Schon von klein auf sollen Kinder in Bayern bestmöglich betreut und gefördert werden. (Foto: Imago/Mito)
Erziehung

Kinderbetreuung im 21. Jahrhundert

Gastbeitrag Kinder sind unser höchstes Gut. Damit sie bereits von klein an optimal betreut und gefördert werden, stärkt und entlastet der Freistaat die Familien, baut gezielt die Kitas aus und investiert in qualifiziertes Personal. Von Kerstin Schreyer.

Kinder sind unser höchstes Gut. Damit sie den bestmöglichen Start in ihr Leben haben, sollen sie optimal betreut, von klein auf gefördert und auf die Welt vorbereitet werden. Das wünschen wir uns von unseren Kitas – nicht nur als Mütter und Väter, auch als Bayerische Staatsregierung.

Eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung ist mitentscheidend für einen weiteren erfolgreichen Bildungsverlauf.

Kerstin Schreyer

Da sich die Welt rasant verändert, ist damit auch klar, dass die Kinderbetreuung vor neue Herausforderungen gestellt wird – denken Sie nur an die Digitalisierung, die veränderte Arbeitswelt von Müttern und Vätern, die Familie und Job vereinbaren wollen. Deshalb ist es uns wichtig, Familien zu stärken – nicht nur durch finanzielle Entlastung, sondern auch durch geeignete Beratungsstrukturen und eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung. Werfen wir zuerst einen Blick auf die finanzielle Unterstützung, die Eltern nur hier im Freistaat erhalten:

Schon seit September letzten Jahres können sich alle Mütter und Väter von ein- und zweijährigen Kindern über das Bayerische Familiengeld freuen. Die Eltern bekommen 250 Euro pro Monat und Kind. Ab dem dritten Kind sind es sogar 300 Euro. Dieses Geld zahlen wir aus, unabhängig vom Einkommen und davon, ob eine Familie eine Betreuung in Anspruch nimmt.

Entlastung für Eltern von Kindergarten-Kindern

Jetzt gehen wir den nächsten Schritt zu einer noch kinder- und familienfreundlicheren Gesellschaft: Wir entlasten künftig alle Eltern von Kindergarten-Kindern. Derzeit gibt es schon einen finanziellen Zuschuss für das letzte Kindergartenjahr – diesen weiten wir ab dem 1. April 2019 auf die gesamte Kindergartenzeit aus. Das bedeutet: Für die Eltern ermäßigt sich der Beitrag um 100 Euro im Monat – und zwar ab dem Jahr, in dem das Kind seinen 3. Geburtstag feiert, bis zur Einschulung.

So wichtig die finanzielle Unterstützung für Familien ist, wir wollen sie auch durch eine Beratungsstruktur stärken, die vor Ort und ohne große Hürden erreichbar ist. 149 Familienstützpunkte in Bayern garantieren derzeit ein flächendeckendes Angebot an Rat, Unterstützung und Hilfe für Mütter und Väter – vom Umgang mit einem Schreibaby bis hin zur Frage, wie viel digitaler Konsum Kindern und Jugendlichen gut tut. Der von uns geförderte „Elterntalk“ schafft die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen – niemand muss mit seinen Herausforderungen allein bleiben.

Passgenauer Kita-Ausbau

Neben der finanziellen Entlastung und den Beratungsstrukturen, die wir in Bayern konstant ausbauen und weiterentwickeln, ist die Kinderbetreuung das zentrale Element. Denn Kindergärten und andere Kindertageseinrichtungen sind schon längst elementarer Bestandteil des Bildungsangebots. Eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung ist mitentscheidend für einen weiteren erfolgreichen Bildungsverlauf.

Wir brauchen sehr gut ausgebildete und motivierte Erzieherinnen und Erzieher, denen wir unsere Wertschätzung entgegen bringen.

