Auftaktveranstaltung zur Münchner Sicherheitskonferenz: Transatlantisches Forum der CSU. (Bild: CSU/Dominik Doschek/Archiv)
Konferenz

„Haben Sie Vertrauen“

14. Transatlantisches Forum der CSU: Es mag Differenzen geben zwischen Washington und den Europäern. Aber die Bedeutung des Nato-Bündnisses überwiegt sie alle bei weitem: Amerikaner und Europäer sind für ihre Sicherheit aufeinander angewiesen.

Das war vielleicht der wichtigste Redebeitrag der ganzen 55. Sicherheitskonferenz. Jedenfalls für die Ohren aufgewühlter europäischer, vor allem deutscher Transatlantiker. Er fiel gleich in der ersten Stunde, auf dem 14. Transatlantischen Forum der CSU. So heißt die enge Runde von etwa 100 Nato-Experten, die seit 14 Jahren zum Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz für zwei Stunden zusammenkommt: der eine oder andere Regierungschef, Verteidigungsminister, Staatssekretäre, aktive oder ehemalige Botschafter, Think-Tanker, Journalisten. Und immer ganz wichtig: die starke amerikanische Präsenz.

Zum sehr offenen Nato-Gespräch am großen eckig-runden Tisch trifft sich da sozusagen die alte Wehrkundetagung. Man tauscht sich aus, hört einander zu und eben nicht nur den großen Reden vom Podium. Dieses Mal war das besonders wichtig. Eben wegen jener Worte eines amerikanischen Teilnehmers, seit 14 Jahren dabei, Spitzendiplomat und Diener von sieben US-Präsidenten, den aktuellen eingeschlossen.

Haben Sie Vertrauen

Und das war seine Botschaft an die Nato-Partner: „Seien Sie optimistisch, haben sie Vertrauen, seien sie zuversichtlich. Und arbeiten Sie hart. Wir haben eine lange gemeinsame Geschichte gemeinsamer Werte und gemeinsamer Interessen. Unseren Gesellschaften sind die gleichen Dinge wichtig. Wir sehen den gleichen Herausforderungen entgegen, zuhause und im Ausland. Und wir können ihnen nur zusammen entgegentreten, auf der Basis der gemeinsamen Werte und Interessen, die uns verbinden.“

Wir haben eine lange gemeinsame Geschichte gemeinsamer Werte und gemeinsamer Interessen.

US-Top-Diplomat

Worte eines amerikanischen Europafreundes. Neben seiner Muttersprache spricht er noch drei weitere europäische Fremdsprachen. „Ja, wir haben einen unkonventionellen Präsidenten.“ Aber einen fundamentalen Wandel der transatlantischen Beziehungen habe es nach dessen Wahl so wenig gegeben wie nach der Wahl von Barack Obama acht Jahre zuvor. Und jetzt sehe man eben globalen Herausforderungen entgegen – von der gleichen Position aus. „Wir haben immer noch eine sehr starke und stabile Grundlage für die Transatlantische Gemeinschaft.“ Auf der Sicherheitskonferenz würden die Europäer von amerikanischen Teilnehmern viel Europa-Frustration zu hören bekommen – „weil wir mehr von Europa wollen, nicht weniger“.

Interessante Beobachtung jenes US-Top-Diplomaten: In Präsident Trumps „sehr lautstarker Wählerschaft“ gehe es um die gleichen Themen wie derzeit auch unter europäischen Wählern. „Unsere Gesellschaften machen die gleichen Dinge durch. Wir haben viel gemeinsam, und das unterscheidet uns eben von anderen Ländern.“

Die Deutschen und die Lastenteilung

Der leicht ironische Unterton seiner Worte verstärkte ihre beruhigende Wirkung. Vor allem bei deutschen Forumsgästen. Und siehe da: Plötzlich war die Runde wieder im alten gemeinsamen Nato-Problemlöse-Modus, fast jedenfalls. Schnell kam dabei das Gespräch auf die Selbstverpflichtung aller Nato-Länder, bis 2024 ihre Verteidigungshaushalte auf zwei Prozent der Wirtschaftskraft zu erhöhen. Was eben kein Trump-Thema ist, sondern ein viel älteres. Darüber waren sich Europäer wie Amerikaner sofort einig.

Wir haben das Thema Lastenteilung lange Zeit nicht ernst genug genommen.

CDU-Spitzenpolitikerin

„Wir haben das Thema Lastenteilung lange Zeit nicht ernst genug genommen“, gab eine CDU-Spitzenpolitikerin aus Berlin unumwunden zu. Bei der Aufstellung der Bundeswehr seien Fehler gemacht worden, so eine führende Stimme aus Bayern: „Es darf nicht sein, dass man den Eindruck hat, nach einer Woche geht die Munition aus.“ Immerhin habe Berlin seit 2015 den Verteidigungshaushalt von 33 auf 43 Milliarden Euro erhöht, erinnerte ein CDU-Bundestagsabgeordneter die amerikanischen Teilnehmer: „Zehn Milliarden Euro in vier Jahren, und diesen Weg will die Regierung fortsetzen.“

Wenn die Amerikaner den Deutschen dabei helfen wollten, „dann fordern Sie nicht Prozentzahlen, sondern Fähigkeiten“, so der Verteidigungsexperte aus Berlin. „Gerne”, gab ein US-Teilnehmer zurück und sagte auch gleich, was Washington von den Europäern erwarte: dass sie 50 Prozent der Nato-Fähigkeiten übernehmen.

