Sitzung des Klimakabinetts: Protestschilder vor dem Kanzleramt in Berlin. (Bild: imago images/epd-bild/Christian Ditsch)
Klimakabinett

Mit Tausch und Technik

Nach der Europawahl tagt das Klimakabinett. Die Minister sollen Vorschläge vorlegen, wie die Klimaziele 2030 erreicht werden sollen. Innen- und Bauminister Horst Seehofer will liefern - und rennt damit beim Handwerk offene Türen ein.

Zum zweiten Mal ist das sogenannte Klimakabinett zusammengetreten. Die zuständigen Bundesminister legten in dieser Sitzung Vorschläge vor, wie jeweils in ihrem Ressort der Klimaschutz gestärkt und die Kohlendioxid-Belastung gesenkt werden kann. Dies betrifft etwa die Bereiche Verkehr, Energie und Landwirtschaft. Diese Maßnahmen fließen alle in ein umfassendes Klimaschutzgesetzgebungspaket ein. Derzeit verpasst Deutschland sowohl nationale als auch verbindliche europäische Klimaschutz-Ziele, es drohen hohe Kosten.

Ehrgeizige Ziele

Diese Vorschläge sollen nun weiter konkretisiert werden. Noch im Juli will sich das Klimakabinett mit der Fragestellung einer CO2-Bepreisung befassen – dies ist in der schwarz-roten Koalition umstritten. Grundlage seien Gutachten, die derzeit erarbeitet werden. Im September soll dann eine Grundsatzentscheidung über Gesetze und Maßnahmen für mehr Klimaschutz getroffen werden.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: „Die Bundesregierung bekräftigt ihre Absicht sicherzustellen, dass Deutschland die Klimaziele 2030, auf die es sich international verpflichtet hat, einhält.“ Dies bedeute Jahr für Jahr deutliche zusätzliche CO2-Reduktionen. „Angesichts des fortschreitenden Klimawandels sieht sie darin einen wesentlichen Schwerpunkt ihrer Arbeit.“ Dabei leite die Bundesregierung das Ziel, eine „sehr ehrgeizige“ Reduktion der Treibhausgase im Einklang mit Wohlstand, sozialer Sicherheit und wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit im gesellschaftlichen Konsens zu erreichen.

Sanierung steuerlich absetzen

Eine steuerliche Absetzbarkeit der energetischen Gebäudesanierung als Beitrag zum Klimaschutz würde nach den Worten von Innen- und Bauminister Horst Seehofer (CSU) eine Milliarde Euro pro Jahr kosten, aber viel bringen. „Das wäre ein kraftvoller Schritt. Der Austausch alter Heizungen, Fassaden und Dachstühlen könnte den CO2-Ausstoß bei Altgebäuden spürbar verringern“, sagte Seehofer der Deutschen Presse-Agentur. Bisher steht im Koalitionsvertrag von Union und SPD nur, dass die Gebäudesanierung steuerlich gefördert werden soll, aber nicht wie.

Eins ist klar: Wohnen muss bezahlbar bleiben.

Horst Seehofer

Seehofer: „Eins ist klar: Wohnen muss bezahlbar bleiben. Das ist für mich neben dem Klimaschutz ein gleichwertiges Ziel. Ich werde mich deshalb nur für solche Maßnahmen einsetzen, die beides sicherstellen.“

Zustimmung beim Handwerk

Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer bezeichnete die von Seehofer angedachte Maßnahme als wichtigen Hebel für mehr Klimaschutz. Die energetische Gebäudesanierung soll den Energieverbrauch fürs Heizen und warmes Wasser verringern, etwa durch eine bessere Isolierung oder eine moderne Heizung.

Die größte Ressource zum Energieeinsparen liegt in der energetischen Gebäudesanierung.

Hans Peter Wollseifer, Handwerkspräsident

Wollseifer betonte: „Die größte Ressource zum Energieeinsparen, die wir in Deutschland heben können, die liegt in der energetischen Gebäudesanierung.“ Eine steuerliche Absetzbarkeit dabei wäre ein richtiger und guter Schritt. „Dass wir an dieser Stelle etwas tun müssen, wenn wir unsere Klimaschutzziele erreichen wollen, das haben wir der Bundesregierung schon seit langem gesagt“, so Wollseifer. Das Handwerk hoffe, dass es nun im dritten Anlauf klappe und auch die Länder mitmachten.

Lob für das Klimapaket

Auch laut der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. – besteht durch den Austausch alter Heizungen, Fassaden und Dachstühlen großes Potenzial bei der Einsparung von CO2. „Wir müssen diese Chance zur CO2-Minderung bei privaten Bestandsbauten massiv nutzen. Denn bei jeder Gebäudesanierung ohne energetische Verbesserung geht wertvolles Einsparpotenzial für zwei bis drei Jahrzehnte verloren“, so vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt.