Kerstin Schreyer

Was brauchen wir dafür, dass die Kinderbetreuung in Bayern weiterhin auf so hohem Niveau bleibt und sich weiterentwickeln kann? Wir brauchen dazu einen ständig fortschreitenden und passgenauen Ausbau der Kitas. Seit 2008 haben wir allein für Kinder unter drei Jahren 80.000 neue Kita-Plätze gefördert. Bis 2023 werden 42.000 Plätze für Kinder bis zur Einschulung dazukommen. Der Bedarf wird weiter steigen – längere Öffnungszeiten sind nötig, um zum Beispiel den Bedarf von Ein-Eltern-Familien abdecken oder die Ganztagsbetreuung garantieren zu können.

Mehr Ausbildungsplätze für Erzieher

Aber: Der zügige Neubau von Plätzen zur Kinderbetreuung und alle Maßnahmen zur qualitativen Verbesserung laufen ins Leere, wenn dafür das Personal fehlt. Wir brauchen deshalb weitere sehr gut ausgebildete und motivierte Erzieherinnen und Erzieher, denen wir unsere Wertschätzung entgegen bringen für die wichtige Arbeit, die sie leisten.

Was die Gewinnung von Fachkräften betrifft, hat die Staatsregierung bereits vor Jahren reagiert: die Standorte von Fachakademien für Sozialpädagogik sind von 39 auf 65 angestiegen. Die Schülerzahlen sind in den letzten zehn Jahren um 70 Prozent gestiegen. Wir setzen neben der regulären Ausbildung auf neue Quereinsteigerprogramme und Ausbildungskonzepte wie die Erzieherausbildung mit optimierten Praxisphasen, die ein Erfolgsmodell ist.

Wie schon zu Anfang betont: Kinder sind unser höchstes Gut. Deshalb sind wir stolz auf unsere Erzieherinnen und Erzieher, Tagespflegekräfte und alle anderen, die mit viel Herzblut unsere Kinder in das Leben begleiten.

Bessere Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen

Es reicht aber nicht, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Wir müssen junge Menschen für die verantwortliche Tätigkeit in der Kinderbetreuung begeistern und ihnen eine langfristige Perspektive bieten. Es ist mir wichtig, dass unsere Fachkräfte nicht nach einigen Jahren erschöpft und frustriert ihrem Beruf den Rücken kehren. Dafür muss sich eine ganze Reihe an Punkten weiterentwickeln:

Ganz vorne steht die Bezahlung der Fachkräfte. Dabei geht es nicht um ein paar Euro hin oder her. Es geht mir um einen ganz zentralen Gedanken, der nicht nur die Erzieherinnen und Erzieher betrifft: Wie viel ist uns allen die Arbeit am Menschen wert? Das betrifft die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krankenhäusern und Pflegeheimen genauso wie die Fachkräfte in der Kinderbetreuung und noch viele mehr. Dabei meine ich auch nicht nur den finanziellen Aspekt – es geht mir genauso um die Wertschätzung. Wir vertrauen diesen Menschen unsere Zukunft, unsere Kinder an, wir vertrauen darauf, dass sie den Grundstein für eine gute Entwicklung, Bildung und Sozialkompetenz legen. Das sollte einen sehr hohen Stellenwert für uns alle haben. Wertschätzung zeigt sich auch darin, dass Fortbildungsstreben und Weiterbildung honoriert werden, indem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Chancen für die eigene Entwicklung aufgezeigt werden.

Der Freistaat Bayern trägt in der Kindertagesbetreuung Tariferhöhungen jederzeit voll mit.

Kerstin Schreyer

Das Gehalt von Erzieherinnen und Erziehern zu verhandeln, ist Sache der Tarifparteien, leider nicht der Familien- und Sozialpolitiker. Aber als Familienministerin ist es meine Aufgabe, zum Beispiel auf das sehr veraltete System der Bezahlung nach Zahl der betreuten Kinder hinzuweisen und auf die fehlenden Entwicklungsmöglichkeiten von Erziehern und Erzieherinnen.

Deshalb ist mir wichtig: Der Freistaat Bayern trägt in der Kindertagesbetreuung Tariferhöhungen jederzeit voll mit. Wenn der Tarif steigt, erhöht der Freistaat automatisch seinen Zuschuss. Das haben wir gesetzlich so geregelt. Aber es liegt an den Tarifparteien, sich auf höhere Löhne zu einigen.

