer gedenken und an sie erinnern, wird diese Diktatur immer mehr verharmlost. Während in Deutschland sich immer mehr einer zweiten ‚roten‘ Diktatur nähert!

Petra Helene Müller verweist auf den erzieherischen Auftrag eines Denkmals:

Das DDR-Unrecht muss deutlich mehr in das Bewusstsein der Menschen gebracht werden, damit so etwas nie wieder Fuß fassen kann.

Stefan Müller, Sozialarbeiter aus Berlin, schreibt:

Es wird Zeit, der Opfer zu gedenken, für die das kommunistische totalitäre Gewalt- und Unrechtssystem verantwortlich ist. Ein Mahnmal zum Gedenken der Ermordeten und traumatisierten Menschen, die noch heute unter den Folgen ihrer erlebten Traumata leiden. Nur so können sie und ihre Angehörigen ihre Wunden vernarben lassen und sich in menschlicher Solidarität aufgehoben fühlen. Nie wieder rote, braune oder religiöse Gewaltherrschaft.

Gegen Ostalgiker: Die UOKG

Das Unrecht des SED-Staates und der stalinistischen Speziallager hinterließ zahlreiche Opfer. Die UOKG hat sich den Auftrag gegeben, kommunistische Verbrechen aufzuarbeiten und die Situation der Opfer in der Gegenwart zu verbessern. Sie ist der Dachverband von mehr als 30 Opferverbänden, Menschenrechtsorganisationen und Aufarbeitungsinitiativen aus dem Osten und Westen Deutschlands. Die UOKG kritisiert einen zu nachlässigen öffentlichen Umgang mit diesen Themen und sieht insbesondere Verbesserungsbedarf bei den Fragen von Renten- und Entschädigungszahlungen für in der DDR erlittenes Unrecht. Sie hat zahlreiche Initiativen vorangetrieben, darunter zur Aufarbeitung des (sexuellen) Missbrauchs von Kindern in den Heimen und „Jugendwerkhöfen“ der DDR sowie zur Aufarbeitung der Zwangsadoptionen, eine Gesetzesinitiative zum Verbot kommunistischer Symbole, ein Plädoyer für den Erhalt der Stasi-Unterlagenbehörde, den Vorschlag eines bundesweiten Gedenktags für die Opfer des SED-Unrechts sowie die Initiative für eine Erhöhung der besonderen Zuwendungen für DDR-Haftopfer. Mit „Entsetzen“ reagierten die Opfer auf das Wiedererstarken ihrer einstigen Peiniger in Ostdeutschland, insbesondere bei der Wahl des laut UOKG „blutroten“ Ministerpräsidenten in Thüringen, Bodo Ramelow. Aber auch scheinbar nebensächliche Dinge wie die Aberkennung der durch die Juristische Hochschule des MfS Potsdam-Golm und die Offiziershochschule der Grenztruppen Suhl verliehenen akademischen Grade wurde von der UOKG gefordert. An der Juristischen Hochschule des MfS erarbeiteten die Studenten nämlich in Dissertationen psychologisch fundierte Maßnahmepläne zur Zersetzung potentieller politischer Gegner. Und die Offiziershochschule der Grenztruppen diente der Ausbildung von Kommandeuren für Einheiten der Grenztruppen der DDR und von Politoffizieren. Die Anleitung und Führung militärischer Kräfte zur gewaltsamen Verhinderung von Fluchtversuchen stand dort im Mittelpunkt der „Wissenschaft“.

Wer sich als Unterstützer eintragen will, kann dies tun im Internet unter:

www.initiative-mahnmal.de