Sind jetzt ein Prüffall für den Verfassungsschutz: AfD-Fraktionschefs Alice Weidel (l.) und Alexander Gauland. (Foto: Imago/Eibner)
Parteien

Verfassungsschutz nimmt AfD ins Visier

Der Verfassungsschutz nimmt die AfD noch stärker unter die Lupe. Er erklärt die Partei als Ganzes zum Prüffall, sieht aber die Schwelle zur Beobachtung mit V-Leuten und Telefonüberwachung noch nicht erreicht. Sprecher aller Parteien begrüßen das.

Besonders genau hinschauen will der Inlandsgeheimdienst künftig beim rechtsnationalen „Flügel“ der AfD von Björn Höcke und der Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA). Sie wurden jetzt zum Verdachtsfall erklärt, wie der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, in Berlin erläuterte.

Anzeichen für extremistische Bestrebungen

Es gebe gewichtige Anhaltspunkte für „extremistische Bestrebungen“ bei  „Flügel“ und JA, argumentierte Haldenwang. Aus dem BfV hieß es, es sei das erste Mal, dass eine im Bundestag vertretene Partei als Prüffall eingestuft werde.

Viele die Menschenwürde missachtende Positionen, pauschale Verunglimpfung von Flüchtlingen.

Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, zur „Jungen Alternative“ (JA)

Eine Partei kann zum Prüffall werden, wenn die Behörden erste Anzeichen für extremistische Bestrebungen erkennen. Bei einem Prüffall ist eine Beobachtung mit V-Leuten oder anderen nachrichtendienstlichen Mitteln grundsätzlich nicht erlaubt. Wird eine Organisation dagegen zum Verdachtsfall erklärt – wie jetzt der „Flügel“ um den Thüringer Partei- und Fraktionschef Björn Höcke –, dann ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel möglich, wenngleich nur sehr eingeschränkt. Beispielsweise ist dann eine Observation gestattet, ebenso das Einholen bestimmter Informationen von Behörden.

Während bei Verdachtsfällen personenbezogene Daten gespeichert werden können, werden bei Prüffällen keine so genannten Personenakten angelegt.

Einstweilen weder V-Männer noch Telefonüberwachung

Es gebe keinen Automatismus, gleich das ganze Arsenal zum Einsatz zu bringen, erklärte Haldenwang auf eine Frage nach einer möglichen Überwachung von Höcke. Welche Mittel genutzt würden, werde sich ergeben. V-Leute und die Überwachung von Telekommunikation kommen auch bei Verdachtsfällen nicht zum Einsatz. Das ist erst der Fall, wenn eine Organisation formell als Beobachtungsobjekt eingestuft wird.

Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitergehende Rechtlosstellung von Ausländern, Migranten, insbesondere Muslimen und politisch Andersdenkenden.

Thomas Haldenwang zum „Flügel“ von Björn Höcke

Der Bundes-Verfassungsschutz stützt seine Einschätzungen auf öffentlich zugängliches Material und Informationen, die von den Landesämtern für Verfassungsschutz geliefert wurden. Für die Neubewertung der AfD als Ganzes seien nicht Positionen in programmatischen Schriften relevant, sondern Äußerungen von Mitgliedern, sagte Haldenwang. Allerdings gehe es um eine „große Partei mit einer hohen Diversität in ihren politischen Aussagen“. Inwiefern radikale Wortmeldungen charakteristisch für Ziele und Ausrichtung der gesamten Partei seien, müsse nun geklärt werden.

AfD inszeniert sich als Opfer der „Altparteien“

Zur JA sagte Haldenwang, in deren zentraler Programmschrift „Deutschlandplan“ seien „viele die Menschenwürde missachtende Positionen“ enthalten. Er sprach von einer „pauschalen Verunglimpfung von Flüchtlingen“. Zum „Flügel“ sagte er: „Das durch den „Flügel“ propagierte Politikkonzept ist auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitergehende Rechtlosstellung von Ausländern, Migranten, insbesondere Muslimen und politisch Andersdenkenden gerichtet.“

Bisher wurde zumindest vom Bundesamt kein AfD-Politiker beobachtet und auch kein Linken-Politiker. Allerdings werden bei der Linken bestimmte Strömungen wie die sogenannte Kommunistische Plattform beobachtet.

AfD will juristisch gegen Einstufung als Prüffall vorgehen

Die AfD kündigte an, juristisch gegen die Entscheidung des Verfassungsschutzes vorgehen. Er halte die Argumente für nicht tragfähig, sagte Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland. Er warf dem Verfassungsschutz vor, aufgrund ungeeigneter Belege entschieden zu haben. „Wenn er als Beispiel anführt, dass wir für die Abschaffung des individuellen Asylrechts sind, dann müsste er auch Herrn (Rupert) Scholz, (den) früheren Verteidigungsminister der CDU, und Herrn (Friedrich) Merz zum Prüffall erklären. Die haben nämlich genau dasselbe gefordert“, sagte Gauland.

Er gab zu, dass einzelne AfD-Mitglieder sich verfassungswidrig geäußert hätten, weshalb Ausschlussverfahren gegen sie liefen. Aber: „Sie können einzelne Äußerungen nicht der Partei als Ganzes zurechnen.“

Es geht hier nicht um Parteipolitik, sondern um den Schutz unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung.

Andrea Lindholz (CSU), Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses

Breite Zustimmung kam von den übrigen Parteien, die gleichzeitig betonten, es handle sich um eine fachliche und keine politische Entscheidung einer Behörde. Innenminister Horst Seehofer (CSU) stellte sich hinter die Entscheidung des Verfassungsschutzes. „Wir haben diese umfangreiche Studie selbst auch beurteilt. Wir halten sie für plausibel. Und deshalb stehe ich hinter diesen Entscheidungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz“, sagte Seehofer in Berlin.

Zugleich betonte er, es gehe nicht um eine politische, sondern eine fachliche Entscheidung des Verfassungsschutzes. Seehofer betonte: „Ich lege großen Wert darauf, dass es keine Entscheidung von Politikern ist, sondern von den Verfassungsschutzbehörden, entschieden durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, aber auch gestützt auf Material der Länder.“

AfD will Deutschland schädigen

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) begrüßte ebenfalls die Einstufung der AfD als Prüffall. „Teile der AfD, das kann man ganz klar sagen, sind ein Fall für den Verfassungsschutz und weniger für die Talkshow“, sagte Söder. Damit müssten sich die Behörden auseinandersetzen, und genau das werde auch Bayerns Verfassungsschutz nun in enger Abstimmung mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz tun.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nannte die Entscheidung des Verfassungsschutzes „plausibel und nachvollziehbar“. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte Herrmann: „Sie muss jetzt konsequent umgesetzt werden.“ Die Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Andrea Lindholz (CSU), lobte die Entscheidung ebenfalls. „Es geht hier nicht um Parteipolitik, sondern um den Schutz unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung“, sagte sie der Rheinischen Post. Es sei von entscheidender Bedeutung, dass das Verfahren rechtssicher durchgeführt werde und auf belastbaren Fakten basiere.