180 Jahre Bayerisch-Amerikanische Beziehungen. Bild: US-Generalkonsulat
Bill Moeller

„Alle Deutschen tragen Lederhosen und Dirndl“

Interview US-Generalkonsul Bill Moeller hat die Stadt München für seine Nachfolgerin Jennifer Gavito verlassen. Gut haben ihm seine drei Jahre in Bayern gefallen, auch wenn er schon eine sehr lange Beziehung zum Freistaat hat. Laut seinen Worten stehen die US-Diplomaten Schlange, um in München stationiert zu werden. Andreas von Delhaes-Guenther sprach mit ihm über die vergangenen bewegten Jahre.

Bayernkurier: Sie verlassen jetzt München, um eine neue Aufgabe zu übernehmen. Seit wann sind Sie hier im Einsatz als Generalkonsul?

Bill Moeller: Ich bin seit August 2012 hier gewesen.

Bayernkurier: Und wie fällt Ihre Bilanz nach drei Jahren Bayern aus?

Moeller: Es war eine wirklich tolle Zeit, aber viel zu kurz. Aber leider gibt es eine lange Schlange bei den amerikanischen Diplomaten, die hier Generalskonsul werden möchten. Also muss ich gehen, leider. Aber es war eine großartige Zeit für mich, ich habe viele interessante Dinge in den drei Jahren erleben dürfen.

Bayernkurier: Was werden Sie mit Bayern und mit der Stadt München künftig verbinden, wenn Sie wieder in den Vereinigten Staaten sind?

Moeller: Ich habe persönlich schon eine lange Beziehung zu Bayern. Zum ersten Mal kam ich als zweijähriges Kind hierher, als mein Vater als US-Offizier in Fürth stationiert wurde. Später habe ich selber als Offizier in Bayern gedient, zwischen 1984 und 1988, aber diesmal in Bad Tölz. Und von 2007 bis 2010 habe ich in der US-Botschaft in Berlin gearbeitet und dabei auch Bayern besucht. Es ist also eine rund 50-jährige Beziehung, die ich zu Bayern habe.

Außerdem sind mehr als 50 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan gefallen, auch das vergessen wir nicht.

William „Bill“ Moeller

Bayernkurier: Aus Ihrer Sicht: Wie hat sich das Verhältnis von Deutschland zu den USA seit den El-Kaida-Anschlägen von 2001 entwickelt?

Moeller: 2001 hat uns Kanzler Schröder uneingeschränkte Solidarität zugesichert und Deutschland hat dieses Versprechen gehalten. In Afghanistan zum Beispiel war und ist es immer noch an unserer Seite, während andere verbündete Nationen schon sehr früh abgezogen sind. Und es war mit zeitweise mehr als 4500 Soldaten der drittgrößte Truppensteller dort nach den USA und Großbritannien. Dafür sind wir Deutschland sehr dankbar. Ich habe selbst mit Deutschen in Afghanistan zusammengearbeitet, als ich 2006 in Kundus das US-Außenministerium in dem von Deutschen geleiteten Wiederaufbauteam vertrat, und gesehen, wie wichtig der deutsche Beitrag für diese Mission war. Ich denke, das wird zu oft unterschätzt, auch hier in Deutschland. Dabei war diese Leistung beeindruckend angesichts der deutschen Geschichte! Schließlich gab es den ersten deutschen Auslandseinsatz erst in den 90er Jahren. Außerdem sind mehr als 50 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan gefallen, auch das vergessen wir nicht. Trotzdem ist Deutschland dort geblieben.

Bayernkurier: Später kam es aber dann doch zu Auseinandersetzungen, etwa beim Irakkrieg oder der NSA-Spähaffäre.

Moeller: Die NSA ist sicherlich ein großes Thema, dem man sich stellen muss. Auch in den Vereinigten Staaten sind viele mit den Geheimdiensten unzufrieden. Außenminister John Kerry hat kürzlich auch gesagt, dass die Geheimdienste in manchen Fällen zu weit gegangen sind.

