Kritik aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg. (Bild: Imago/C.Hardt/Future Image)
Asylpolitik

Beihilfe zur illegalen Einreise

BAMF-Präsident Sommer findet die Zahl der Asylbewerber in Deutschland zu hoch, zu viele kämen ohne Ausweis. Er kritisierte auch die Praxis der Flüchtlingsräte, vor Abschiebungen zu warnen. Ein Gesetz soll dem künftig einen Riegel vorschieben.

Der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Hans-Eckhard Sommer, findet die aktuelle Zahl der Asylanträge in Deutschland „zu hoch“. Im vergangenen Jahr seien 162.000 Asylerstanträge registriert worden, sagte Sommer der Welt am Sonntag: „Das ist vergleichbar mit einer Großstadt, die jährlich zu uns kommt.“

Das ist vergleichbar mit einer Großstadt, die jährlich zu uns kommt.

Hans-Eckhard Sommer, BAMF

Nur 35 Prozent der Antragsteller erhielten aber laut Sommer einen Schutzstatus. „Wir sehen also ganz deutlich, dass viele Menschen hierher kommen, ohne einen Asylgrund zu haben.“ Etwa ein Drittel komme dabei per Flugzeug. Der Behördenchef sprach von „Grenzen der Belastbarkeit eines Staates“. Eine Zielmarke für Asylanträge lehnte er jedoch ab: „Wenn jemand mit einem berechtigten Asylgrund herkommt, dann müssen wir diesen auch anerkennen und können nicht statistisch vorgehen.“ Sommer bemängelte zudem, dass eine Ausbildungsstelle nicht ausreichen dürfe, einem abgelehnten Asylbewerber zu einer Duldung zu verhelfen: „Diese gut gemeinte Regelung sendet meines Erachtens ein gefährliches Signal ins Ausland: Wer arbeitet, darf trotz Ablehnung in Deutschland bleiben. (…) Schleuser machen damit Werbung.“

Ohne Ausweis, aber mit Helfern

Weiter kritisierte Sommer, dass weiterhin viele Asylsuchende bei der Antragsstellung keine Ausweisdokumente vorlegen würden, aktuell rund 54 Prozent. Dabei spielt laut dem BAMF-Präsidenten die Nationalität eine wichtige Rolle, denn Antragsteller aus Ländern mit einer geringen Anerkennungsquote würden fast nie Dokumente vorlegen. Andere legten echte, aber gestohlene EU-Pässe von anderen Personen oder aber Fälschungen vor.

Es ist ganz offensichtlich, dass einige Organisationen das Interesse verfolgen, Abschiebungen generell zu bekämpfen – ich denke vor allem an selbst ernannte Flüchtlingsräte.

Hans-Eckhard Sommer

Außerdem kritisierte der BAMF-Chef die Praxis, vor Abschiebungen zu warnen, als Behinderung des Staats. „Es ist ganz offensichtlich, dass einige Organisationen das Interesse verfolgen, Abschiebungen generell zu bekämpfen – ich denke vor allem an selbst ernannte Flüchtlingsräte“, sagte er. Diese seien der Meinung, „dass sich jeder das Land seines Aufenthalts selbst aussuchen soll“. Ihr Vorgehen sollte „mit den Mitteln des Strafrechts geahndet werden“. Tatsächlich sieht ein Gesetzentwurf von Bundesinnenminister Horst Seehofer vor, dass künftig bestraft werden kann, wer Betroffene unmittelbar vor einer Abschiebung warnt.

Warnung vor der Abschiebung

Schon 2017 hatte das bayerische Innenministerium kritisiert, dass Flüchtlingsräte im Internet und auf Flyern Abschiebungstermine verbreiten und Betroffenen empfehlen, sich an diesen Tagen nicht an ihrer Meldeadresse aufzuhalten. Auch andere Handlungsempfehlungen werden bei den bundesweit vertretenen Gruppen mehr oder weniger offen dargestellt. Sie sprechen auch nur von „Flüchtlingen“ oder „Geflüchteten“, obwohl es sich bei den Betroffenen von Abschiebungen fast immer um Migranten handelt, bei denen das BAMF und oft auch obendrein noch Gerichte und sogar Härtefallkommissionen zu dem Ergebnis kamen, dass keine Schutz- oder andere Gründe vorliegen, die der Abschiebung entgegenstehen.

