Europa macht stark (v.l.): CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, Annegret Kramp-Karrenbauer, Angela Merkel, Manfred Weber, Markus Söder und CSU-Generalsekretär Markus Blume. (Bild: Imago/Emmanuele Contini)
Europawahl

Wohlstand und Sicherheit

CSU-Chef Markus Söder sieht im gemeinsamen Europawahlprogramm der Unionsparteien ein wichtiges Signal für die wiedergefundene Einheit. Das Programm ist eine Premiere, noch nie zogen CDU und CSU so eng verbunden in den Wahlkampf.

Die Union hat ihr gemeinsames Programm zur Europawahl verabschiedet. Die Parteichefs Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Markus Söder (CSU) stellten das Wahlprogramm zusammen mit dem gemeinsamen Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU), vor. Es ist das erste Mal, dass CDU und CSU mit einem Programm und einem gemeinsamen Spitzenkandidaten in eine Europawahl ziehen. Diese findet am 26. Mai statt.

Wir wollen eine Stabilitätsunion, aber wir wollen keine Verteilungsunion.

Markus Söder

Gemeinsame Spur

Der gemeinsame EVP-Spitzenkandidat Weber sei auch das Bindeglied zwischen den Unionsparteien, sagte Söder. Mit Weber hätten Union und EVP keinen „verordneten Spitzenkandidaten“, sondern einen gemeinsamen aus Überzeugung. Dies sei ein neues „Signal der Stärke und Geschlossenheit ausgehend von heute“. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer rief die Unionsschwestern auf, die nächsten Wochen zu nutzen, um Weber das „bestmögliche Ergebnis“ zu ermöglichen.

Auch die Entwicklung in der CDU „ermöglicht da tatsächlich wieder ein neues gemeinsames Wir“, sagte Söder mit Blick auf die neue CDU-Chefin. In wichtigen Fragen wie der Europapolitik sei man „in einer großen Übereinstimmung“. Deshalb sei das Wahlprogramm „auch ein Stück neuer Anfang für die gemeinschaftliche Zusammenarbeit von CDU und CSU“.

Jetzt merkt man: Es geht ums Ganze in Europa!

Markus Söder

„Europa war in einer anderen Phase vor fünf Jahren. Das, was wir heute an Herausforderungen haben, war vor fünf Jahren nicht da“, erklärte Söder. Es sei in Europa viel gemäkelt worden, weil es „nur um das europäische Unterholz gegangen ist. Und jetzt merkt man: Es geht ums Ganze in Europa.“ Deshalb sei es wichtig, dass die Union ein Signal für Stabilität in Europa setze.

SPD mit unbezahlbaren Geschenken

Zu SPD-Forderungen nach mehr europäischer Sozialpolitik sagte Söder: „Wir wollen eine Stabilitätsunion, aber wir wollen keine Verteilungsunion.“ Es könne nicht sein, „dass quasi aus Deutschland heraus allein Europa finanziert wird. Da braucht es schon eine vernünftige Basis und Balance.“ Kritik des Koalitionspartners SPD, die Union gehe mit ihrem Europawahl-Programm zu wenig auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron ein, konterte Söder mit dem Hinweis, nicht jeder Vorschlag aus Paris müsse automatisch übernommen werden. Es gebe eine Menge Arbeit, Europa zusammen zu halten und „mehr Brücken zu bauen, als nur die Achse zwischen Paris und Berlin“. Was in Deutschland auch gerne ignoriert wird: Frankreich hat immer zuerst die eigenen Interessen im Blick.