Bayernkurier: Als sie beispielsweise das Handy der deutschen Kanzlerin und andere Regierungsmitglieder abgehört haben?

Moeller: Das kann nicht gerechtfertigt werden. Aber sehen Sie, man muss bedenken, dass die amerikanischen Geheimdienste nach dem 11. September unter starkem Druck standen, da sie die Anschläge mit rund 3000 Toten nicht verhindert hatten. Auch dort arbeiten Menschen und taten danach eben alles, was technisch möglich war, um Amerika und unsere Verbündeten zu schützen. Präsident Barack Obama hat jetzt klargestellt, dass nur noch das gemacht werden soll, was notwendig ist. Der Kongress hat jetzt ein Gesetz verabschiedet, das für Abhöraktionen einen Gerichtsbeschluss voraussetzt. Wir führen Reformen ein, um den Zugang der Geheimdienste in den USA zu begrenzen.

Bilder aus der Ausstellung „180 Jahre Bayerisch-Amerikanische Beziehungen“:

Bayernkurier: Aber die gelten doch nicht für andere Staatsbürger?

Moeller: Der Präsident hat die Zusage gegeben, dass das auch für Bürger und natürlich für die Regierungschefs von befreundeten Staaten gelten soll. Ich kann Ihnen versichern, wir nehmen die Bedenken der Deutschen ernst. Wir sollten aber nicht überreagieren und die wichtige Zusammenarbeit der Geheimdienste beeinträchtigen. Wir müssen den Mittelweg finden zwischen Privatsphäre, Bürgerrechten, Datenschutz und der Sicherheit und dem Kampf gegen den Terrorismus. Das ist die Kunst. Und die terroristische Gefahr existiert ja nach wie vor, denken Sie nur an Al Kaida oder den Islamischen Staat. Wir leben noch in einer gefährlichen Welt und brauchen unsere Geheimdienste. Es ist kein Zufall, dass es in den vergangenen 14 Jahren keinen Terroranschlag in Deutschland gab. Das ist auch dank der guten Zusammenarbeit unserer Geheimdienste so.

Bayernkurier: Was war das wichtigste Ereignis für Sie in Ihrer Zeit als Konsul?

Moeller: Dass das Amerikahaus bleibt, wo es ist, entgegen anderslautender Pläne. Und dass es modernisiert wird. Dieses Institut gehört auch zu Bayern. Es ist gut, dass der bayerische Staat auch 25 Jahre nach dem Fall der Mauer diese Institution aufrechterhält, um die transatlantische Zusammenarbeit zu fördern und zu pflegen. Wichtig war für mich auch, dass in meiner Amtszeit zwei Mal der US-Vizepräsident nach München kam, das ist nie vorher passiert. Erst zur Münchner Sicherheitskonferenz 2013 und dann wieder 2015. Es war eine große Ehre, ihn hier begrüßen zu dürfen und 2015 dazu noch den Außenminister John Kerry. Auch die Gedenkveranstaltungen zum 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau durch amerikanische Truppen sowie die zum 25-jährigen Jubiläum des Falls der Mauer waren wichtig. Politisch ist gerade auch in den USA viel Wichtiges passiert, denken Sie an die Normalisierung der Beziehungen zu Kuba, das Abkommen mit Iran, die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe durch den Obersten Gerichtshof oder die Verhandlungen über das Handelsabkommen mit der EU.

Es wäre nett gewesen, auch dem US-Präsidenten diese moderne Seite Bayerns zu zeigen, welche unglaubliche Entwicklung das Land in den letzten 70 Jahren gemacht hat.

William „Bill“ Moeller

Bayernkurier: Sie meinen TTIP?

Moeller: Ja, denn das wird der Maßstab für künftige Freihandelsabkommen sein. Jetzt hat der US-Präsident alle Vollmachten vom Kongress erhalten, das wird die Verhandlungen beschleunigen.

Bayernkurier: Zum G7-Gipfel in Elmau: Wie waren Sie hier eingebunden?

