Die SPD ist dem Untergang geweiht, wenn sie sich nicht auf ihre früheren Stärken als linke Volkspartei besinnt. (Symbolfoto: Imago Images/Ralph Peters)
Krise

Die SPD braucht einen Neuanfang

Kommentar Von der Alten Tante zur Toten Oma: Die SPD ist am Ende. Wenn ihr noch etwas helfen könnte, wäre das die konsequente Ausrichtung an alten Idealen: Aufstieg für die Fleißigen, Verantwortung für Deutschland – mithin ein neues Godesberger Programm.

Sie kränkelte schon seit Jahren, doch die jüngsten Vorgänge rund um Europa- und Bremenwahl, Linkskurs, internen Intrigen und Rücktritt der Vorsitzenden haben der SPD endgültig den Totenschein ausgestellt: Die frühere Alte Tante der deutschen Politik ist nun die Tote Oma. Leider.

Denn Deutschland bräuchte eigentlich eine verantwortungsgeleitete Volkspartei auf der linken Seite des Spektrums – als komplementäres Element zu den bürgerlichen Volksparteien CDU und CSU ist sie unverzichtbar. Und um eine weitere Radikalisierung linker Politik zu verhindern. Die Klientelpartei der besserverdienenden und Ideologie-geleiteten grünen Verbotsethiker kann diese Rolle nicht ausfüllen.

Spaltpilz Agenda-Reformen

Der Spaltpilz und die Schwindsucht grassieren in der SPD spätestens seit den Agenda-Reformen von Gerhard Schröder. Was damals und heute unbestritten das Beste für Deutschland war und einen der Gründe legte für den nachfolgenden langanhaltenden Aufschwung und Aufbau von Millionen Arbeitsplätzen, erwies sich für den inneren Zusammenhalt der SPD als fatal: Der linke Flügel, darunter ein Großteil der Gewerkschaftsfunktionäre, spaltete sich ab und vereinigte sich unter Patronage des Ex-SPD-Chefs Lafontaine mit den Resten der DDR-Staatspartei SED/PDS zur Linkspartei. Übrig blieb ein Rumpf von Stammwählern, die nicht mehr das Potenzial für 40, nach einigen Jahren Merkel und medialer Grünen-Förderung nicht einmal mehr für 30 Prozent hatten – sondern bestenfalls für 25 Prozent.

Spätestens damals hätte die SPD sich ehrlich machen können. Ihr fehlte schon 2009 die strategische Machtperspektive. Weder die Kandidaten Steinbrück noch Steinmeier noch Schulz konnten ernsthaft auf den Einzug ins Kanzleramt hoffen, zumal in früheren Jahren der Zorn auf den abtrünnigen Lafontaine ein rot-rot-grünes Bündnis ausschloss. Zuletzt wäre die SPD auch noch dazu bereit gewesen, doch einem solchen Linksbündnis fehlte bei der Bundestagswahl 2017 die Mehrheit. Es wäre ohnehin eine sicherheits-, gesellschafts-, sozial- und wirtschaftspolitische Katastrophe für Deutschland.

Letztes Aufflackern

Nach dem Platzen der Jamaika-Pläne ließ sich die bereits ausgepumpte und auf 20,5 Prozent abgestürzte SPD Anfang 2018 äußerst widerwillig vom Bundespräsidenten Steinmeier in eine erneute „große“ Koalition zwingen. Das war das letzte Aufflackern von staatspolitischer Verantwortung, wie sie die SPD 1959 mit dem Godesberger Programm formuliert hatte. Diese Zusage an die Soziale Marktwirtschaft war die Grundlage dafür, dass die SPD seinerzeit zu einer Volkspartei der linken Mitte reifen und letztlich 1969 ins Kanzleramt einziehen konnte. In der Folge prägte die SPD die Bundespoplitik der kompletten 1970er Jahre. Und erst der Mittekurs Schröders führte auch zur Regierungsübernahme 1998.

Doch seit dessen Agenda und der Spaltung der Partei ging es kontinuierlich abwärts. Der SPD ging die Vision verloren, die Verheißung, wie das Land in fünf, zehn, 20 Jahren ausschauen soll – aber auch das grundlegende Versprechen, dass auch einfache Arbeitnehmer sich ein kleines Vermögen zusammensparen können. In drei großen Koalitionen setzte die SPD als Juniorpartner leider viele linke Wünsche auf Kosten der Steuer- und Beitragszahler sowie der kleinen Firmen durch. Aber die SPD-Anhänger und -Funktionäre hatten keine Freude mehr daran.

SPD-Basis will „grün“ sein

Vielmehr sehnten sich immer mehr Genossen – vor allem die jungen – im Grunde danach, grün zu sein, mithin nach dem spätestens Ende der 1970er Jahre verlorengegangenen Gestus des moralisch Überlegenen. Die SPD begann deshalb, immer mehr Rhetorik und Ziele der Grünen zu übernehmen und ihnen nachzueifern – von der Familien- und Gesellschaftspolitik über die Zuwanderungsromantik bis zu Wirtschaft und Steuern, zuletzt in der Forderung nach einer Klimasteuer. Alles Punkte, die gerade die eigene Klientel, Rentner und Niedrigverdiener, erheblich schädigen würden.

Zudem hat die SPD schon lange die frühere, ursprüngliche Stammklientel aus dem Auge verloren, nämlich – pauschal ausgedrückt – die aufstrebenden fleißigen Arbeiter und Angestellten, die sich und ihrer Familie ein eigenes Häuschen mit Garten erarbeiten wollen. Diese Leute haben allerdings kein Interesse an hohen Steuern, sobald sie selbst etwas zu verlieren haben. Doch die SPD rückte programmatisch immer weiter nach links, verteilte regelmäßig das Geld der Steuerzahler mit der Gießkanne.

Scharfe Konkurrenz

Doch was macht der Wähler, wenn sich eine Partei programmatisch an andere heranmacht? Er wählt das Original. Das ist hier die Linkspartei, für Geringverdiener und Umverteilungsfantasten, oder aber die Grünen, für besserverdienende, kulturbeflissene Öko-Apostel mit Freude am Vielfliegen und dicken Autos. Auch die Union sollte sich dieses warnende Beispiel zu Herzen nehmen.

Man weiß, was jetzt gefordert wird: Die SPD müsse noch weiter nach links. Mit dem Blick auf Kevin Kühnerts Enteignungsphantasien sowie auf Ralf Stegners Schmerzensmann-Gesicht muss man das Schlimmste befürchten. Höhere Steuern, Genderwahn, noch mehr Öko-Ideologie, trotz der höchsten Strompreise Europas noch viel teurere Energie und weg mit dem letzten Rest ökonomischer Vernunft. Das verbliebene Publikum wird sich abwenden – von 20,5 Prozent bei der Bundestagswahl 2017 und 15,8 bei der Europawahl 2019 ist noch Luft nach unten.

Ruck der Vernunft

Was die SPD jetzt bräuchte, wäre ein Ruck der Vernunft. Also die Einsicht, dass der eigentliche Platz einer ernstzunehmenden und konstruktiven Mitte-Links-Volkspartei rechts von den derzeitigen Positionen der SPD liegt. Vor allem ein neues klares Bekenntnis zum Leistungsprinzip und zur Sozialen Marktwirtschaft, eine Absage an die Sozial-Gießkanne und an diverse linke Mode-Ideologien. Die SPD braucht also nichts weniger als ein neues Godesberg.