Das Europawahlprogramm im Detail

Im gemeinsamen Wahlprogramm unter dem Motto „Unser Europa macht stark“ setzen CDU und CSU auf die Schwerpunkte Frieden, Sicherheit und Wohlstand. Die Leitlinie ist aber auch: Kampf den Populisten aus den linken Parteien und von rechtsaußen sowie den Nationalisten. „Die einen wollen ein Verbots- und Umverteilungseuropa; die anderen wollen die europäische Idee zerstören“, so lautet ein zentraler Satz, mit dem sich CDU und CSU von SPD und Grünen wie auch von der AfD abgrenzen wollen. Die Union habe mit Konrad Adenauer, Franz Josef Strauß, Helmut Kohl und Theo Waigel Europa gestaltet. Darum kämpfe man auch weiterhin für „ein demokratisches, handlungsfähiges, sicheres und bürgernahes Europa. Wir wollen Europa als starken Staatenverbund, als erfolgreichen Wirtschaftsraum und als globalen Stabilitätsanker in der Welt!“

Erwirtschaften kommt vor dem Verteilen.

Europawahlprogramm der Union

Wichtig für die Union ist aber auch: Europas Werte und die gemeinsame europäische, abendländische Kultur basierten „auf dem christlichen Menschenbild und sind geprägt von Aufklärung und Humanismus“. Diese Gemeinsamkeiten seien wichtige Grundlagen für den europäischen Einigungsprozess, die man verteidigen wolle. Dazu gehörten Demokratie, Menschenrechte, Solidarität, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. „Dem Selbstbestimmungsrecht von Frauen und Mädchen wollen wir besondere Aufmerksamkeit widmen“, heißt es im Wahlprogramm. Aber auch die kulturelle Vielfalt der Regionen und Nationen solle erhalten bleiben, Kommunen und ländlicher Raum gefördert werden. „Heimat und Weltoffenheit stehen für unser freiheitliches Lebensgefühl.“

Für alle Handlungsbereiche muss aber laut CDU/CSU eines beachtet werden: „Europa soll nur dann tätig werden, wenn ein europaweit einheitliches Vorgehen einen echten Mehrwert gegenüber der nationalstaatlichen Aufgabenerfüllung bringt.“ Sprich: Die EU soll sich auf ihre länderübergreifenden Kernaufgaben konzentrieren. Dazu will die Union einige Reformen durchsetzen:

  • Auch das Europäische Parlament soll das Recht haben, Gesetze auf den Weg zu bringen.
  • Ein unabhängiger Europäischer Normenkontrollrat soll vorab die Kosten der Bürokratie und die Wahrung des Subsidiaritätsprinzips abschätzen.
  • Der Ausschuss der Regionen und Kommunen soll gestärkt werden.
  • Vertiefung vor Erweiterung: keine EU-Aufnahme weiterer Länder in den nächsten fünf Jahren. Künftige Aufnahmen nur bei vollständiger und dauerhafter Erfüllung der politischen und wirtschaftlichen Beitrittskriterien. Die Staaten des Westbalkans haben eine Beitrittsperspektive, die Türkei nicht.

Europa garantiert Wohlstand

Leitbild und Erfolgsmodell ist für CDU und CSU „die Soziale Marktwirtschaft“. Die EU soll nach dem Willen der Union „den Wettbewerb stärken und ihn durch gute Rahmenbedingungen in den Dienst der Menschen und der im Binnenmarkt tätigen Unternehmen stellen“. Dazu bedürfe es vor allem niedriger Abgaben, weniger Bürokratie sowie mehr Unterstützung für Forschung und Entwicklung. In Schlüsselbereichen soll das Entstehen von europäischen Weltmarktführern ermöglicht werden. Konkret will die Union dazu verschiedene Maßnahmen umsetzen, darunter:

