Kerstin Schreyer ist bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales. (Foto: StMAS/Eleana Hegerich)
Rente

Wir wollen einen Schutzschirm für das Alter

Gastbeitrag Aus dem BAYERNKURIER-Magazin: Anstatt soziale Wohltaten mit der Gießkanne zu verteilen, wie die SPD es plant, geht es darum, mit der Grundrente gezielt bedürftigen Senioren zu helfen, schreibt Bayerns Sozialministerin Kerstin Schreyer.

Das Ergebnis der Europa­wahl war für die SPD desaströs. Die Wähler nehmen der einstigen Volkspartei nicht mehr ab, Ansprechpartner für die sozialen Herausforderungen in unserem Land zu sein. Die Taschenspielertricks der SPD bei der Grundrente sind ein gutes Beispiel für eine Politik, die nicht mehr die Menschen im Fokus hat, sondern nur die nächsten Wahlen.

Finanzielle Wohltaten mit der Gießkanne auszuschütten und dabei auch in Zeiten von staatlichen Rekordeinnahmen vor Steuererhöhungen nicht zurückzuschrecken, hat bei der SPD Methode. Dafür riskiert sie sogar einen Bruch des Koalitionsvertrages. Dort steht klar geschrieben: „Die Grundrente gilt für bestehende und zukünftige Grundsicherungsbezieher, die 35 Jahre an Beitragszeiten oder Zeiten der Kindererziehung bzw. Pflegezeiten aufweisen. Voraussetzung für den Bezug der Grundrente ist eine Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Grundsicherung.“

Das Wort „Bedürftigkeitsprüfung“ ist in diesem Satz das Entscheidende. Denn es ist keine Floskel, sondern Fakt: Die soziale Lage in Deutschland ist hervorragend. Noch nie ging es so vielen Menschen so gut wie heute. Unser Sozialstaat ist dazu verpflichtet, seinen Bürgerinnen und Bürgern das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern – und das tut er auch. Hartz IV – ursprünglich eine Idee der SPD – wird jetzt von den eigenen Schöpfern massiv bekämpft. Dabei müsste das Erfolgsmodell Hartz IV eher gestärkt werden.

Generell gut vorgesorgt

Fakten, Zahlen, Statistiken: Dahinter stecken immer Einzelschicksale. Die Gründe, warum der oder die Einzelne in einer schwierigen Lage steckt, sind meist vielfältig. Sicher ist: Jeder Mensch, der in Armut lebt, ist einer zu viel. Das Engagement von vielen Tausend Ehrenamtlichen, zum Beispiel bei den Lebensmittelausgaben der Tafeln, können wir nicht hoch genug schätzen. Trotzdem: Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass niemand in Bayern auf Essensspenden angewiesen ist. Wir müssen uns um die Menschen kümmern, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Denn natürlich gibt es sie auch in einer so hervorragenden Situation wie jetzt. Und wer genauer auf den einzelnen Menschen schaut, erkennt: Einige Personengruppen haben es schwerer als andere.

Der Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Heil verstößt gegen den Koalitionsvertrag, ist teuer, nicht zielgerichtet und nicht gerecht.

Kerstin Schreyer

Eine dieser Gruppen sind ältere Menschen. Grundsätzlich gilt zwar auch hier: Die Älteren in Bayern haben generell gut vorgesorgt. Sie haben im Altersvergleich und im bundesweiten Vergleich hohe Vermögen und oft Wohneigentum. Deshalb ist auch der Anteil der Empfänger von Grundsicherung im Alter in Bayern mit 2,8 Prozent ziemlich gering, deutschlandweit liegt er bei 3,2 Prozent. Die beste Vorsorge gegen niedrige Renten ist eine ununterbrochene Erwerbsbiografie. Auch hier sind die Vo­raussetzungen in Bayern bestens. Unser Arbeitsmarkt brummt. Unsere Arbeitgeber suchen händeringend nach Arbeitskräften.

Unseriöse SPD-Pläne

Aber die Rente muss die Lebensleistung insgesamt abbilden: Menschen, die jahrzehntelang erwerbstätig waren oder auch viel Zeit in die Erziehung ihrer Kinder beziehungsweise in die Pflege von Familienangehörigen investiert haben, dürfen im Alter nicht zu Bittstellern gemacht werden. Auch solche Leistung muss sich lohnen – und sich im Alter auszahlen.

Die sogenannte Grundrente kann hier eine gute Lösung sein, allerdings nicht so, wie die SPD sie plant. Der Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Heil verstößt gegen den Koalitionsvertrag, ist teuer, nicht zielgerichtet und nicht gerecht. Die Grundrente soll nach seinem Entwurf aus der geplanten Finanztransaktionssteuer finanziert werden. Damit werden Einnahmen verteilt, die es noch gar nicht gibt. Das ist unseriös. Auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für Hotels ist geplant – in Zeiten höchster Steuereinnahmen. Und auch die anteilige Finanzierung aus der Kranken- und Arbeitslosenversicherung ist äußerst fragwürdig. Denn mir leuchtet nicht ein, was mein Besuch beim Arzt mit der Rente meines Nachbarn zu tun hat. Ein sinnvoller und nachhaltiger Vorschlag zur Finanzierung sieht anders aus.

Leistungsgerecht helfen

Doch nicht nur die Finanzierung ist unseriös. Wenn wir niedrige Renten aufbessern, kommen wir um eine Bedürftigkeitsprüfung nicht herum. Der Gesetzentwurf von Bundesminister Heil sieht vor, dass auch Gutbetuchte von der Grundrente profitieren sollen. Das ist angesichts der demografischen Herausforderungen nicht generationengerecht. Dieses Gießkannenprinzip ist nicht akzeptabel, sondern reiner Wahlkampfklamauk.

Wir haben den unseriösen Plänen der SPD daher in Bayern eine Umsetzungsalternative für die Grundrente entgegengestellt: einen Rentenschutzschirm für das Alter. Das ist eine echte Lösung, mit der wir zielgenau und leistungsgerecht da helfen, wo Menschen Hilfe brauchen.

Wir haben dabei vor allem Rentnerinnen und Rentner im Grundsicherungsbezug im Blick. Sie sollen als Anerkennung für ihre Lebensleistung ein höheres Alterseinkommen haben. Das erreichen wir mit einem Freibetrag auf Renten der gesetzlichen Rentenversicherung in der Grundsicherung im Alter.

Anerkennung für Mütter

Die Erziehungsleistung von Müttern wollen wir mit einem Freibetrag in Höhe der Mütterrente zusätzlich honorieren. Und damit ältere Menschen ihr mühsam erspartes (Bar-)Vermögen nicht bis zu einem Restbetrag von 5.000 Euro aufzehren müssen, wollen wir das Schonvermögen spürbar auf 15.000 Euro erhöhen.

Diese Lösung ist unbürokratisch, aus einer Hand und vermischt nicht Fürsorge- und Versicherungssystem. Armut im Alter zu vermeiden, ist eine sozialpolitische Aufgabe – keine rentenpolitische. Wir wollen den Menschen helfen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, ohne dabei den hart arbeitenden Mittelstand oder künftige Generationen zu benachteiligen. So geht verantwortungsvolle Politik für die Menschen in unserem Land.

Kerstin Schreyer ist Bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales.