Mehr Blumenwiesen für Schmetterlinge und andere Insekten? Artenschutz ist nicht nur Sache der Landwirte. (Bild: Imago/Chromorange)
Runder Tisch

Auftakt zu mehr Artenschutz

Am Runden Tisch in der Staatskanzlei hat die Suche nach einem Weg für mehr Artenschutz in Bayern begonnen. Leiter Alois Glück setzt auf viel Expertenwissen und großen Einigungswillen. Nach den ersten Positionsbestimmungen hat man sich vertagt.

Mit vielen Einzelgesprächen und Beratungen in Fachgruppen will Alt-Landtagspräsident Alois Glück die Suche nach einem Kompromiss für den Artenschutz voranbringen. Dies kündigte der CSU-Politiker am Mittwoch nach Angaben mehrerer Teilnehmer zum Auftakt des von ihm geleiteten Runden Tischs in der bayerischen Staatskanzlei an. Die Fachgruppen wolle er innerhalb von drei Wochen bilden. Zur Dauer des Runden Tischs machte er zunächst keine Angaben.

Grundbesitzer in der Pflicht

Glück sieht aber vor allem den Staat und die Kommunen in der Pflicht, für mehr Artenschutz zu sorgen. In erster Linie sei das der Staat mit seinen Landflächen. Aber auch die Kommunen und die Kirchen müssten den Artenschutz bei ihren Flächen ernster nehmen, erst danach sehe er die Landwirtschaft in der Verantwortung.

Der ehemalige Landtagspräsident sagte, er habe nach der ersten Gesprächsrunde große Zuversicht, dass es eine gemeinsame Lösung geben könne. „Das ist eine ungeheuer komplexe fachliche Materie“, betonte er. Wichtig sei es, dass kein Sündenbock gesucht, sondern gemeinsam um Lösungen gerungen werde. Mit Blick auf das enge Zeitfenster für die Beratungen sagte Glück, dass Druck auch positiv sei, da dann ergebnisorientierter beraten werde.

Uns geht es darum, dass der Artenschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und nicht nur Sache der Landwirte.

Walter Heidl, Bauernpräsident

Knapp eine Woche nach dem Erfolg für das Volksbegehren für mehr Artenschutz hatten sich rund 30 Vertreter aus Politik, Umweltschutz, Landwirtschaft, Kommunen, Fischer, Imker sowie von Verbänden und aus der Wirtschaft in der Staatskanzlei erstmals zum Runden Tisch getroffen. Ziel ist es, zwischen den Initiatoren des Volksbegehrens und seinen Kritikern den Weg für einen Kompromiss zu ebnen. 18,4 Prozent der Wahlberechtigten forderten bei dem Volksbegehren mit ihren Unterschriften einen stärkeren Natur- und Artenschutz.

Söder sichert Mitarbeit zu

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder erklärte zum Auftakt, dass die Staatsregierung aktiv mitarbeiten wolle und die Interessen aller Beteiligter im Blick habe. Ganz Deutschland schaue darauf, was in Bayern für den Artenschutz auf die Beine gestellt werden könne. Söder lobte die konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten. „Ich habe viel positive Energie gespürt und viel fachliche Kompetenz“, sagte er. Er habe dabei die Hoffnung, dass dies der Auftakt sei für eine neue „kooperative Demokratie“ in Bayern.

„Wir nehmen das Volksbegehren sehr ernst. Das Anliegen ist auch unser Anliegen“, sagte der Ministerpräsident. Es gebe jetzt die große Chance, mehr zu machen, „einen neuen Gesellschaftsvertrag, der nicht nur die Landwirtschaft betrifft“. Für einen effektiven Artenschutz müssten auch Kommunen und Privatpersonen mit ins Boot geholt werden. Ziel sei es, zu überlegen, was auch über Bayern hinaus besser gemacht werden könne, um einen fairen, praxisgerechten und auch finanzierbaren Artenschutz zu realisieren.

Kompromissbereitschaft auf allen Seiten

Die am runden Tisch Beteiligten zeigten sich zum Auftakt der Gespräche kompromissbereit: „Uns geht es darum, dass der Artenschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und nicht nur Sache der Landwirte“, sagte Bauernpräsident Walter Heidl. Rote Linien sehe er im Gesetzentwurf des Volksbegehrens zunächst keine, es sei aber wichtig, dass die Bauern nicht weiter an den Pranger gestellt würden. Viele Landwirte fühlen sich zum Sündenbock gestempelt, weil auch Lichtverschmutzung durch Straßenlaternen, Wohnungsbau, Wald-Monokulturen, Parasiten wie die Varroa-Milbe sowie viele städtische Vor- und Schrebergärten mit Pestiziden, Steinwüsten und Mährobotern den Insekten das Leben schwer machen.