  • Eine Stabilitätsunion: Jeder Mitgliedstaat haftet für seine eigenen Schulden. Schulden oder Risiken dürfen nicht vergemeinschaftet werden, auch ein europäischer Finanzminister wird abgelehnt. „Solide Staatsfinanzen sind ein Garant für einen handlungsfähigen Staat sowie für eine starke und stabile EU“, so der Grundsatz. Die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts und des Fiskalvertrags müssten strikt eingehalten und durchgesetzt werden, Verstöße Konsequenzen haben. Die Union will deshalb Ermessensspielräume beim Defizitverfahren einschränken und mehr Sanktionsmöglichkeiten schaffen, für den Notfall sogar eine Insolvenzordnung für Euro-Staaten.
  • Die Verantwortung für die Sozialsysteme und Arbeitsmarktpolitik muss bei den Mitgliedstaaten bleiben. Eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung lehnen CDU und CSU ab. Sie würde zu dauerhaften Transferzahlungen innerhalb der EU führen und Anreize mindern, strukturelle Arbeitslosigkeit abzubauen.
  • Banken: Bankenrettungen aus Steuermitteln darf es künftig nicht mehr geben. Die Europäische Zentralbank (EZB) darf sich nicht mehr um Staatsfinanzierung kümmern, sondern nur noch um Geldpolitik. Das deutsche System aus Privatbanken, öffentlich-rechtlichen Banken und Genossenschaftsbanken muss erhalten bleiben.
  • Schaffung eines Europäischen Währungsfonds, damit die Finanzstabilität Europas nicht vom Wohlwollen anderer Wirtschaftsmächte abhängig ist.
  • Keine Abschaffung des Bargelds.
  • Eine faire Besteuerung der digitalen Wirtschaft, eine Finanztransaktionsteuer sowie eine Modernisierung des Beihilferechts.
  • Infrastruktur, Bildung und Forschung für mehr Wohlstand und Arbeitsplätze in Europa ausbauen. Ziel ist zum einen eine Bildungsunion mit der europaweiten Anerkennung von Bildungsabschlüssen, der Bildung europäischer Hochschulnetzwerke und der gezielten Förderung europäischer Exzellenz-Universitäten. Zum anderen wird eine „Innovationsunion“ angestrebt, die Innovationen in Bereichen wie Klimaschutz, Medizin, Mobilität und Landwirtschaft entwickelt und von der Idee bis zur Marktreife begleitet. Zudem solle es Investitionen in Schlüsselbereiche der Zukunft wie Künstliche Intelligenz (KI), Batteriezellenfertigung, Quantentechnologie und in die verantwortungsvolle Nutzung von Big Data etwa bei der Bekämpfung von Krebs und Alzheimer geben. Es soll auch einen Europäischen Zukunftsfonds zur besseren Start-Up-Finanzierung geben. Struktur- und Investitionsfonds werden künftig noch stärker auf Projekte ausgerichtet, die die Wettbewerbsfähigkeit steigern und Arbeitsplätze schaffen.
  • Die Union setzt sich für einen nachhaltigen Ausbau von Straßen und Schienen sowie leistungsfähiger Wasserstraßen, Häfen und Flughäfen ein – mit verstärkter Nutzung der Elektromobilität, des ÖPNV und der Schiene. „Bei der Entwicklung neuer emissionsarmer Antriebsformen plädieren wir für einen technologieoffenen Ansatz“, heißt es im Programm.
  • Bürokratie abbauen: Für jede neue Regel soll mindestens in demselben Umfang eine andere gestrichen werden.
  • Energieunion: Energie soll sicher, sauber und bezahlbar bleiben. Dazu soll der europäische Energiemarkt stärker vernetzt und ein Mix unterschiedlicher Energieträger gefördert werden.
  • Eine ökonomisch und ökologisch tragfähige Landwirtschaft, die sichere und gesunde Lebensmittel erzeugt, Landschaft und ländliche Kultur pflegt und zu Wachstum und Beschäftigung in den ländlichen Regionen beiträgt. Anreize und Freiwilligkeit sollen dabei vor staatlicher Regulierung gehen.

Grundsätzlich sollen Ökonomie und Ökologie verbunden werden, um für zukünftige Generationen eine intakte Umwelt und zugleich gute Lebensqualität zu sichern. Den Kampf gegen den Klimawandel werde man entschlossen, aber „mit Vernunft und Augenmaß“ führen, verspricht die Union. Gefordert wird auch eine europaweite Strategie zur Vermeidung von Plastik und internationale Abkommen zur Plastikvermeidung.

Europa schafft Sicherheit

Der Schutz der Bürger vor Kriminalität und Terror ist für die Union eine „zentrale Aufgabe sowohl der nationalen als auch der europäischen Politik“. Dafür brauche es eine „Sicherheitsunion“, in dem die Polizei- und Sicherheitsbehörden eng zusammenarbeiten. Gefordert werden unter anderem ein „europäisches FBI“ und europaweit vernetzte Datentöpfe.

