„Wir gehen mit aller Macht gegen Schleuser vor“
Die Rekordzahlen der Flüchtlinge in Europa hat auch Folgen für Bayerns Strafjustiz: Die Zahl der festgenommenen Schleuser hat im Freistaat ein neues Rekordhoch erreicht. Justizminister Bausback nennt die Zahlen "alarmierend" - und kündigt an, Bayerns Justiz werde "mit aller Konsequenz" gegen Schleuser vorgehen.
Asylpolitik

„Wir gehen mit aller Macht gegen Schleuser vor“

Die Rekordzahlen der Flüchtlinge in Europa hat auch Folgen für Bayerns Strafjustiz: Die Zahl der festgenommenen Schleuser hat im Freistaat ein neues Rekordhoch erreicht. Justizminister Bausback nennt die Zahlen "alarmierend" - und kündigt an, Bayerns Justiz werde "mit aller Konsequenz" gegen Schleuser vorgehen.

Aktualisiert am 6. August, 19 Uhr

Mit den Flüchtlingszahlen steigt auch die Zahl in Gewahrsam genommener Schleuser in Bayern. Anfang dieser Woche befanden sich 515 Menschen in Untersuchungshaft, die Asylbewerber und Flüchtlinge ohne die erforderlichen Papiere über die Grenze gebracht haben sollen, teilte das bayerische Justizministerium mit. Das waren bereits dreimal so viele wie Ende März, als „nur“ 151 mutmaßliche Schleuser in U-Haft waren.

„Der Anstieg der Schleuserkriminalität gerade auch in den vergangenen Monaten ist alarmierend“, erklärte Justizminister Winfried Bausback (CSU) in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

Dementsprechend haben auch die Staatsanwaltschaften in diesem Bereich mehr zu tun: Im ersten Halbjahr wurden 1323 Ermittlungsverfahren wegen Einschleusens von Ausländern eingeleitet. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2014 hatte es 1606 solcher Verfahren gegeben, 2013 990 und im Jahr 2012 nur 641. Innerhalb von nur drei Jahren ist heuer somit eine Vervierfachung zu erwarten.

Wer Ausländer ohne Papiere nach Deutschland bringt, kann sehr hart bestraft werden: mit bis zu zehn Jahren Haft für gewerbsmäßige Schleusungen. Stirbt ein Opfer, können es sogar bis zu 15 Jahre Haft sein.

Was die Verurteilungen betrifft, liegen für 2015 noch keine Zahlen vor. Der Aufwärtstrend spiegelt sich aber auch auch an den Strafgerichten: 2012 gab es 220 Verurteilungen, 2014 waren es bereits 655.

Bausback kündigt harte Linie an

Bayerns Justizminister Winfried Bausback nahm die Statistik zum Anlass, die Schleuser eindringlich zu warnen: „Die bayerischen Staatsanwaltschaften und Gerichte gehen gegen diejenigen, die mit dem Schicksal anderer Menschen Geschäfte machen, konsequent mit allen Mitteln des Strafrechts und des Strafprozessrechts vor“, sagte der CSU-Politiker. „Dies muss jeder potenzielle Schleuser wissen.“

Kreuzer fordert erneut Asylzentren in Nordafrika

„Das aktuelle Flüchtlingsunglück im Mittelmeer macht erneut deutlich, dass weitere lebensgefährliche Überfahrten unbedingt eingedämmt werden müssen. Der einzige wirksame Vorschlag dazu sind Asylaufnahmezentren in Nordafrika. Wer den jetzigen Zustand beibehält, macht aus der lebensgefährlichen Überfahrt  eine Art Aufnahmeprüfung für Europa. Das ist zynisch.“ Das sagte Thomas Kreuzer, der Vorsitzende der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag. „Die Opfer sind eine Anklage an die Menschlichkeit. Unser Mitgefühl ist bei den Angehörigen“, so Kreuzer.

