Mord unter Kriminellen: Graffiti des 2018 erschossenen Clan-Mitglieds Nidal R. am Tatort in Berlin-Tempelhof. (Bild: imago images/Travel Stock Image)
Seehofer

Die deutsche Gesellschaft als Beute

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat in der Bild-Zeitung einen 7-Punkte-Plan für mehr Sicherheit vorgelegt. Darin geht es um die Bekämpfung von Clan-Kriminalität, ausländischen Straftätern, Messerstechern sowie des Darknet.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat einen 7-Punkte-Plan für mehr Sicherheit in Deutschland vorgestellt. Insbesondere der Clan-Kriminalität will der Minister einen Riegel vorschieben, aber auch Messerstecher, Einbrecher, ausländische Straftäter und Cyber-Kriminelle sollen es künftig schwerer haben.

Der rechtstreue Bürger wird als ‚Opfer‘, die deutsche Gesellschaft als Beute und unsere Gesetze und Regeln als nicht verbindlich betrachtet.

Horst Seehofer, über Clans

„Der rechtstreue Bürger wird als ‚Opfer‘, die deutsche Gesellschaft als Beute und unsere Gesetze und Regeln als nicht verbindlich betrachtet“, so Seehofer über die Clans in der Bild-Zeitung. In den Ländern Berlin und Nordrhein-Westfalen – in letzterem seit dem Regierungswechsel zur CDU – wurde zuletzt endlich stärker gegen die kriminellen Clans vorgegangen, es bleibt aber noch viel zu tun.

Fahndungsdruck erhöhen

Der Bundesinnenminister will diesen Kampf nun mit verschiedenen Maßnahmen unterstützen. Für den Kampf gegen Clan-Kriminalität soll etwa das Bundeskriminalamt (BKA) mehr Personal bekommen. Zudem entwickelt das BKA zusammen mit den Ländern ein spezielles Anti-Clan-Konzept, kurz „BLICK“.

Ziel der neuen Bund-Länder-Initiative sei es, Strukturen, Arbeitsweisen und Verflechtungen krimineller Clans aufzudecken, berichtete die Bild-Zeitung. Mit diesen Informationen ausgestattet sollten die Länder vor Ort den Fahndungsdruck auf die Clans erhöhen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die reformierte Vermögensabschöpfung bei Kriminellen, die seit einiger Zeit erlaubt, Vermögen zu beschlagnahmen, dessen rechtmäßige Herkunft von den Eigentümern nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann.

Den Rechtsstaat durchsetzen

„Der Rechtsstaat muss sich gegen diese kriminellen Subkulturen durchsetzen. Ich habe den Ländern daher jede Unterstützung angeboten“, erklärte Seehofer. Das Thema werde auch bei der Innenministerkonferenz in Kiel im Juni eine Rolle spielen.

Das reiche Deutschland gilt als Paradies für Banden.

Oliver Malchow, GdP

Seehofer hat zudem angekündigt, bis 2025 zusätzlich 11.300 Stellen bei der Bundespolizei zu schaffen. Seit 2015 wurden dort bereits 9200 neue Stellen geschaffen, bis 2021 sind weitere 3500 vereinbart. Insgesamt wurde und wird die Bundespolizei also seit 2015 um 24.000 Stellen aufgestockt.

Parallelgesellschaften zerschlagen

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland: „Die vermehrten Razzien gegen kriminelle Banden in mehreren Bundesländern zeigen: Der Staat ist verstärkt gewillt, sogenannte Großfamilien massiv unter Druck zu setzen und Parallelgesellschaften zu zerschlagen.“ Dazu seien aber viel Personal und eine enge Zusammenarbeit von Polizei, Justiz, Zoll und Steuerbehörden notwendig.

Arabischstämmige kriminelle Clans und ihre Nachfolgeorganisationen sind das Ergebnis naiver und fahrlässiger Politik, die es noch immer gibt.

Rainer Wendt, DPolG

Malchow sagte weiter, die GdP unterstütze die Bestrebungen von Bund und Ländern, ein Lagebild zur Clankriminalität zu erstellen. „Das reiche Deutschland gilt als Paradies für Banden.“ Hier gebe es viel Geld zu verdienen. Die Polizei müsse vor allem auf die Anpassungsfähigkeit der Täter reagieren.

Sein Kollege von der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, begrüßte zwar vor ein paar Tagen auf Facebook auch die vermehrten Razzien. Er warnte aber: „Man darf sich keine Illusionen machen: Was jahrzehntelang verschwiegen, verniedlicht und geleugnet wurde, kann nicht in kurzer Zeit aufgedeckt und beendet werden.“ Arabischstämmige kriminelle Clans und ihre Nachfolgeorganisationen seien das Ergebnis „naiver und fahrlässiger Politik“, die es noch immer gebe.

„So ist das eben, wenn man jahrzehntelang von einer multikulturellen Gesellschaft und kultureller Vielfalt schwadroniert und glaubt, das regelt sich schon irgendwie“, kritisierte Wendt. „In Wahrheit gehören eben auch Kriminalität, Gewalt, Abschottung und die totale Ablehnung unserer Werte, Gesetze und Regeln dazu.“

Wendt weiter: „Hoffen wir, dass wenigstens an dieser Stelle der kriminalpolizeiliche Sachverstand über politisch oft gewollte Integrationsromantik gestellt wird. Es wird viele Jahrzehnte dauern, dieses Phänomen in den Griff zu bekommen. Ob es gelingt, steht in den Sternen.“ Wendt forderte „endlich mindestens eine länderübergreifende Fachstrategie“, Vorratsdatenspeicherung und Beweislastumkehr. Sonst sei der Kampf gegen diese Banden verloren. Wendts Fazit: „Und wenn wir das weiterhin grünen Träumern und Ideologen überlassen, wird Deutschland auch an dieser Stelle scheitern.“

Es wird viele Jahrzehnte dauern, dieses Phänomen in den Griff zu bekommen.

Rainer Wendt

Sogar Berlin kommt in die Gänge

Sogar Berlins rot-rot-grüner Senat will nun nach jahrzehntelanger Tatenlosigkeit einschlägig bekannte Clans daran hindern, ihre Beute in Immobilien zu investieren. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sagte dem Tagesspiegel: „Das Einsickern von bemakeltem Geld in den legalen Kreislauf muss gestoppt werden.“

Dem Justizsenator zufolge gibt es bundesweit circa 60.000 Meldungen von Geldwäscheverdachtsfällen bei der FIU, der zuständigen Stelle beim Zollkriminalamt. Die meisten Meldungen kommen von Banken, bislang nur fünf von Notaren – davon eine aus Berlin. Man werde die Berliner Notare nun sensibilisieren. Jeder Kauf einer Wohnung oder eines Grundstücks muss von einem Notar beurkundet werden. Immer wieder hatten Angehörige bekannter Mehrfachtäter in Berlin teure Immobilien mit mutmaßlichem Beutegeld gekauft.

Clans im Visier

Im Januar hatte das BKA angekündigt, Verbrechen von türkisch- und arabischstämmigen Clans in Deutschland genauer ins Visier zu nehmen. Im nächsten Bundeslagebild zur Organisierten Kriminalität soll es erstmals ein Kapitel „Kriminelle Mitglieder von Großfamilien ethnisch abgeschotteter Subkulturen“ geben. Eine entsprechende Arbeitsgruppe soll dafür mehr als ein Dutzend neue Stellen bekommen. Das BKA teilte auf dpa-Anfrage mit, das lokale Einschreiten sei wichtig, aber die Erhellung kriminalistischer Zusammenhänge sei ein wesentlicher Erfolgsfaktor.

Vor allem in Berlin, Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen wurde laut BKA zu Jahresbeginn intensiv in Sachen Clan-Kriminalität ermittelt. So beschlagnahmte etwa im August 2018 die Polizei allein in Berlin von einem arabischstämmigen Clan 77 Immobilien im Wert von mehr als neun Millionen Euro.

Kampf um die Sicherheit

Im Interview mit Bild ging Seehofer auch auf andere aktuelle Projekte der Bundesregierung im Sicherheitsbereich ein – dazu gehört die konsequentere Abschiebung ausländischer Straftäter, besseren Datenaustausch zur Verhinderung von Mehrfach-Identitäten bei Migranten ebenso wie deutlich mehr „Waffenverbotszonen“, die Kommunen festlegen können. Dazu gehören Kriminalitätsschwerpunkte wie der Berliner Alexanderplatz, außerdem Kindergärten, Schulen, Stadien, Konzerte oder Volksfeste. Dies richtet sich besonders gegen die Zunahme von Messerattacken. Künftig kann das Tragen eines Messers an diesen Orten schon strafbar sein.

Auch das Abhören verschlüsselter Kommunikation zwischen mutmaßlichen Mitgliedern von Einbrecherbanden und jetzt auch Einzeltätern soll laut Seehofers Worten möglich werden. Straftaten im Darknet sollen nun besser geahndet werden können. „Was in der Realwelt strafbar ist, muss auch im Internet strafbar sein“, betonte Seehofer. Internet-Provider will der Innenminister zudem wie in den USA verpflichten, Kinderpornographie auf ihren Servern zu suchen und sofort dem BKA zu melden – sowie innerhalb einer Stunde zu löschen.

(dpa/BK)