Niemand darf ohne Berechtigung und keinesfalls ohne Papiere oder eindeutige Identitätsfeststellung einreisen.

Europawahlprogramm der Union

In der Asylpolitik bekennten sich CDU und CSU zu den rechtlichen und humanitären Verpflichtungen. Zugleich soll aber die Zahl der Flüchtlinge „dauerhaft niedrig“ bleiben. „Nur dann können wir wirklich Schutzbedürftigen helfen“, so das Wahlprogramm. Dies könne nur über den „wirksamen Schutz der europäischen Außengrenzen“ durch eine starke Frontex-Grenzpolizei und „ein einheitliches und schnelles Asylverfahren mit der Möglichkeit, innerhalb der EU einmalig einen Asylantrag zu stellen“, gewährleistet werden. Bereits an der EU-Grenze müssten künftig in europäischen Transitzentren Migranten registriert, ihre Identität und ihr Asylrecht festgestellt werden. „Niemand darf ohne Berechtigung und keinesfalls ohne Papiere oder eindeutige Identitätsfeststellung einreisen.“ Das bedeutet auch: Aus diesen Transitzentren wird abgeschoben, ergänzend soll es regionale Aufnahmezentren in Nordafrika geben. Weitere geforderte Maßnahmen im Asylbereich: Fehlanreize beseitigen, Asylbewerberleistungen europaweit angleichen und auf ein Minimum beschränken sowie ein Frühwarnsystem für Migrationsbewegungen.

Für CDU/CSU gibt es daneben aber auch eine soziale Sicherheit. Wie in Deutschland soll auch Europa für einen Sozialstaat stehen, „der Leistung anerkennt und einen fairen Ausgleich schafft“. Die Union mahnt jedoch in Abgrenzung zum freigiebigen SPD-Füllhorn: „Erwirtschaften kommt vor dem Verteilen. Und nicht alles ist mit Geld zu lösen.“ Darum werde man sich hier auf Grundstandards bei Arbeitnehmerrechten sowie Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards konzentrieren. Für die sozialen Sicherungssysteme, Regulierungen zum Mindestlohn oder der Altersvorsorge seien die Mitgliedstaaten selbst verantwortlich. „Freizügigkeit in Europa darf aber auch nicht zum Missbrauch der Sozialsysteme einzelner Mitgliedstaaten führen“, warnt die Union mit Blick auf Leistungen wie das Kindergeld.

Europa schafft Frieden

Schon in der Präambel wird auf die dritte Säule europäischer Leistungen verwiesen: „Nie zuvor gab es eine längere und konstantere Phase des Friedens auf unserem Kontinent.“

Den äußeren Herausforderungen will die Union durch gemeinsame Streitkräfte bis 2030 und eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik begegnen, die auf Mehrheits- statt Einstimmigkeitsentscheidungen beruht. Der Grundgedanke: „Europa muss sich selbst verteidigen können.“ Die Kooperation der bereits bestehenden europäischen Armeeverbände soll dazu ausgebaut, die Zahl der unterschiedlichen Waffensysteme reduziert und die Entwicklung gemeinsamer militärischer Fähigkeiten und neuer Technologien etwa im Cyber-Bereich vorangetrieben werden.

Weitere Forderungen:

  • Ein ständiger EU-Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.
  • Ein Marshallplan mit Afrika: Entwicklung durch private Investitionen und faire Handelsabkommen.
  • Ein europäischer Pakt gegen Antisemitismus.

Frieden will die Union aber auch durch durch das gegenseitige Kennenlernen der Völker sichern. Hierzu soll etwa ein kostenloses Interrail-Ticket für alle 18-Jährigen und das verstärkte Erlernen von Fremdsprachen in Schule, Beruf und Gesellschaft dienen.

CDU und CSU versprechen für den 26. Mai eines: „Wir kämpfen für unser Europa, das den Bürgern dient, uns stark macht und zusammenhält.“