Bislang ist bei uns die Bundesrepublik für Asylverfahren zuständig. SPD-EU-Kandidatin Barley will, dass die EU Flüchtlinge künftig direkt auf die Kommunen verteilt – das würde zu Chaos führen. (Symbolfoto: Imago Images/Christian Ohde)
EU-Asylpolitik

Barleys gefährliche Idee

Kommentar Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, glänzt mit einer schlechten Idee: Die EU soll Asylbewerber direkt in willige Kommunen verteilen – und die Nationalstaaten umgehen. Die Folgen wären fatal.

Eine ganz großartige Idee hatte da Katarina Barley, Bundesjustizministerin und EU-Spitzenkandidatin der SPD: Die Nationalstaaten sollen beim Flüchtlingsthema entmündigt werden. Die EU solle die Zuwanderer ohne Beteiligung der Staaten aufnehmen und in Eigenregie direkt in diejenigen europäischen Kommunen verteilen, die dazu bereit sind; diese sollen sich um die Flüchtlinge „bewerben“.

Das bedeutet im Klartext: Wenn eine nationale Regierung den falschen linken Moralismus nicht teilt, wird eben von linken Bürgermeistern an ihr vorbei entschieden. So geht Demokratie nach Barley.

Ein Horrorszenario

Abgesehen davon, dass die meisten EU-Mitgliedstaaten diesem erneuten deutschen Hochmut-Befehl mit gutem Grund niemals zustimmen würden, spielen wir diese Schnapsidee einmal durch: Einzelne Städte mit links-grün-beflissenen Bürgermeistern und Ratsmehrheiten – sagen wir mal Bremen, Berlin, Hamburg und so weiter – würden binnen kurzer Zeit jede Menge neuer Asylbewerber aufnehmen.

Städte, die gleichzeitig die schlechtesten Finanzen und höchsten Schulden haben, wie Berlin und Bremen, könnten die finanziellen Lasten allerdings niemals aus eigener Kraft stemmen. Denn jeder Flüchtling schlägt nach einer Aufstellung von 2016 mit etwa 12.000 bis 20.000 Euro jährlich zu Buche, dazu kommen hohe Kosten für Sprach- und Integrationskurse, Kindergärten und so weiter. Minderjährige (oder angeblich minderjährige) Flüchtlinge kommen wegen der aufwändigen individuellen Betreuung nochmals wesentlich teurer, man geht hier von 60.000 bis 100.000 Euro pro Person und Jahr aus. Die Folge: Die Schuldenberge würde weiter steigen – obendrein mit langfristig hohen Belastungen.

Genau diese Städte haben aber meist schon heute am stärksten mit Integrationsproblemen zu tun, mit hoher Ausländerarbeitslosigkeit, Ghettobildung, hoher Sozialhilfequote und so weiter. Diese Tendenzen besonders in Stadtteilen mit nahe oder sogar über 50 Prozent Migranten sind hinlänglich bekannt. Als warnende Beispiele dürfen hier Berlin-Neukölln, Dortmund-Nordstadt, Duisburg-Marxloh, Hamburg-Eidelstedt, Bremen-Huchting oder Köln-Chorweiler gelten. Durch Barleys famose Kommunal-Asyl-Idee dürften sich diese Tendenzen nochmals verstärken.

Auf nach Deutschland!

Asylbewerber nutzen aber schon jetzt die EU-Freizügigkeit und die offenen Schengen-Grenzen, um am Ende in das Land ihrer Wahl zu reisen. Viele Flüchtlinge, die etwa von Städten in Spanien oder Italien aufgenommen würden, würden also in den nächsten Zug nach Deutschland oder nach Schweden steigen – viele Nordafrikaner nach Frankreich. Wer würde sie hindern?

Barley ersetzt Ordnung durch Chaos

Nach derzeitiger Rechtslage herrscht im Asylsystem einigermaßen Ordnung: Deutschland hat die Zuständigkeit für die Entscheidung über Anerkennung oder Ablehnung von Asylbewerbern und Flüchtlingen, namentlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg. Die individuelle Verfolgung jedes Einzelnen wird genau geprüft und das Asylverfahren entsprechend entschieden. Wer über diese Schiene nicht anerkannt wird, bei dem werden andere Abschiebehindernisse wie Bürgerkriege geprüft. Jeder einzelne Asylbewerber kann jede einzelne dieser Entscheidungen dem zuständigen Verwaltungsgericht zur Überprüfung vorlegen.

Wer aber trifft nach Barleys Idee die Entscheidungen? Die EU? Weiter das Land? Oder die Kommunen? Es würde schlichtweg Chaos bedeuten und deutlich mehr Gerichtsverfahren, wenn man ein zersplittertes kommunales System in der Art „Jeder-darf nach-seinem-Gusto-aufnehmen“ einführen würde. Gerade, wenn man auf unfähige oder kaputt gesparte Verwaltungen wie in Berlin schaut, wo Flüchtlinge 2015 vor dem Sozialamt (LAGESO) mehrere Nächte im Freien campieren mussten, ehe sie überhaupt einmal registriert wurden. Das Sicherheitsproblem wäre obendrein gewaltig.

Sog-Effekt nach Deutschland

Wenn besonders „flüchtlingsfreundliche“ Städte Asylbewerber direkt einladen würden, vielleicht sogar dafür werben würden, würde das außerdem einen erneuten Sog-Effekt erzeugen. Das wäre vergleichbar mit der Situation im Sommer 2015, als erst Schleuser auf dem Balkan Gerüchte verbreiteten, Deutschland nehme jeden Zuwanderer auf, gebe ihm Geld, Arbeit, Haus und Auto. Als die Balkan-Zuwanderungswelle durch Österreichs Initiative gestoppt wurde, erlebte Deutschland dasselbe mit Nahost-Flüchtlingen aus der Türkei. Verstärkt wurde all das durch bekannte Aussagen und Flüchtlings-Selfies der Kanzlerin. Dieser Sog-Effekt mit all seinen bekannten unerfreulichen Folgen ist genau das, was Deutschland garantiert nicht mehr braucht.