Schule ohne Noten: Grüne Bildungsexperimente auf Kosten der Kinder. (Bild: Imago/Roland Mühlanger)
Schulnoten

In grüne Watte packen

Kommentar Hessen erlaubt einem kleinen Teil seiner Schulen, die Noten abzuschaffen. Die CDU gibt damit einer Forderung ihres grünen Koalitionspartners nach. Doch damit erweist die Landesregierung sich selbst, den Kindern und der Gesellschaft einen Bärendienst.

Hessens schwarz-grüne Landesregierung will die Schulnoten abschaffen, jedenfalls zum Teil. Stattdessen können einige Schulen den Schülern künftig auch schriftliche Bewertungen ausstellen. Ein Sprecher des hessischen Kultusministeriums bestätigte einen entsprechenden Bericht der FAZ. „Hessen hält aber selbstverständlich am Leistungsprinzip fest“, betonte der Sprecher. Bei dem Plan handele es sich um eine „Absichtserklärung“, die noch mit Leben gefüllt werden müsse. Es sei ein „Angebot“, worauf sich Schüler, Eltern und Lehrer „gemeinsam“ verständigen müssten. Laut dem Sprecher eigne sich das Vorhaben vor allem für Gesamtschulen.

Das Ganze ist mit etlichen Unklarheiten gespickt. Pro Jahr sind es nur bis zu 30 der 1800 öffentlichen Schulen in Hessen, die komplett auf Noten verzichten dürfen, bis 2023 insgesamt nur maximal 150. Es gibt allerdings keine Beschränkung auf eine Schulart, sodass am Ende nicht nur Gesamtschulen, sondern auch Gymnasien betroffen sein könnten. Niemand weiß allerdings, was passiert, wenn sich mehr als 30 Schulen melden. Auch müssen auf Abschlusszeugnissen und bei einem Schulwechsel immer noch Noten auf den Urkunden stehen, doch wie schriftliche Bewertungen in Noten umgewandelt werden, das weiß ebenfalls keiner so genau. Ob der Notenzwang beim Schulwechsel bedeutet, dass nur Schulen auf Noten verzichten dürfen, bei denen kein Wechsel auf eine weiterführende Schule ansteht, das scheint auch nicht klar zu sein. Denn dann dürften die rund 1100 hessischen Grundschulen nicht auf Noten verzichten.

Abschied vom Leistungsgedanken

Tatsächlich ist es aber so, dass die Umsetzung der grünen Forderung aus dem Koalitionsvertrag das Ende vom Leistungsprinzip bedeutet. „Pädagogisch neue Wege bei der Erreichung der Bildungsziele“ wurden im schwarz-grünen Koalitionsvertrag versprochen, schon das sorgte für Entsetzen bei vielen Eltern und Lehrern angesichts der Erfahrungen mit grüner „Bildungspolitik“ in anderen Bundesländern. Der vom grünen Landtags-Fraktionschef Mathias Wagner versprochene „Aufbruch“ wird in Wahrheit wieder ein „Einbruch“ bei der Bildungsqualität sein. Wieder wird es eine Reform eines relativ gut funktionierenden Bildungssystems geben. Nicht wegen besserer Argumente, sondern weil die grüne Ideologie des ewigen Gleichmachens und der Leistungsfeindlichkeit es so will.

Schwammige Formulierungen

Natürlich, so manchen Schüler wird es freuen, wenn nicht mehr eine 4 oder 5 im Zeugnis stehen, sondern schwammige Formulierungen wie „Er bemühte sich redlich“. An Grundschulen in den ersten beiden Jahren gibt es das auch in Bayern – da müssen sich Schüler aber auch erst an das Schulleben gewöhnen. Für eine bessere Vergleichbarkeit der Leistungen sollen später aber Noten vergeben werden.

Ein Fließtext sei „schwerer zu lesen“, warnt der Deutsche Lehrerverband Hessen. Damit ist gemeint, dass Eltern wie auch Schüler aus Formulierungen nicht unbedingt den Leistungsstand herauslesen können, oder ob man nun schlechter oder besser geworden ist. Vom enormen Mehraufwand für die Lehrer und den Problemen bei einem Umzug in ein anderes Bundesland oder auch nur in eine andere Schule mit Benotung muss man gar nicht erst reden.

Noten machen Unterschiede sichtbar

Der Streit, ob Noten gerecht sein können, ist uralt. Und natürlich, Noten sind zu oft auch subjektiv, so sehr sich die meisten Lehrer auch bemühen, ihre Präferenzen oder Abneigungen für einzelne Schüler nicht in die Benotung einfließen zu lassen. Außerdem sind Kinder nie alle gleich und es gibt Fälle, die ohne Noten später im Beruf aufsteigen, und Fälle, für die Noten möglicherweise nicht das richtige Mittel zum Erfolg sind. Aber in der Regel gilt doch: wenn man Schüler in Watte packt, führt das erfahrungsgemäß weder zu mehr Gerechtigkeit – auch Formulierungen können subjektiv sein – noch zu mehr Leistungsbereitschaft. Das Gegenteil ist meist der Fall. Das bestätigen auch viele Studien und gescheiterte Keine-Noten-Experimente in anderen Ländern.

Noten sind Messergebnisse von Fähigkeiten, Talenten, Leistung und Wissen, sie machen real existierende Unterschiede sichtbar und bieten einen Orientierungsrahmen. Auch Kinder wollen übrigens meistens wissen, was ihre Leistung wert ist. Bei einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für die Bild am Sonntag sprachen sich 75 Prozent der befragten Schüler für die Beibehaltung von Zensuren aus. Nur 18 Prozent favorisierten eine Beurteilung in Textform.

Zudem seien 80 Prozent aller Noten sehr gut, gut und befriedigend, sagt Hans-Peter Meidinger, der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. Schlechte Noten seien zudem nicht „böse“, sondern in der Regel eine Warnung und ein Ansporn, mehr Arbeit in das entsprechende Fach zu investieren. Und nicht die Noten erzeugten Leistungsdruck, sondern der falsche Umgang mit ihnen, meist durch die Eltern. Die Wertschätzung des Kindes dürfe darum nicht an den Noten hängen, mahnt Meidinger.

Ohne Leistung ist alles nichts

Das Studium, die Ausbildung und das spätere Berufsleben sind Wettbewerbe mit Konkurrenten, in denen die Menschen auch für ihre Leistungen benotet, zertifiziert und bezahlt werden. Darauf muss man Schüler vorbereiten. Der Leistungsgedanke ist ein wichtiger Bestandteil unserer Marktwirtschaft: Wer mehr leistet, der soll auch besser entlohnt werden. Das funktioniert zwar leider nicht immer, aber es ist der Grundgedanke unserer Gesellschaft. Und er hat die deutsche Wirtschaft ganz nach vorne gebracht. Was bedeutet, so schlecht kann er nicht gewesen sein.

Das Ende vom Lied

Grüne, SPD und Linke wollen an dieser Mehrheit der Bevölkerung vorbei alle Schüler unabhängig von ihren Fähigkeiten und ihrem Fleiß möglichst gleich machen, durch Gesamtschulen und mit Schwammformulierungen. Jede verordnete Gleichmacherei führt nur dazu, das sich die Menschen weniger anstrengen, weniger innovativ sind und weniger leisten. Linke Bildungspolitik schadet unserer Gesellschaft. Gesamtschulen, Abitur für alle, Studium für alle, Schreiben nach Gehör, Vermittlung von diffusen „Kompetenzen“ statt konkreten Inhalten und Wissen, Gender-Lehrpläne, „Haltung“ und „politische Korrektheit“ statt Hirn und Verstand.

Am Ende stehen fast immer Bildungsdefizite, weniger Bildungsgerechtigkeit und schlechtere Berufschancen – und in Hessen bald auch „redlich bemühte“ Chirurgen, „im Großen und Ganzen zufriedenstellende“ Brückenbau-Ingenieure und „zu allen freundliche“ Piloten. Ein Anzeichen für die grüne Misere kann man aktuell beobachten: Schüler demonstrieren zwar für ihre Zukunft, meinen damit aber nur den Klimaschutz.

Mangels Rohstoffen ist der Mensch mit seinen Ideen und seinem Verstand unser größtes „Kapital“. Wir sollten das nicht leichtfertig aufs Spiel setzen, nur weil sich grün-rot-linke Leistungsfeinde einbilden, sie wüssten alles besser und müssten deshalb die Menschen von klein auf umerziehen. Sonst ist nicht nur die Versetzung unserer Kinder gefährdet.