Und weiter: „Jedes Unglück klebt an den Händen der skrupellosen Schleuser, die sich mit den gleichen Händen gerade ihre Taschen mit dem Geld der Opfer vollstopfen.“ Diesen Kriminellen das Handwerk zu legen, sei ein dringendes Gebot. Denn ihr Geschäft gefährde jeden Tag weiteres Menschenleben. Der beste Schutz für die Flüchtlinge sei, wenn sie erst gar nicht in die klapprigen Boote steigen müssten. Deshalb sei es der humanste Vorschlag, schon auf nordafrikanischem Boden eine Anlaufstelle nach europäischem Recht zu schaffen.

Es gibt von den Grünen keinen einzigen Vorschlag, den Flüchtlingsstrom einzudämmen. Jeder Vorschlag der Grünen läuft darauf hinaus, dass jeder auf der Welt nach Deutschland kommen dürfte, wenn er es denn nur will.

Thomas Kreuzer

Kreuzer wies die scheinheilige Kritik der Grünen zurück. „Von denen höre ich nur, was angeblich alles nicht geht. Es gibt von den Grünen keinen einzigen Vorschlag, den Flüchtlingsstrom einzudämmen. Jeder Vorschlag der Grünen läuft darauf hinaus, dass jeder auf der Welt nach Deutschland kommen dürfte, wenn er es denn nur will.“ Es sei unmenschlich und unchristlich, wenn die Grünen es als erstrebenswert erachteten, dass möglichst viele Menschen ihre Heimat verlassen und nach Europa kommen. Am Allerwenigsten helfe das den Herkunftsländern, wenn die Stärksten abwandern und die Schwächeren zurückbleiben. „Das macht die Situation in diesen Ländern nicht besser, sondern schwieriger.“

Verwunderung über JuSo-Chefin

Angesichts der immer weiter steigenden Zahlen bei Flüchtlingen – und die damit verbundenen Probleme – zeigen sich viele Beobachter verwundert über die Äußerungen der Bundesvorsitzenden der Jusos, Johanna Uekermann. In einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt fordert sie, Deutschland müsse den Flüchtlingen noch weiter entgegenkommen und mehr bieten. Sie zeigte sich sogar verwundert über ihre Parteifreundin und Integrations-Staatsministerin Aydan Özoguz: Diese hatte den Vorschlag von CSU-Chef Horst Seehofer begrüßt, künftig gesonderte Auffang-Einrichtungen für Flüchtlinge vom Balkan zu installieren – deren Anerkennungsquote ist in Deutschland verschwindend gering.

Bayern und Österreich erhöhen Druck auf EU

Außerdem macht Bayern zusammen mit Österreich in der Asylpolitik jetzt gemeinsam Druck auf die Europäische Union, um die ungehinderte Einreise von Flüchtlingen zu reduzieren.

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kritisierte die EU-Kommission kritisierte, in Brüssel kümmere sich offensichtlich niemand darum, „dass in Griechenland wie in Italien überhaupt keine wirksamen Grenzkontrollen mehr stattfinden“.

Dieses Problem müsse unverzüglich auf der Top-Ebene behandelt werden, forderte Herrmann. Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner forderte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz sogenannte „Hot Spots“ an den italienischen und griechischen Grenzen, um Flüchtlinge von „Auswanderern aus wirtschaftlichen Gründen“ zu trennen. Arbeitsmigranten sollten „sofort zurückgeführt“ werden.

Schon wieder neuer Höchststand an Asylbewerbern

Bayern steuert im Herbst auf eine Notlage bei der Unterbringung neuer Flüchtlinge zu. Allein in den ersten fünf Augusttagen seien 6560 Asylbewerber im Freistaat angekommen, berichtete Sozialministerin Emilia Müller (CSU) am Donnerstag auf Anfrage der dpa. Rechnerisch ergibt das einen Mittelwert von 1312 Menschen am Tag – ein neuer Höchststand. Die Ankünfte variieren aber von Tag zu Tag. „Im Schnitt kommen derzeit 1000 bis 1500 Menschen pro Tag – Tendenz steigend“, sagte die Ministerin. Anfang September ist der nächste Flüchtlingsgipfel der Staatsregierung geplant.