Für uns ist wichtig, dass das Gesamtkonzept technologieoffen ist und Anreize für Innovationen enthält.

Anja Weisgerber

„Wir gehen den Klimaschutz konkret an. Das bedeutet, dass wir sehr viele Maßnahmen zur CO2-Reduzierung in allen Sektoren auf den Weg bringen. Damit stellen wir ganz konkret die Weichen für mehr Klimaschutz – vor allem über technologische Lösungen zur CO2-Einsparung“, so die Beauftragte der CDU/CSU-Fraktion für Klimaschutz, Anja Weisgerber (CSU). Das bringe auch Chancen für Wirtschaft und Arbeitsplätze mit sich. Alle notwendigen Gesetzesänderungen müssten „so schnell wie möglich“ kommen. „Denn dieses Jahr ist das Schicksalsjahr für die Klimaschutzpolitik“, so Weisgerber weiter. Aber es gelte: „Für uns ist wichtig, dass das Gesamtkonzept technologieoffen ist und Anreize für Innovationen enthält.“

Schlechtes Gesetz der SPD-Ministerin

In der schwarz-roten Koalition ist der Weg zu mehr Klimaschutz umstritten. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) will per Gesetz regeln, wie stark Bereiche wie Verkehr, Industrie oder Landwirtschaft ihren Treibhausgas-Ausstoß Jahr für Jahr senken müssen. Konkrete Maßnahmen dafür festzulegen, überlässt sie in ihrem Entwurf den Fachressorts. „Das ist ein Taschenspielertrick, ein Rahmengesetz machen, das die anderen zwanghaft erfüllen sollen, wo sie dann auch noch jahresscharf die Vorgaben macht, aber niemand sagt, wie das finanziert werden soll“, ärgerte sich der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein im Deutschlandfunk. „Wo kommen wir denn da hin, wenn sich die Umweltministerin als Superministerin aufstellt und sagt, sie macht die Vorgaben, jahresscharf, ressortscharf? Sie setzt die Sanktionen fest.“ Außerdem könne man technische Innovationssprünge nicht planen. „Wir wollen kein abstraktes Gesetz; wir wollen ein Gesetz – und das haben wir von Anfang an gesagt –, in dem konkrete Maßnahmen genannt sind, wie wir den Klimaschutz voranbringen wollen“, betonte Nüßlein.

Dagegen gibt es erhebliche Proteste in der Union, die das einerseits für Planwirtschaft halten und andererseits für den Aufbau eines „Neben-Kanzleramtes“, das alle anderen Ministerien kontrolliert. Mit festen Vorgaben hat man außerdem in Deutschland keine guten Erfahrungen gemacht, da diese sich oft nicht am technisch Machbaren orientieren und daher nur selten eingehalten werden können. Auch Seehofer machte deutlich, dass er den Entwurf Schulzes für ein Klimaschutzgesetz ablehnt: „Ich halte das nicht für zweckmäßig.“

Wir wollen erlauben, erleichtern und ermöglichen und nicht verbieten, verteufeln und verteuern.

Andreas Scheuer

Einsparungen im Verkehrsbereich

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket die Klimaziele auch im Verkehr erreichen. „Dabei wollen wir erlauben, erleichtern und ermöglichen und nicht verbieten, verteufeln und verteuern“, sagte Scheuer nach der Sitzung des Klimakabinetts in Berlin.

Der CSU-Politiker schlägt insgesamt mehr als 50 Maßnahmen vor, mit denen Klimaziele 2030 erreicht werden könnten. „Wir haben sehr viele Hebel“, so Scheuer. „Wenn wir an jedem einzelnen ansetzen, können wir eine durchschlagende Wirkung erzielen, ohne Menschen mehr zu belasten.“ Die Pläne des Ministers sind im Wesentlichen bekannt. So soll die staatliche Prämie für den Kauf von Elektroautos verlängert und deutlich erhöht werden. Außerdem will Scheuer die Mehrwertsteuer auf Tickets im Bahn-Fernverkehr von 19 auf 7 Prozent senken.

Technologie entwickeln

Künftig soll Wissenschaft und Technik offenbar auch wieder Vorrang vor oft utopischen und vorschnellen Wünschen aus der Politik bekommen. Scheuer will nämlich ein milliardenschweres Förderprogramm für die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie als ein Antrieb der Zukunft für Autos auflegen. Außerdem sollen viel stärker als bisher Kraftstoffe eingesetzt werden, die aus Pflanzen und aus Strom gewonnen werden. „Wir gehen voll auf saubere Treibstoffe“, sagte Scheuer. „Deutschland muss hier Champion werden.“

Vor allem der Verkehrsbereich soll liefern, damit die Klimaziele 2030 erreicht werden können. 2018 waren die Treibhausgasemissionen zwar leicht zurückgegangen, in den Jahren zuvor aber nicht gesunken.