Die Initiatoren des Volksbegehrens gaben sich ebenfalls gesprächsbereit, betonten aber, dass ihr Gesetzentwurf die untere Messlatte sei. Sollte die Staatsregierung über die dort genannten Punkte hinausgehen wollen und etwa durch die Kommunen und Bistümer mehr Artenschutz anstreben, sei dies „sehr willkommen“. Sogar Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann sagte, für einen erfolgreichen Artenschutz in Bayern müssten die Landwirte zwingend mit ins Boot geholt werden.

Nach der ersten Sondierung vertagte sich die Runde. Alois Glück will zunächst viele Einzelgespräche führen.

Die kritischen Punkte

Der Gesetzentwurf des Volksbegehrens sieht verbindliche Maßnahmen fast ausschließlich für Landwirte vor. Darunter findet sich etwa die Forderung, dass auf fünf Metern Breite neben Flüssen und Bächen nicht geackert und nicht gedüngt werden darf. Sollte es den Wunsch nach mehr Blühstreifen an den Feldern geben, sagte Bauernpräsident Heidl, müsse den Bauern dies über Förderungen ausgeglichen werden. Die Bauern stünden zu ihrer Verantwortung für den Schutz der Tiere, „gleichzeitig erwarten wir jedoch, dass diese Leistungen anerkannt und honoriert werden sowie die Diskussion nicht beim Thema Landwirtschaft stehen bleibt“. Wiesen neben Gewässern dürfen laut dem Volksbegehren auch nicht mehr nach dem 15. März gewalzt werden. Das nennen die Bauern unrealistisch, da im März in manchen Regionen noch Schnee liege.

Auch die Zielvorgabe, bis 2030 auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ökologisch zu produzieren, wird nicht nur als Planwirtschaft kritisiert, sondern auch, weil der Markt derzeit bei vielen Produkten gesättigt sei, etwa bei Bio-Milch. Das Problem ist: Viele Menschen sind nicht bereit, dauerhaft höhere Preise für Öko-Produkte zu bezahlen. „Wenn der Markt dafür da ist, überhaupt kein Problem. Es geht nur darum, dass man das mit dem Markt gemeinsam auf dem Weg bringt“, verlangte Bauernpräsident Heidl.

Sorge vor Preisverfall

Aktuell bewirtschaften etwa acht bis zehn Prozent der Landwirte ihre Flächen ökologisch. Bei einer Ausdehnung könnten die Verkaufspreise stark fallen, was die Verbraucher freuen, aber etliche teurer produzierenden Biobetriebe in ihrer Existenz gefährden würde. Heidl warnt sogar vor einem „Desaster für den Markt für regionale Bio-Erzeugnisse“.

Zudem wird befürchtet, dass das Volksbegehren die bisherigen Fördermöglichkeiten für umweltschonende Landwirtschaft aushebelt: Denn für etwas, das gesetzlich verpflichtend ist, dürfen die Landwirte keine Förderung mehr bekommen. Auch die Initiatoren des Volksbegehrens fordern nun „einen sinnvollen finanziellen Ausgleich für die Bauern“. Bezahlen muss dies dann allerdings der Steuerzahler beziehungsweise der Verbraucher über höhere Preise.

Frist bis Juli

Voraussichtlich Mitte März wird der Landeswahlausschuss das endgültige Ergebnis des Volksbegehrens feststellen. Danach muss Ministerpräsident Söder es mitsamt einer Stellungnahme der Staatsregierung innerhalb von vier Wochen dem Landtag zuleiten, der dieses dann binnen drei Monaten behandeln muss – spätestens also im Juli.

Der Landtag kann dann den Gesetzentwurf des Volksbegehrens unverändert annehmen – was die Koalition ausgeschlossen hat. Oder er lehnt ihn ab oder stellt ihm einen alternativen Gesetzentwurf entgegen. Dann darf jeweils die Bevölkerung bei einem Volksentscheid darüber abstimmen, spätestens im Herbst.

(dpa/BK)