Moeller: Wir waren als Konsulat stark involviert, zum Beispiel in die Betreuung der amerikanischen Delegation und Presse beim Gipfel. Auch den Besuch in Krün haben wir organisiert zusammen mit dem Auswärtigen Amt in Berlin und dem Weißen Haus. Und natürlich haben wir gute Kontakte. Thomas Schaller (Anm. d. Red.: Pressereferent des US-Konsulats) kommt aus Mittenwald und kennt persönlich Bürgermeister Adolf Hornsteiner sehr gut. Auch zu Thomas Schwarzenberger, dem Bürgermeister von Krün, hatten wir gute Beziehungen.

Bayernkurier: Sie sprechen vom vermutlich weltweit bekanntesten Weißwurstfrühstück Bayerns?

Moeller: (lacht) Ja, auch das. Aber Präsident Obama hatte sogar einige US-Abgeordnete eingeladen, die jedoch nicht am Gipfel selber teilnahmen. Für die durften wir ein Programm erstellen. Sie haben dann in Mittenwald die Geigenbauschule besucht, eine Ortsführung gemacht, die Brauerei besucht, die das spezielle G7-Gipfelbier produzierte. Am zweiten Tag haben wir drei Firmen besucht: Erst ein von Vertriebenen gegründetes Familienunternehmen, die Firma Dorst in Kochel am See. Sie stellt Maschinen und komplette Produktionssysteme her, ist Marktführer und ein klassischer „Hidden Champion“. Dann BMW und auch das Forschungszentrum in Garching. Die TU München unterhält hier eine großartige Partnerschaft mit General Electric. Es wäre nett gewesen, auch dem US-Präsidenten diese moderne Seite Bayerns zu zeigen, welche unglaubliche Entwicklung das Land in den letzten 70 Jahren gemacht hat, aber er hatte leider in Krün nur 45 Minuten Zeit. Krün war aber sehr erfolgreich, es hätte nicht besser laufen können.

Die bayerische Dirndl-Industrie wird sich auf einen spürbaren Rückgang der Dirndl-Verkäufe einstellen müssen.

William „Bill“ Moeller

Bayernkurier: Werden Sie etwas Bayerisches vermissen?

Moeller: Fast alles! Das deutsche, das bayerische Essen ist wunderbar! Traditionelles Essen. Besonders liebe ich Jägerschnitzel, Rahmschnitzel oder Spätzle – die aus Bayerisch-Schwaben natürlich. Aber auch die vielen Freizeitmöglichkeiten hier, Skifahren, Wandern, Radfahren, Schwimmen. Und all die Sehenswürdigkeiten, die ganze Vielfältigkeit Bayerns, das wird mir fehlen. Sieben Bezirke und alle so verschieden! Wo soll man da anfangen? Schon Franken ist so verschieden, allein die Religionszugehörigkeit. Außerdem haben sie Bierfranken, Weinfranken … erst kürzlich bin ich mit meiner Frau den Radweg am Main von Würzburg nach Aschaffenburg langgeradelt, der war wunderschön. Und meine Frau Nancy wird die Dirndl vermissen. Die bayerische Dirndl-Industrie wird sich auf einen spürbaren Rückgang der Dirndl-Verkäufe einstellen müssen. (lacht)

Bayernkurier: Was ist Ihr Lieblingsplatz in Bayern, in München?

Moeller: Der englische Garten mit dem chinesischen Turm! Das ist für mich der schönste Biergarten auf der Welt. Auch als Soldat bin ich oft nach München gekommen. Da gab es dieses Einkaufszentrum im Perlacher Forst der US Army. Und nach dem Einkaufen bin ich normalerweise direkt in den Englischen Garten gegangen und habe dort eine Maß Bier getrunken.

Die meisten Amerikaner denken, ganz Deutschland ist wie Bayern.

William „Bill“ Moeller

Bayernkurier: In Erfüllung Ihrer Dienstpflicht natürlich?

Moeller: Ja, natürlich. (lacht) Mein anderer Lieblingsort ist das Brauneck! Da habe ich Skifahren gelernt. Und dann noch Garmisch-Partenkirchen. Und ich liebe Nürnberg, weil ich als Kind in Nürnberg war.