Wir sind insbesondere in Oberbayern auf zusätzliche Unterkünfte angewiesen.

Johann Keller, Bayerischer Landkreistag

Sowohl Kommunen als auch Kirchen suchen händeringend nach neuen Unterkünften. Dennoch fehlen inzwischen vielerorts geeignete Gebäude. „Es existieren da und dort noch Kasernen, die geöffnet werden könnten“, sagte Johann Keller, Geschäftsführer des Landkreistags. Als zweite Möglichkeit sieht der Landkreistag vor allem die Errichtung temporärer Holzbauten. „Wir müssen versuchen, schnell etwas in verträglicher Weise hinzubekommen“, sagte Keller. In vielen Landkreisen sind bereits Turnhallen belegt und Containersiedlungen gebaut worden. „Wir sind insbesondere in Oberbayern auf zusätzliche Unterkünfte angewiesen“, sagte Keller. Holzbauten in Ständerbauweise könnten relativ schnell errichtet werden. Mit dem bisherigen Tempo bei der Umwandlung bestehender Gebäude ist die Unterbringung der vielen Neuankömmlinge nach Kellers Einschätzung „nicht zu schaffen“.

Kirchen wollen helfen

Die Kirchen bieten Hilfe an. „Wir werden weitere Unterkünfte bereit stellen“, kündigte Bernhard Kellner an, Sprecher des Erzbistums München und Freising. Bisher beherbergt die Diözese 953 Flüchtlinge, bestätigte Kellner. Das Bistum Passau hat mittlerweile seine Pfarreien angeschrieben, um zu klären, wo noch Kapazitäten vorhanden sind. „Wir wollen und werden noch mehr machen als bisher“, sagte eine Bistumssprecherin. Ein Sprecher der Diözese Regensburg betonte, dass das Bistum bereits Wohnraum und Gebäude anbietet – zuletzt im Priesterseminar und in einem Exerzitienhaus. „Diese Anstrengungen wird die Diözese weiter aufbringen.“ Die evangelische Landeskirche hofft, bis Sommer 2016 insgesamt 100 Wohnungen für Flüchtlinge öffnen zu können, wie ein Sprecher sagte. Das wären dreimal so viele wie derzeit.

Bürokratie als Hürde

Eine Hürde wird aber sowohl in den Kirchen als auch in den Kommunen beklagt: die umfangreichen Verwaltungsvorschriften. So gelten insbesondere beim Brandschutz schärfere Vorschriften als für private Wohnhäuser. Da in einer Flüchtlingsunterkunft in der Regel mehr Menschen untergebracht werden als in einem Einfamilienhaus, müsse man „die höheren Anforderungen von Versammlungsstätten berücksichtigen“, wie Landkreistags-Geschäftsführer Keller formulierte. Das bedeutet unter anderem, dass neben dem Hauseingang zwingend ein zweiter Fluchtweg vorgeschrieben ist, über den sich die Bewohner im Falle eines Feuers retten können. So gibt es mancherorts in Bayern leerstehende Gebäude, die nicht genutzt werden können. Entweder gebe es zu hohe Auflagen, etwa an den Brandschutz, oder die Gebäude seien zu weit abseits gelegen, sagte dazu die Sprecherin des Bistums Passau.

Wegen der vielen Ankünfte in Bayern gibt es zudem neuen Konfliktstoff mit dem Bund wegen der lahmenden Verteilung der Flüchtlinge auf die Bundesländer. Sozialministerin Müller kritisierte, dass die Registrierung der Asylbewerber im bundesweit von den Behörden genutzten Computersystem „Easy“ von 20.00 bis 06.00 Uhr abgeschaltet wird. Das führt zur Verzögerungen bei der Verteilung der Flüchtlinge auf die Bundesländer und erhöht die Unterbringungsprobleme in Bayern. Müller forderte den Bund auf, „das Verteilungssystem Easy an 7 Tagen in der Wochen, 24 Stunden am Tag zu betreiben“.

(dos/avd/dpa)