INF-Vertrag

Wichtig war der Austausch über den eben von Washington und Moskau gekündigten INF-Vertrag über das Verbot nuklearer Mittelstreckenwaffen. Wie geht es nun weiter? „Ich glaube nicht, dass man 1979 [und die Nachrüstungsdebatte, A.d.V.] einfach wiederholen kann, das wird so nicht passieren“, ahnte ein Münchner Spitzenpolitiker.

Bis Juli sei der INF-Vertrag noch in Kraft, erinnerte ein deutscher Teilnehmer. Solange müsse man den Russen den Rückweg offen lassen und dürfe darum nicht von Aufrüstung reden. Danach allerdings müsse man klar reagieren. Auch mit offensiven Mitteln, aber immer im Rahmen des gekündigten INF-Vertrages. Wieder, um den Russen den Rückweg möglich zu machen.

Wir wollen kein atomares Wettrüsten.

US-Diplomat

Das war gar nicht weit entfernt von der Position eines anderen ehemaligen US-Botschafters und einstigen stellvertretenden Nato-Generalsekretärs: Er glaube zwar nicht, dass der INF-Vertrag gerettet werden können. Aber vielleicht könne man den Russen wenigstens die Aufstellung nuklearer Mittelstreckenwaffen ausreden: „Wir wollen kein atomares Wettrüsten.“

Krise im Schwarzen Meer

Zu Nato-Gemeinsamkeit zwingt Europäer und Amerikaner ein neues Krisengebiet: im Schwarzen Meer, wo Moskau gerade den Druck auf die Ukraine und andere Anrainer erhöht. In der Diskussion fiel das Stichwort vom Schwarzen Meer beunruhigend oft. Vom „neuen hotspot“ sprachen ein ehemaliger deutscher Verteidigungsstaatssekretär und ein US-Diplomat der Obama-Administration. Ein kroatischer Teilnehmer warnte vor kommender Krise, ebenso ein bulgarischer Spitzenpolitiker.

Es müsse jetzt darum gehen, dort stärker Präsenz zu zeigen und für die Russen „den Preis hochzutreiben“, um sie abzuschrecken, so der US-Diplomat. Er empfahl die Einrichtung eines Nato-Hauptquartiers Schwarzes Meer. Seit dem Nato-Beitritt Rumäniens und Bulgariens hat das Bündnis auch dort Verantwortung. Und die wächst jetzt womöglich.

Die Osteuropäer brauchen die Nato

Überhaupt, die Ost- und Südosteuropäer. Kein Wort der Kritik an Präsident Trump und nicht der geringste Zweifel am Bündnis kam ihnen auf dem Transatlantischen Forum über die Lippen. Kein Wunder: Der Schreck über die „russische Aggression gegen die Ukraine“  steckt ihnen in den Knochen. Vom „beispiellosen Signal der Instabilität”, sprach der kroatische Teilnehmer.

Jetzt wo Ihr in der Nato seid, kann euch niemand je wieder die Freiheit wegnehmen.

George W. Bush, US-Präsident, 2008 in Zagreb

Seit 15 Jahren sind die Kroaten in Afghanistan und Kosovo engagiert. „Wir wollten zeigen, dass auch ein kleines Land einen adäquaten Beitrag leisten kann.“ Die Kroaten wollen nützliche Nato-Verbündete sein und wissen, warum. Sie erinnern sich an ein Wort von US-Präsident George W. Bush 2008 in Zagreb: „Jetzt wo Sie in der Nato seid, kann Ihnen niemand je wieder die Freiheit nehmen.“ Die Osteuropäer brauchen die Nato und eben das Bündnis mit Amerika. Und sie wissen es.

Londons Sicht

Beinahe noch klarer sah ein britisches Regierungsmitglied über das Transatlantische Bündnis: Ja, es gebe mit Washington Differenzen, etwa über das Atom-Abkommen mit dem Iran oder über die Verlegung der Botschaft nach Jerusalem. „Aber die Realität ist, dass die Bedeutung der transatlantischen Zusammenarbeit, etwa bei der Bedrohung durch Chemiewaffen, Cyber-Krieg oder Nordkorea, jegliche Differenzen weit überwiegt.“

Das Vereinigte Königreich wird alles tun, damit die Nato noch 70 Jahre stark und vereinigt bleibt.

Britisches Regierungsmitglied

Die USA blieben für London der wichtigste Sicherheitspartner, so der britische Gast. Und das gleiche gelte eben auch für Europa als Ganzes: „Wir teilen gemeinsame Werte, wir stehen den gleichen Bedrohungen gegenüber, und wir sind für unsere Sicherheit unverzichtbar aufeinander angewiesen.“

Nach dem Brexit

Nicht nur für die Europäer hielt der Gast aus London dann noch eine Botschaft für die Zeit nach dem Brexit bereit: „Wir werden uns nicht nach innen wenden. Wir werden weiterhin eine führende Rolle in der Welt spielen, so wie wir das immer getan haben.“ Großbritanniens Interessen seien verankert im „historischen Transatlantischen Bündnis zwischen dem Vereinigten Königreich, den USA und Europa“. Dieses Bündnis bleibe fundamental für Frieden und Wohlstand in der Welt. „Ich versichere jedem im Raum, dass das Vereinigte Königreich alles tun wird, damit es noch 70 Jahre stark und vereinigt bleibt.“