Auf der Internetseite des selbsternannten „Flüchtlingsrates“ in Bayern wird auf eine Webseite verlinkt, auf der es das Infoblatt „Abschiebung verhindern“ zum Download gibt. Auf diesem gibt es zahlreiche Hinweise, wie man sich Demonstranten an den Flughafen bestellen kann, Krankheiten behaupten, sich erst im Flugzeug durch lautes Schreien oder auf den Boden werfen widersetzen oder dem Piloten mit Widerstand drohen soll. „Mit einiger Sicherheit werden die Pilot*innen dann aufgeben“, heißt es dort gender-korrekt. Widerstand gegen Abschiebungen innerhalb Europas hält der Flyer sogar für „besonders empfehlenswert“, weil es in diesen Dublin III-Fällen fast immer normale Linienflüge seien. Sogar für Kleinkriminelle bis hin zu Schwerstverbrechern gibt es ein ausführliches Hinweisblatt, wie man sich am besten zu verhalten hat, beziehungsweise welche Auswirkungen verschiedene Taten auf das Asylverfahren haben. Auf der Flüchtlingsratsseite heißt es: „Wir kämpfen für ein echtes Bleiberecht für alle Flüchtlinge und MigrantInnen. Abschiebungen lehnen wir strikt ab. Die Rückkehr von Flüchtlingen darf nur frei und selbstbestimmt erfolgen.“ Das bedeutet im Klartext, alle sollen kommen und alle dürfen bleiben. Die Flüchtlingsräte stellen sich damit letztlich über den Rechtsstaat, weil sie ihre Moral für höherwertiger als die Gesetze des Staates halten.

Jenseits der Rechtsordnung

Unterstützung für BAMF-Chef Sommer kam aus der Unionsfraktion im Bundestag. Armin Schuster, CDU-Obmann im Innenausschuss, sagte ebenfalls der Welt: „Es ist schlicht nicht akzeptabel, dass 2018 mehr Abschiebeversuche scheiterten, als geglückt sind.“ Das liege „nicht zuletzt auch daran, wie Rückzuführende aktiv dabei unterstützt werden, ihre Abschiebungen zu vereiteln“. Das finde jenseits der Rechtsordnung statt. „Beihilfe zur illegalen Einreise oder zum illegalen Aufenthalt sind keine Kavaliersdelikte, sondern Straftaten“, betonte Schuster.

Es kann und darf nicht sein, dass Menschen, die ausreisen müssen, untertauchen und verschwinden können.

Ismail Tipi, CDU Hessen

Der integrationspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im hessischen Landtag, Ismail Tipi, erklärte in einer Pressemitteilung: „Die Abschiebung von Menschen ist nicht immer einfach. Doch zunehmend leisten die abgelehnten Asylbewerber dagegen Widerstand.“ Und weiter: „Es kann und darf nicht sein, dass Menschen, die ausreisen müssen, untertauchen und verschwinden können und sich damit ihrer Abschiebung entziehen.“ Asylbewerber, die abgelehnt wurden, müssten schnellstmöglich zurückgeführt werden, vor allem Straftäter. „Das ist unsere Pflicht, denn nur so können wir unsere Ressourcen für diejenigen effektiv einsetzen, die unsere Hilfe tatsächlich benötigen.“

CDU-Politiker wollen nun den Flüchtlingsräten die staatlichen Mittel streichen, wenn diese Abschiebungen behindern. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg, sagte der Zeitung Die Welt, es sei nicht hinnehmbar, wenn einzelne Flüchtlingsinitiativen den Rechtsstaat missachteten. Auch Unionsfraktionsvize Thorsten Frei forderte eine Überprüfung, ob man Steuermittel von Bund und Ländern ausgeben wolle, wenn die Durchsetzung der Rechtsordnung behindert werde.