Bayernkurier: Was ist die häufigste Frage, die Ihnen Amerikaner zu Bayern gestellt haben? Wo geht’s zur Wiesn?

Moeller: (lacht) Ja, die ist es. Sehen Sie, die meisten Amerikaner denken, ganz Deutschland ist wie Bayern. Sie kennen Bayern und Berlin am besten, weil unsere Soldaten waren und sind ja hauptsächlich in Bayern stationiert. Viele Amerikaner denken, alle Deutschen tragen Lederhosen und Dirndl, in jedem Ort gibt es Oktoberfest und Bier. Es gibt keine andere Region in Deutschland, zu der Amerikaner stärkere Bindungen haben als zu Bayern. Die wunderbaren Bilder vom Gipfel in Elmau werden diesen Eindruck noch verstärken.

Wenn wir nicht zusammenarbeiten, dann setzen Andere die Spielregeln fest und dann zu unseren Lasten.

William „Bill“ Moeller

Bayernkurier: Wo ist Ihr neuer Arbeitsplatz?

Moeller: Als Handelsbeauftragter beim Handelsministerium in Washington. Mein Schwerpunkt dort wird wie schon hier in München auf den TTIP-Verhandlungen liegen. Das kann ein umfassendes Abkommen werden, ein Akt der Partnerschaft und eine Chance für Europa und die Vereinigten Staaten, die Spielregeln für den Welthandel und Investitionen zu schreiben. Deshalb sollten die Deutschen begeistert sein von diesen Verhandlungen. Das wird auch im Interesse der Deutschen sein und wichtig für ihre Wirtschaft. Aber auch für ihre Werte, die wir teilen, wie der Schutz geistigen Eigentums oder der Schutz der Arbeitnehmer und der Umwelt. Wenn wir nicht zusammenarbeiten, dann setzen Andere die Spielregeln fest und dann zu unseren Lasten. Leider halten sich in Deutschland viele Mythen über TTIP, wie zum Beispiel, dass das Abkommen ein Land zwingen könnte, Fracking zuzulassen, die Daseinsvorsorge zu gefährden, oder Genmanipulation oder Chlorhühner zuzulassen. Das wird aber nicht passieren.

Bayernkurier: Werden Sie nach Bayern zurückkommen?

Moeller: Hoffentlich! Ich muss hier doch viele weitere Jubiläen feiern und auch das renovierte Amerikahaus werde ich mir nicht entgehen lassen.

Bayernkurier: Na dann, auf Wiedersehen!

Moeller: Natürlich. Auf Wiedersehen!

Nach dem Interview hat Bill Moeller im Amerikahaus als letzte Amtshandlung noch die Vernissage „Freiheitsstatue und Freistaat – 180 Jahre Bayerisch-Amerikanische Beziehungen“ eröffnet. Diese kann noch bis 2. Oktober im Amerikahaus besichtigt werden. Wollten Sie immer schon wissen, warum Präsident Lincoln an den bayerischen König schrieb, was die Bavaria mit den Türen am US-Kapitol verbindet oder was Bayern mit der beschädigten Weltkugel vor dem 2001 zerstörten World Trade Center in New York? In dieser Ausstellung erfahren Sie es.

Einige der ausgestellten Zitate:

 

Bayern ist ein solcher Traum.

Leonard Bernstein, Dirigent, 1948

 

München ist für Diplomaten so etwas wie ein Traumposten.

Herbert Spivack, US-Generalkonsul, 1975

 

Von allen 250 weltweiten US-Konsulaten glaube ich, mir mit München das Beste ausgewählt zu haben.

Robert Hennemeyer, US-Generalkonsul, 1980

 

Munich is one of the finest cities in the world.

David Fischer, US-Generalkonsul, 1990

 

Ein Hoch auf uns, ein Hoch auf das, was uns vereint… Der Song der Fußball-WM 2014 passt auch perfekt auf die Bayerisch-Amerikanischen Beziehungen.

Ausstellungstext