Weniger Bürokratie, mehr Zeit für Kinder

Neben einer besseren Bezahlung müssen wir auch die Arbeitsbedingungen ins Visier nehmen. Kinder, die heute in die Kita kommen, sind keine homogene Gruppe. Sie haben einen unterschiedlichen Entwicklungsstand, hinzu kommen die kulturelle Vielfalt und die Tatsache, dass Eltern heute stärker in die Betreuung ihrer Kinder eingebunden werden und auch mitreden wollen. Dafür brauchen die Erzieherinnen und Erzieher Zeit. Und die müssen wir ihnen verschaffen – sowohl für die individuelle Förderung der Kinder, als auch für Elterngespräche.

Mittelfristig ist es mir ein großes Anliegen, dass wir kleinere Gruppen in den Kitas haben.

Kerstin Schreyer

Wenn wir unser Niveau halten beziehungsweise weiterentwickeln wollen, müssen wir auch die Leitung der Kitas weiterentwickeln. Die Kitaleitungen haben zu wenig Möglichkeit, an die Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter und der Einrichtung zu denken. Das ist aber erforderlich, um Strukturen und Inhalte durchdenken und anpassen zu können. So müssen zum Beispiel die Betreuungszeiten flexibler werden, weil wir immer unterschiedlichere Arbeitsmodelle haben – eine der Auswirkungen der Internationalisierung der Arbeitsprozesse.

Die Kitas brauchen auch eine Entlastung bei der Verwaltung. Hier wünsche ich mir eine Unterstützung durch die Kommunen. Wir müssen aber auch noch einmal kritisch hinterfragen, an welchen Stellen wir Bürokratie abbauen können. Die positive Folge wäre: Erzieherinnen und Erzieher haben Zeit für die Kinder und deren Eltern, also für den Beruf, für den sie ausgebildet wurden. Mittelfristig ist es mir ein großes Anliegen, dass wir kleinere Gruppen in den Kitas haben, damit sich Erzieherinnen und Erzieher noch intensiver um jedes einzelne Kind kümmern können.

Arbeitsteilung im Team

Natürlich wird das erst möglich sein, wenn wir genügend Fachkräfte haben. Wir brauchen deshalb eine Offensive, um Erzieherinnen und Erzieher dauerhaft zu binden, zum Beispiel, um sie nach Familienphasen wieder in den Beruf zurückzuholen. Ein weiterer Schritt wird die Unterstützung durch Assistenzkräfte sein. Wir werden in diesem Jahr die Festanstellung von 2.000 Tagespflegekräften in bayerischen Kitas fördern.

Kitas können beispielsweise auch ihre Öffnungszeiten verlängern, ohne ihre Teams noch mehr zu strapazieren. Es ist zum Beispiel möglich, dass die ersten fünf Kinder von einer Tagespflegekraft in Empfang genommen werden – das muss noch nicht die Erzieherin oder der Erzieher sein. Wichtig ist vielmehr, dass die Kinder immer die gleiche Bezugsperson haben.

Zeit zur Weiterbildung

Aus all den hier genannten Gründen ist es mir wichtig, neben der finanziellen Entlastung von Familien genauso intensiv die Kitas fit für die Zukunft zu machen. Unsere Erzieherinnen und Erzieher leisten eine ganz hervorragende Arbeit. Wir müssen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass das auch so bleibt. Dafür braucht es Zeit – Zeit zur Reflexion, zur Weiterentwicklung der Einrichtung und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn wir den Erzieherinnen und Erziehern diese Zeit verschaffen, werden sie nie ihre Freude an der Arbeit verlieren. Und diese Freude und Herzenswärme überträgt sich auf unsere Kinder. Sie werden dadurch innerlich stabil, erhalten neben den kognitiven auch die emotionalen Fähigkeiten, die sie brauchen, um stabile Persönlichkeiten im Leben und in der Gesellschaft zu werden.

Kerstin Schreyer ist Bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales.