Bildung muss Ländersache bleiben
Die Bundesregierung will den Digitalpakt als Hebel einsetzen: um die Bildungshoheit der Länder aufzubrechen. Alle 16 Ministerpräsidenten lehnen das ab. Zum Glück. Um die Länder finanziell zu unterstützen, braucht es keine Grundgesetzänderung.
Digitalpakt

Bildung muss Ländersache bleiben

Kommentar Die Bundesregierung will den Digitalpakt als Hebel einsetzen: um die Bildungshoheit der Länder aufzubrechen. Alle 16 Ministerpräsidenten lehnen das ab. Zum Glück. Um die Länder finanziell zu unterstützen, braucht es keine Grundgesetzänderung.

Das muss man erst mal schaffen: 16 Ministerpräsidenten, egal ob schwarz, rot, dunkelrot oder grün, gegen sich aufzubringen und zur entschlossenen Ablehnungsfront zu einen. Der Bundesregierung und Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) ist jetzt das Kunststück gelungen. Mit dem Digitalpakt als Hebel für Grundgesetzänderungen zu Lasten des Föderalismus und der Länderhoheiten.

16 Ministerpräsidenten sind sich einig

Die Schulen sollen schneller mit digitaler Infrastruktur und Technik ausgestattet werden – W-Lan, Laptops, Notebooks und Tablets. Dafür will der Bund in den nächsten fünf Jahren fünf Milliarden Euro an die Länder fließen lassen. Bund und Länder wollten darüber jetzt einen Digitalpakt unterzeichnen.

Problem: Der Bund darf das nicht so ohne weiteres. Denn Bildung ist Ländersache. Der Bund hat da nicht reinzureden und noch weniger zu entscheiden. Bundesregierung und Bundestag haben darum eine Grundgesetzänderung beschlossen. Sie erlaubt dem Bund, den Ländern für bestimmte Politikbereiche Mittel zukommen zu lassen – und über deren Einsatz mitzuentscheiden. Aber der Bundestagsbeschluss vom vergangenen Donnerstag ist schon wieder Makulatur. Denn der Bundesrat müsste mit Zweidrittel-Mehrheit zustimmen. Aber 16 Ministerpräsidenten sind sich einig: so nicht.

Der Bund will sich in Bildung einmischen …

Zum Glück. Denn der Bundestag hat Dinge beschlossen, die tief in die Bildungshoheit der Länder eingreifen würde: So ist etwa von „Sicherstellung der Qualität“ die Rede. Das klingt nach der Absicht, über Bildungsinhalte mitzubestimmen, mindestens auf sie Einfluss zu nehmen. Ähnlich klingt es, wenn der Bund im Digitalpakt Geld für die Weiterbildung von Lehrern zahlt. Oder über das Personal an Schulen mitentscheidet. Oder in einer gemeinsamen Lehr-Cloud des Bundes und der 16 Länder einheitliche Unterrichtsmaterialien zur Verfügung stellt.

Die Länder würden ähnlich behandelt wie nachgeordnete Behörden des Bundes.

Volker Bouffier, Winfried Kretschmann, Michael Kretschmer, Armin Laschet, Markus Söder

Mit dem Geld des Bundes kämen auch Steuerungs- und Kontrollrechte. Die Bundesregierung könnte von Behörden und Ministerien der Länder Berichte und Akten einfordern und Erhebungen durchführen. Die fünf Ministerpräsidenten aus Hessen, Baden-Württemberg, Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern – Volker Bouffier, Winfried Kretschmann, Michael Kretschmer, Armin Laschet  und Markus Söder – haben recht, wenn sie in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gemeinsam warnen: „Die Länder würden ähnlich behandelt wie nachgeordnete Behörden des Bundes.“ Was das Ende des Föderalismus wäre. Die Bundesrepublik wäre keine Bundesrepublik mehr.

… aber hat kaum Kompetenz

Ein noch massiverer Eingriff droht mit der Bestimmung, dass die Länder ab 2020 alle Bundländerprogramme zu 50 Prozent kofinanzieren sollen. Damit würde dann der Bund über die Verwendung von Teilen der Haushaltsmittel der Länder bestimmen – ohne Rücksicht auf die Finanzhoheit der Länderparlamente.

Warum sollen Bundespolitiker besser wissen, wie man Schulen digitalisiert als Landespolitiker?

Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg

Eine gute Frage zum Digitalpakt, so wie der Bund ihn sich denkt, stellt der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann: „Warum sollen Bundespolitiker besser wissen, wie man Schulen digitalisiert als Landespolitiker?“ Der Bund hat weder Schulen, noch Schulleiter oder Lehrer – und wenig Expertise in Bildungsfragen.

Bildung braucht Wettbewerb

Die Bildungshoheit der Bundesländer ist ein hohes Gut. Ein Erfolgsrezept. Schulen brauchen Wettbewerb, Lehrpläne brauchen Wettbewerb und die Kultusministerien auch. Genau das leistet der Bildungsföderalismus. Er schützt zugleich vor ideologischen Pädagogik-Experimenten. Denn die sind in der Bildungspolitik leider allzu oft eine Versuchung. Einst oder jetzt SPD-regierte Bundesländer können noch immer ein trauriges Lied davon singen.

Es ist schon richtig: Familien, die etwa von Berlin nach Bayern umziehen, merken, dass ihren Kindern plötzlich anderthalb Schuljahre fehlen. Aber es ist nur gut, wenn sie erkennen, dass Berliner Schulen und Berliner Bildung offenbar viel schlechter sind. Und wenn dann Druck auf das Berliner Kultusministerium entsteht. Das schlimmste, was dem ganzen Land passieren könnte, wären einheitliche Bildungsrezepte aus Berlin, erdacht von roten oder grünen Ideologen. Gleiches gilt für die Digitalisierung und digitalen Unterricht in den Schulen. Im digitalen Zeitalter braucht es den Vergleich unterschiedlicher pädagogischer Digitalrezepte und ihrer Resultate besonders dringend.

Das Geld kommt aus den Ländern

Wenn der Bund die Länder mit fünf Milliarden Euro bei der Digitalisierung der Schulen unterstützen will, braucht es dafür keine Grundgesetzänderung. Und eigentlich auch keinen Digitalpakt. Es könnte reichen, wenn die Bundesregierung sich daran erinnerte, woher das Geld überhaupt kommt: aus den Ländern, aus den Steuern, die in den Ländern eingesammelt und an Berlin abgeführt werden.

Die einfachste Lösung: Statt das Geld erst einzustreichen und es dann wieder zentral zu verteilen, könnte der Bund den Ländern von vornherein mehr Geld lassen – für die Digitalisierung der Schulen. Und das wäre dann eine echte Stärkung des Föderalismus. Im Sinne des Grundgesetzes.