Gesetzesänderung scheitert an Grünen

Der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) und Bürgermeister der bayerischen Kleinstadt Abensberg, Uwe Brandl, hat im Interview mit dem ungarischen Fernsehsender m1 beklagt, dass es für die Abschiebepraxis eigentlich eine Änderung der Gesetzeslage brauche, die aber derzeit im Bundesrat nicht durchsetzbar sei. Dies liegt an den Grünen, die immer noch jede sinnvolle Asylpolitik verweigern. Brandl weiter: „Von daher ist es einfach so, dass wir unglaubliche Probleme aufgrund der Rechtsprechung haben, Menschen, die nicht anerkannt sind, wieder dahin zu verbringen, wo sie herkommen.“ Die Betroffenen würden auch „alle Tricks“ kennen. „In einer Zeit, wo wirklich die digitalen Netze das Geschehen beherrschen, da ist das kein Hexenwerk, da kriegt man das übers Handy oder das IPad mit, da wird man informiert, da gibt es Foren, wo man sich austauscht. Das ist auch das erste, was man sofort gelernt hat, wie die Spielregeln ausschauen, um möglichst hierbleiben zu können“, so Brandl.

Er äußerte zugleich, es gebe nur einen „geringen Prozentsatz echter Integrationswilliger“ unter den Flüchtlingen. Der Abensberger Bürgermeister forderte deshalb, den Zugewanderten verstärkt zu vermitteln, dass sie „entweder Teil der Gesellschaft werden oder sich wieder verabschieden“ müssten. Je länger man mit der Integration, der Werte- und Sprachvermittlung warte, umso eher würden sich Parallelgesellschaften bilden.

Das Recht wird unterlaufen

Auch der Präsident des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts, Andreas Heusch, beklagte vor ein par Tagen bei der Vorlage der Asylverfahrenszahlen: „Weder das europäische, noch das nationale Asylrecht funktionieren. Es gibt ein Defizit bei der Umsetzung des Rechts.“ Da Deutschland von sicheren Drittstaaten umgeben sei, dürfe es eigentlich gar keine neuen Asylverfahren geben. Deutliche Kritik übte der Gerichtspräsident auch am Kirchenasyl: „Es steht den Kirchen nicht an, staatliche Entscheidungen zu behindern.“

Weder das europäische, noch das nationale Asylrecht funktionieren.

Andreas Heusch, Präsident Düsseldorfer Verwaltungsgericht

Auch Heusch sagte: „Abgelehnte Asylbewerber entziehen sich häufig der Abschiebung, tauchen teilweise unter Aliasnamen wieder auf. Wir würden uns wünschen, dass noch stärker daran gearbeitet wird, dass Rückführungen auch stattfinden. Wenn jemand erstmal hier ist, wird es schwierig, ihn in seine Heimat zurückzubringen. Das wird so bleiben, selbst wenn der gute Wille da ist, das Recht umzusetzen.“ Er forderte von der Politik, „die Fakten zur Kenntnis zu nehmen und dann nach praktischen Lösungen zu suchen“. Man solle deshalb lieber überlegen, wie man verhindern könne, dass Menschen ohne echten Fluchtgrund überhaupt hierher kämen.

Jürgen Ascherl, München-Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), pflichtete in der Bild-Zeitung bei: „Wenn wir die Abschiebungen ankündigen, tauchen Gesuchte oft unter.“ Er nannte zwei Lösungsansätze: „Einfacher wäre es, die Personen festzunehmen bis zur Abschiebung.“ Und weiter: „Wir brauchen mehr Sammelabschiebungen! Dann ist die Maschine gechartert und hebt auf jeden Fall ab.“